Der schwelende Asyl-Streit zwischen CDU und CSU hat – womöglich – auch Auswirkungen auf Projekte und Ambitionen der deutschen Games-Branche.
Fröhlich am Freitag 26/2018: Die wöchentliche Kolumne aus der Chefredaktion
Verehrte GamesWirtschaft-Leser,
es vergeht kein Tag, an dem die CSU-Führung in persona der Partei-Granden Seehofer, Söder, Dobrindt und Blume einen Restzweifel daran lässt, wie gewaltig die Gräben zur Bundeskanzlerin inzwischen sind. Die Debatte um Migration, Integration und Flüchtlingspolitik überlagert nach wie vor eine Vielzahl anderer drängender politischer Themen.
Der Asyl-Streit ist zweifellos geeignet, die mühsam erhandelte Groko zu sprengen. Ohne die Denk- und Atempause des vergangenen Wochenendes und ohne die mahnenden Worte der Altvorderen wäre es mutmaßlich schon vor Tagen zum großen Knall und zu einem Bruch zwischen CDU und CSU gekommen.
Gelöst und ausgeräumt ist nichts: Der Konflikt lodert ungehemmt weiter. Die Rhetorik zwischen den Parteien hat zuletzt sogar noch an Schärfe zugelegt: Gezielte Durchstechereien und Indiskretionen aus vermeintlich vertraulichen Runden plus Zuspitzungen befeuern die Auseinandersetzung.
Sollte Merkel in den kommenden Tagen nicht zumindest Teilerfolge mit Blick auf bilaterale europäische Lösungen erzielen können (womit ungefähr niemand rechnet), wird das Innenministerium umgehend nationale Grenzkontrollen inklusive Zurückweisungen anordnen. Das hat Ressort-Chef Horst Seehofer wiederholt und nachdrücklich angekündigt, erst heute wieder.
Diese Maßnahmen würden gegen die ausdrückliche Haltung und die Richtlinienkompetenz der Kanzlerin erfolgen. Die noch vor wenigen Monaten undenkbare Option, dass Merkel den engsten Koalitionspartner und Partei-Chef der Schwesterpartei entlassen könnte, ist plötzlich denkbar. Sollte die Kanzlerin auch nur darüber nachgrübeln, von diesem Recht Gebrauch machen zu wollen, rät Seehofer dazu, sie möge dann bitte freundlicherweise gleich die komplette Koalition aufkündigen.
Und das nach gerade einmal 100 Groko-Tagen.
Dieses Auseinanderfallen der Union hätte weitreichende Konsequenzen – für die Parteienlandschaft, für die Bundesregierung, für Europa. Die CSU nimmt in Kauf, dass nicht nur die Ministerposten für Verkehr, Entwicklung und Inneres samt Staatssekretären zur Disposition stehen, sondern auch Mitregierungs-Optionen auf Bundesebene – und das für lange Zeit. Falls die CDU kurzfristig noch in Bayern antreten sollte, wäre die angestrebte, aber derzeit wackelige absolute CSU-Mehrheit im Freistaat zwangsläufig futsch. Dort wird Ende Oktober gewählt.
Es steht also irrsinnig viel auf dem Spiel, in letzter Konsequenz auch für die deutsche Videospiel-Branche. Denn mit Dorothee Bär ist die einflussreichste CSU-Politikerin als Digital-Staatsministerin im Kanzleramt verortet. Aber: Bär ist nicht nur frisch wiedergewählte Chefin des Digital-Thinktanks CSU.Net, sondern eben auch stellvertretende Partei-Vorsitzende, die Seehofers Linie vollumfänglich mitträgt.
Für den Asyl-Streit gilt daher: Sollte Seehofer tatsächlich fallen, fällt auch Bär – und damit der kurze Dienstweg des Berliner Industrieverbands Game mit Blick auf Förderung und eSport. Dies ist zwar zugestandenermaßen nur ein winziger Nebenaspekt der laufenden Debatte, aber aus Branchensicht gehört er zum kompletten Lagebild dazu.
Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen
Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft
Bisherige Folgen von „Fröhlich am Freitag“:
- 25/18: Die Grauzone wächst
- 24/18: Mehr Haltung bitte, Valve!
- 23/18: Die Unkaputtbarkeit der E3
- 21/18: Gewalt im (e)Sport
- 20/18: DSGVO-Crunchtime
- 19/18: Das kostenlose FIFA 18 WM-Update – Loot tut gut
- 18/18: Titelkampf um die „Games-Hauptstadt“
- 16/18: Cyber-Monopoly
- 15/18: Sieger der Herzen
- 14/18: Blockbuster – Erfolg in Serie
- 12/18: Der China-Kracher von Ubisoft
- 11/18: Vorgetäuscht und vorgeführt
- 10/18: Per Flugtaxi zur Gamesförderung
- 09/18: Das spielende Klassenzimmer
- 08/18: Endlich volljährig
- 07/18: Winterschlussverkauf
- 06/18: Reset für die Games-Republik Deutschland
- 05/18: Die mächtigste Lobby fürs schönste Hobby
- 04/18: Winner Winner McChicken Dinner
- 03/18: Nintendo switcht zum Kartonagen-Hersteller
- 02/18: Das geht ja gut los
- 50/17: Der Subventions-Autopilot
- 49/17: Die Spiele-Könige aus Schweden
- 48/17: Russisch Roulette mit Lootboxen