Wenn auf eines Verlass ist, dann auf die bitterböse Kreativität der Twitter-Gemeinde: Doch jenseits des Hashtags #Flugtaxi wird mindestens das Amt der neuen Bundesdigitalbeauftragten Dorothee Bär flächendeckend unterschätzt, analysiert GamesWirtschaft-Chefredakteurin Petra Fröhlich.
Fröhlich am Freitag 10/2018: Per Flugtaxi zur Games-Förderung
Verehrte GamesWirtschaft-Leser,
die bloße Erwähnung der Vokabel „Flugtaxi“ im Nebensatz eines Heute-Journal-Interviews mit der künftigen Digitalisierungsbeauftragten der Bundesregierung hat ähnliche Reaktionen hervorgerufen, als hätte, sagen wir, die Verteidigungsministerin laut über Frieden auf Erden oder zumindest in Afghanistan philosophiert – wo doch gleichzeitig nicht mal Bundeswehr-Helikopter abheben, -U-Boote tauchen und -Gewehre geradeaus schießen.
Schließlich will CSU-Politikern Dorothee Bär gleich mal den Grundschülern das Programmieren beibringen – in einem Land, das im weltweiten Breitband-Ranking traditionell nicht um einstellige Tabellenplätze kämpft, aber gleichzeitig Schnapsideen wie das „Netzwerkdurchsetzungsgesetz“ durchs Parlament bringt.
Jetzt also Hashtag #Flugtaxi.
Derweil die Wirtschaftsverbände ihr Glück kaum fassen können, ist die Begeisterung bei politischen Beobachtern und der Opposition zumindest zweigeteilt. So verweisen Kritiker – zurecht – auf den Umstand, dass die neue Staatsminsterin im Kanzleramt gar keine „richtige“ Ministerin sei, sondern eben das Pendant zu dem, was sie vorher schon war, nämlich Staatssekretärin. Trotzdem wird sich rasend schnell die Vokabel „Digitalministerin“ einbürgern – und Bär wird sicher nicht widersprechen, wenn sie so angekündigt wird. Wie zum Beweis verschickt die Junge Union Tweets mit den Fotos und Ressorts von Seehofer, Müller, Scheuer und Bär unter der Überschrift „Unsere Minister für Berlin“.
Jetzt heißt es: Endlich regieren! Wir packen es in Berlin mit vier Schlüsselministerien an und wünschen Horst Seehofer, @AndiScheuer , @DoroBaer und Gerd Müller viel Erfolg. #groko pic.twitter.com/dQBhTkcQK1
— Junge Union Bayern (@jubayern) 5. März 2018
Kritikpunkt 2: Von ihrem künftigen Büro im Kanzleramt aus kann Bär zwar Startup-Konferenzen eröffnen, Talkshows bereichern, Gastartikel verfassen und Parlamentarische Abende mit Lobby-Verbänden verbringen, aber mangels Budget eben keinen Meter Glasfaserkabel verbuddeln und keinen Cent Förderung verteilen.
Das ist einerseits richtig, aber andererseits auch kurzsichtig. Denn auch der „Bundesbeauftragte für Kultur und Medien“ wurde vor 20 Jahren als besserer Grüßaugust für rote Teppiche eingesetzt, gegen den Widerstand der um Pfründe und Budgets fürchtenden Bundesländer. Heute regiert Monika Grütters über 250 Mitarbeiter und einen 1,5-Milliarden-Euro-Etat, inklusive hunderten Millionen Euro Filmförderung. Dem BKM geht es so blendend wie nie.
Drittens stimmt die Beobachtung, dass Bärs Last-Minute-Verpflichtung wie ein Betriebsunfall anmutet, ähnlich wie die „Ehe für alle“ oder der Atomausstieg. Denn eigentlich war der Posten ja gar nicht im Koalitionsvertrag vorgesehen – bis der CSU einfiel, dass ihre drei gewonnenen Ministerposten bereits mit Männern besetzt sind.
Insofern: Die Kritik am Verfahren ist nachvollziehbar. Gleichzeitig ist die unverhoffte Berufung der CSU-Politikerin ein Wink des Schicksals. Denn keine künftige Bundesregierung wird wagen, das Digitale wieder vom Kabinettstisch zu verbannen. Im Gegenteil: Möglicherweise kommt es in dreieinhalb Jahren oder auch schon vorher zur Bildung eines separaten Digitalministeriums.
Selbst wer Bär nicht mag, ihren Ehrgeiz, ihr Faible für den FC Bayern, ihren Akzent, ihre Partei, „ihren Minister“ Dobrindt (wie sie ihn bei öffentlichen Anlässen bezeichnete) oder das Maut-, Dieselbetrug- und Kupferkabel-Ministerium, dem sie vier Jahre lang angehörte, muss zugestehen: Mindestens die Games-Branche hätte es personell kaum besser treffen können, denn Bär ist in der Branche hervorragend vernetzt und gilt als unerschütterliche Fürsprecherin.
Zusammen mit Digital-affinen Unions-Nachwuchskräften wie Kanzleramts-Chef Helge Braun und Thomas Jarzombek oder dem SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil – mit denen sie den Digitalpart des Koalitionsvertrags eingetütet hat – sind gute Voraussetzungen gegeben, im Digitalbereich und insbesondere beim Stichwort Games-Förderung schneller voranzukommen. Davon hätte die Branche noch vor wenigen Wochen nicht zu träumen gewagt.
Jetzt kommt es einzig drauf an, was Bär aus ihrem Amt macht.
Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen
Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft
Bisherige Folgen von „Fröhlich am Freitag“:
- 09/18: Das spielende Klassenzimmer
- 08/18: Endlich volljährig
- 07/18: Winterschlussverkauf
- 06/18: Reset für die Games-Republik Deutschland
- 05/18: Die mächtigste Lobby fürs schönste Hobby
- 04/18: Winner Winner McChicken Dinner
- 03/18: Nintendo switcht zum Kartonagen-Hersteller
- 02/18: Das geht ja gut los
- 50/17: Der Subventions-Autopilot
- 49/17: Die Spiele-Könige aus Schweden
- 48/17: Russisch Roulette mit Lootboxen