Saudi-Arabien baut seinen Einfluss im E-Sport massiv aus – ungeachtet der Kritik an der Menschenrechts-Lage. Was heißt das für Eintracht Spandau?
Kutte, Wimpel, Schals, Dosenmalz: Allein der Merchandise-Shop von Eintracht Spandau legt nahe, dass es sich hier nicht um einen gewöhnlichen E-Sport-Klub handelt. Seit dem Startschuss 2022 macht das Joint Venture der Agenturen Instinct3 und Jung von Matt Nerd nicht nur mit schrägen Marketing-Aktionen rund um ‚Präsident‘ Maximilian Knabe (alias HandOfBlood) Schlagzeilen – auch in sportlicher Hinsicht gibt es erste Erfolge: So feierte das League of Legends-Team im April das ‚Double‘. Und seit dieser Woche kickt Eintracht Spandau mit einem eigenen Kader in der zweiten Saison auf dem Kunstrasen der Indoor-Fußball-Liga Baller League.
Mit großer Reichweite kommt große Verantwortung – und daraus leiten sich Fragen ab. Etwa dahingehend, wie Eintracht Spandau auf die jüngsten Entwicklungen in der E-Sport-Branche blickt.
Denn das Königreich Saudi-Arabien hat die Machtposition im Gaming spürbar ausgeweitet – etwa durch den Zukauf des weltweit führenden Turnier-Veranstalters ESL Gaming, die Beteiligung an Spiele-Weltmarktführern und die Ausrichtung des mit 60 Mio. $ dotierten Esports World Cup.
In dieser Woche hat der Wüstenstaat zudem vom Olympischen Komitee (IOC) den Zuschlag für die Ausrichtung der Olympic Esports Games bekommen. Laufzeit: zwölf Jahre.
Eintracht Spandau: „Wollen keinen Beitrag für Sportwashing leisten“
Das Signal ist klar: Ohne Saudi-Arabien geht künftig wenig bis nichts im globalen E-Sport – mit Auswirkungen auf Spieler, Teams und Studios. Milliardenschwere Investitionen und Rekord-Preisgelder sollen Stars, Sponsoren und Touristen anlocken.
Doch trotz eingeleiteter Reformen steht der Golf-Anrainer weiter in der Kritik: Dem Thema „Menschenrechte in Saudi-Arabien“ ist ein eigener Wikipedia-Eintrag gewidmet – laut Amnesty International gab es zuletzt weltweit nur wenige Länder, in denen so oft die Todesstrafe vollzogen wird.
Wie die Eintracht Spandau GmbH mit dieser Situation umgeht, erklärt Geschäftsführer Christian Baltes im GamesWirtschaft-Interview.
GamesWirtschaft: Christian, wie bewertet Eintracht Spandau die Positionierung von Saudi-Arabien mit Blick auf die Ausrichtung globaler und regionaler E-Sport-Events?
Baltes: Wir beobachten die Entwicklungen sehr kritisch. Wir sehen, dass in Folge der Wirtschaftskrise der E-Sport-Sektor sich in eine finanzielle Abhängigkeit begibt zu einer Region, deren Entscheidungsträger nicht die demokratischen und freiheitlichen Werte vertreten, denen wir uns mit unserem eigenen Handeln verschrieben haben.
Wir verurteilen dabei jedoch nicht pauschal solche Akteure, die sich auf diese Umstrukturierung des Ökosystems einlassen, da wir sowohl die Contra- als auch die Pro-Argumente zur Kenntnis nehmen und einsehen, dass es unterschiedliche, aufrichtige Perspektiven auf die zugrundeliegenden philosophischen Grundsätze gibt.
Für uns selbst ziehen wir bislang jedoch eine klare Grenze und möchten mit unserer kreativen Schaffenskraft und unserer Reichweite keinen Beitrag für das Sportwashing leisten.

Saudi-Arabien organisiert sowohl den Esports World Cup als auch die Olympic Esports Games. Wird sich Eintracht Spandau perspektivisch um Startplätze bei künftigen Ausgaben dieser Formate bewerben und Spieler respektive Teams entsenden?
Für Eintracht Spandau ist eine Teilnahme an diesen Events aktuell ausgeschlossen. Wir haben immer wieder betont, dass wir uns als deutsches Team in einer deutschen Liga sehen und hoffen, dass diese nationale E-Sport-Szene lang genug überleben kann, auch ohne Geld aus Saudi-Arabien.
Wir machen uns jedoch auch nichts vor, dass es angesichts des aktuellen Trends durchaus in einigen Jahren soweit sein könnte, dass kein wirtschaftlich tragbarer E-Sport-Betrieb ohne Kollaboration mit Assets, die Saudi-Arabien zuzuordnen sind, möglich sein wird. Wenn es so weit kommt, und wir uns die Frage stellen müssen, ob wir mit Saudi-Arabien kooperieren oder gänzlich das E-Sport-Projekt einstellen müssen, wird dies ein schwieriger Scheideweg sein.
Wir hoffen, dass es jedoch nicht so weit kommt und europäische Industrieteilnehmer, die europäische Gesellschaft sowie die europäische Politik sich für die Wahrung einer Unabhängigkeit dieses Wirtschaftszweiges von Einflussnahme aus dem Nahen Osten einsetzen werden.

Welche Auswirkungen erwartet ihr infolge der massiven Investitionen von Saudi-Arabien a) auf die Entwicklung des E-Sport und b) auf die künftige Entwicklung von Eintracht Spandau?
Wir erwarten aktuell, dass sich kurz- und mittelfristig Saudi-Arabien als Hotspot der globalen E-Sport-Szene entwickeln kann. Das bedeutet leider auch, dass eine Internationalisierung von Eintracht Spandau aktuell strategisch keinen Sinn ergibt.
Für den deutschen E-Sport ist dies womöglich sehr bedauerlich, da wir als die identitätsstiftendste E-Sport-Marke Deutschlands nicht als Repräsentant in die Welt dienen werden.
Im Umkehrschluss bietet die Isolation aber vielleicht auch eine Chance: Wenn wir uns hyperlokal weiterentwickeln und mehr auf Offline-Touchpoints in Deutschland setzen, füllen wir potenziell ein Vakuum, das im nationalen E-Sport zu entstehen droht.
Immer freitags, immer kostenlos: Jetzt GamesWirtschaft-Newsletter abonnieren!
GamesWirtschaft auf Social Media: LinkedIn ● Facebook ● X ● Threads ● Bluesky