Dabei sein ist alles: Beim Deutschen Filmpreis gibt es ab 2025 kein Preisgeld mehr – ein Modell für den Computerspielpreis?
Verehrter GamesWirtschaft-Leser,
verehrte GamesWirtschaft-Leserin,
von Wolfgang Tiefensee – einst Leipzig-OB und Verkehrsminister, heute Wirtschafts-Minister in Thüringen – ist der schöne Satz überliefert: „Der Onkel, der das Geld mitbringt, ist beliebter als die Tante, die Klavier spielt“ – in leichter Abwandlung eines Wilhelm-Busch-Klassikers.
Und es stimmt ja auch: Politiker sind immer dann besonders gern gesehene Gäste, wenn sie nicht nur Grußworte aufsagen oder Autobahnabschnitte eröffnen, sondern möglichst auch noch Schecks im Gepäck haben. Oder zumindest die Botschaft, dass alles so bleibt, wie ist.
Umgekehrt braucht es schon eine gewisse Chuzpe, um sich in den Wind zu stellen und Kürzungen oder andere bad news zu ‚verkaufen‘ – wie FDP-Chef Christian Lindner, der im Januar den sehr wütenden Bauern und Großgrundbesitzern verklickern musste, dass er sich zwar gerne für mehr Anerkennung und weniger Bürokratie einsetzen wolle. Die Subventionen werde er trotzdem kürzen, schönen Tag noch.
Der grünen Kulturstaatsministerin Claudia Roth ist in den vergangenen Tagen das Kunststück gelungen, einer Branche etwas wegzunehmen – und dafür nicht nur nicht gescholten zu werden, sondern auch noch vergleichsweise breite Zustimmung, gar „Verständnis“ zu ernten.
Huch, was ist da denn los?
In einem Nebensatz einer Pressemitteilung kündigt Roth an, die „bisher im Rahmen des Deutschen Filmpreises als Prämien ausgereichten Haushaltsmittel in Höhe von rund 3 Millionen Euro“ zu streichen – und statt dessen in die Film-Förderung umzuleiten. Das Geld ist also streng genommen nicht weg, sondern woanders.
In der Praxis bedeutet das dennoch, dass der Deutsche Filmpreis ab 2025 undotiert ist – und sich damit internationalen Auszeichnungen wie dem Oscar, dem Bafta, dem César oder dem European Film Award angleicht.
Die Entscheidung kommt einer Zäsur gleich. Denn die goldene ‚Lola‘ war ja nicht nur deshalb so begehrt, weil sie die besten Drehbücher, Kostümbilder, visuelle Effekte oder den besten Schnitt würdigt. Sondern auch, weil der Filmpreis als höchstdotierter Kulturpreis des Landes gilt. Beziehungsweise: galt. Allein die sechs Nominierungen in der Spielfilm-Kategorie waren jeweils 250.000 € ‚wert‘, der Sieger kassierte das Doppelte, nämlich eine halbe Million.
Zum Vergleich: Beim Deutschen Computerspielpreis (DCP) – der natürlich eine weit kürzere Historie aufweist – gibt es für den Hauptpreis (‚Bestes Deutsches Spiel‘) 100.000 € und für die Nominierung 30.000 €. Die Kohle darf nicht für Lustreisen verjuxt werden, sondern muss zwingend in ein Folgeprojekt fließen. Das Ziel: die Entwicklung hochwertiger Games in Germany zu befördern.
Inwieweit dafür das Instrument eines ‚Preisgelds‘ in der Praxis überhaupt geeignet ist, wird ähnlich wie beim Filmpreis ganz unterschiedlich bewertet. Seriös kalkulieren können Studios mit potenziellem Preisgeld jedenfalls nicht, zumal die Gelder ja erst Monate nach der Zeremonie eintrudeln. War ein Publisher involviert, wird der Gewinn auch noch gesplittet.
Wer diese DCP-Schecks bekommt, entscheidet ein vergleichsweise kleiner Kreis hinter verschlossenen Türen. Zwar hat eine breit besetzte und regelmäßig durchwechselnde 40köpfige ‚Hauptjury‘ das letzte Wort – doch die eigentliche Auslese findet bereits zuvor statt, nämlich in Form der Fachjurys. Dort machen vier nicht weiter benannte Personen unter sich aus, welches Spiel überhaupt zur Finalrunde zugelassen wird – und welches nicht.
Dräut nun der Games-Industrie ein ähnliches Schicksal wie der Deutschen Film-Akademie, die den Filmpreis organisiert?
Mit welchem Budget das Wirtschaftsministerium für den DCP 2025 konkret plant, geht aus dem vorliegenden Haushalts-Entwurf (noch) nicht hervor. In der öffentlich nachlesbaren Vereinbarung mit dem Verband (PDF) bekennt sich die Bundesregierung allerdings zu Preisgeldern von 800.000 € aufwärts – zuzüglich Geld für die „Umsetzung“. Wollte das Ministerium daran rütteln, müsste es den Vertrag aufkündigen – und zwar spätestens zum 31. Juli. Hinzu kommen Zuschüsse für das Zeremoniell, das sich die Branche im Wechsel vom Freistaat Bayern und der Hauptstadt-Region ausrichten lässt. So hat allein Berlin-Brandenburg zuletzt 275.000 € beigesteuert, wie aus dem Medienboard-Tätigkeitsbericht hervorgeht.
Dass die Politik nicht nur auf dem Klavier für die Games-Entwickler spielt, sondern auch das komplette Preisgeld mitbringt, ist noch nicht allzu lange der Fall, nämlich erst seit 2020. Der Branchenverband sprach damals von einer „längst überfälligen Gleichberechtigung mit anderen Kultur- und Medienpreisen.“
Das Argument ist schlecht gealtert.
Rein fachlich drängen sich wenige Gründe auf, weshalb nicht auch der Computerspielpreis undotiert sein sollte. Warum nicht das ‚eingesparte‘ Preisgeld vollumfänglich und dauerhaft in die Talent- und Nachwuchs-Förderung packen – anstatt es gutsituierten Mittelständlern und AG-Töchtern anzureichen? Bei der Gelegenheit könnte man auch gleich die hochgradig alberne Prämierung des „besten internationalen Spiels“ (why?) abschaffen.
Dass die Branchen-Lobby die mühsam erkämpften Steuergelder widerstandslos aufgibt, ist nicht zu erwarten – und wäre vielleicht auch ziemlich bekloppt. Denn im Unterschied zum Film herrscht schon jetzt wenig bis keine Planungssicherheit, wie es im Rest von 2024 und ab 2025 mit Habecks Computerspiele-Förderung weitergehen könnte. Währenddessen sitzt Claudia Roth im Kanzleramt auf einem längst genehmigten 33 Mio. €-Games-Topf, liefert aber nicht.
Diese Unsicherheit betrifft im Übrigen auch einen anderen ‚Dauerbrenner‘, nämlich die Gemeinnützigkeit für den E-Sport, die in dieser Woche – zum wievielten Male eigentlich? – keine Mehrheit innerhalb der Bundesregierung fand. Wie schon zuvor bei der Groko. Und entgegen der Zusagen des geltenden Koalitionsvertrags. Die Ampel wirft sich wechselseitige Blockade vor. Jetzt soll es der Bundestag richten.
Das fortgesetzte Rumgeeier ließ den Game-Verband am Mittwoch bereits eindringlich davor warnen, Deutschlands Medaillen-Chancen bei olympischen E-Sport-Wettkämpfen würden gemindert.
Deutschlands … was? Sie lesen richtig. Die IOC-Vollversammlung hat einstimmig beschlossen, dass ab 2025 Olympic Esports Games ausgetragen werden – und zwar mindestens bis 2036 in Saudi-Arabien. Jenem Königreich, das viele fossile Milliarden im Games-Biz verfeuert und derzeit die erste ‚E-Sport-WM‘ (Esports World Cup) in Riad schmeißt. Preisgeld: 60 Mio. $ – also umgerechnet 70 Computerspielpreise.
Und demnächst halt auch noch League of Legends bei Olympia, womit das saudische E-Sport-Monopol endgültig wie Sichtbeton aushärtet. Denn Saudi-Arabien ist ja nicht einfach nur ein random Austragungsort, der in einem mehr oder minder demokratischen Prozess für eine Saison den Zuschlag erhalten hat, sondern Organisator, Veranstalter, Vermarkter – auf Jahre hinaus.
Spätestens 2025 wird es daher zum Schwur kommen, welche Institutionen, Medienhäuser, Funktionäre, Sponsoren, Teams und Spieler core-value-mäßig flexibel genug sind, um unterjährig Social-Media-Kanäle in Regenbogen-Farben zu tünchen, aber sehr grundsätzlich kein größeres Problem damit haben, dass ihnen ein mittelgut beleumundetes Regime den Teppich ausrollt oder einen Orden umhängt.
Für IOC und FIFA ändert sich hingegen nix: Ein Scheich, der das Geld mitbringt, ist nun mal beliebter als die Tante, die wegen Menschenrechten rumjammert.
Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen
Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft
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Was für eine Welt… Einige (Saudi-Arabien und Co.) sind eben scheinbar nicht zu belehren…
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