In die deutsche Games-Messe- und Event-Landschaft kommt Bewegung: Mit der EGX Berlin 2018 und der Magnology in Erfurt gibt es demnächst zwei neue Formate, die sich mit pfiffigen Konzepten vom Gamescom-Trubel absetzen.
Fröhlich am Freitag 8/18: Die wöchentliche Kolumne aus der Chefredaktion
Verehrte GamesWirtschaft-Leser,
alles war angerichtet: Marktführende Letsplayer und Influencer trommelten bereits für die Show. Rocket Beans TV war von Anfang an als strategischer Partner an Bord. Messegesellschaft und Vertreter der Stadt platzten vor Stolz. Und dann klappte auch noch der Deal mit dem eSport-Platzhirschen ESL.
Trotz all dieser hübschen Vorzeichen wurde das Gaming-Festival Arcade One in den Dortmunder Westfalenhallen abgeblasen. Obduktionsergebnis: zu wenige Tickets, zu geringes Aussteller-Interesse, strategische Fehleinschätzungen und ein bisschen Pech. Das ist jetzt ziemlich exakt ein Jahr her.
Das Vorkommnis zeigt, wie schwierig es ist, ein Spiele-Event mit fünfstelligen Besucherzahlen quasi aus dem Nichts heraus auf die Beine zu stellen. Die geplanten Arcade-One-Features klangen ähnlich zu dem, was sich die Macher der EGX Berlin 2018 oder der erstmals in Erfurt stattfindenden Magnology vorgenommen haben: ein buntes Potpourri aus AAA und Indie, eSport und Show, Cosplay und Letsplay, Meet und Greet – allerdings in einem deutlich familiäreren Rahmen als im Falle der Gamescom.
Die Reaktionen auf die jüngste Ankündigung der EGX in Berlin schwanken zwischen Warum-noch-eine-Messe-es-gibt-doch-schon-die-Gamescom-Fragezeichen und restloser Begeisterung. Letzteres gilt insbesondere für manchen Berliner, dem die traditionell sechsstündige Autofahrt nach Köln plötzlich gar nicht mehr so attraktiv vorkommt.
Abseits der reinen Reisezeit-Frage haben die EGX-Planer sehr präzise die offenen Flanken der von Rekord zu Rekord eilende Gamescom analysiert: zunehmend Berufstätigen-unfreundlicheres Timing, viel Gedrängel, lange Wege, endlose Warteschlangen – und das für ein paar Minuten Spielzeit.
7 von 10 Gamescom-Privatbesuchern sind volljährig, rennen also mit einem roten Altersbändchen durch die Hallen. Oft genug bekommen sie aber statt Spielszenen allenfalls beklebte Sperrholzwände zu sehen. Warum? Aus Gründen des Jugendschutzes sind Ab-16- und Ab-18-Spiele nicht offen einsehbar: Wer zum Beispiel wissen möchte, ob „Call of Duty WWII“ live und in Farbe wirklich so gut aussieht wie im Trailer, aber vor den „Ab hier noch 3 Stunden Wartezeit“-Warnschildern zurückschreckt, hat leider Pech gehabt.
„Playerunknown’s Battlegrounds“, „Far Cry 5“, „Kingdom Come Deliverance“, „Battlefront 2“, „Destiny 2“, „Assassin’s Creed Origins“, „Uncharted“, „Mittelerde: Schatten des Krieges“ – sie alle brauchen zwingend „separate Räume, abgewandte Monitore und pricacy screens“, wie es in den Messe-Regularien heißt.
Namhafte Publisher wie Bethesda haben gleich ganz darauf verzichtet, ihre Ab-18-Neuheiten „The Evil Within 2“ und „Wolfenstein 2: The New Colossus“ auf der Gamescom 2017 zu zeigen.
Mindestens die EGX Berlin 2018 macht aus dieser Not eine Tugend und lässt von vornherein nur Volljährige aufs Gelände. Ob Aussteller und Besucher diesen Vorteil annehmen, wird man Ende September besichtigen können.
Kurzfristig mögen neue oder expandierende Formate wie die Magnology, die SimRacing Expo oder eben die EGX die Stellung der Gamescom nicht gefährden. Trotzdem wäre es fahrlässig, die „Neuen“ zu unterschätzen: Denn in keinem Fall ist es so, dass Groß-Publisher zwangsläufig und vollautomatisch für die Gamescom gesetzt wären. Das Spiel um Quadratmeter und Premieren beginnt in jedem Jahr von Neuem. Der Branchenverband Game als Hüter der Marke und die KoelnMesse werden die rührigen Mitbewerber mit wachem Auge beobachten.
Wer weiß – vielleicht lässt sich ja sogar was lernen.
Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen
Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft
Bisherige Folgen von „Fröhlich am Freitag“:
- 07/18: Winterschlussverkauf
- 06/18: Reset für die Games-Republik Deutschland
- 05/18: Die mächtigste Lobby fürs schönste Hobby
- 04/18: Winner Winner McChicken Dinner
- 03/18: Nintendo switcht zum Kartonagen-Hersteller
- 02/18: Das geht ja gut los
- 50/17: Der Subventions-Autopilot
- 49/17: Die Spiele-Könige aus Schweden
- 48/17: Russisch Roulette mit Lootboxen