Bis vor wenigen Wochen distanzierte sich die Games-Branche mit klarer Kante vom Glücksspiel-Gewerbe. Dann kam „Star Wars Battlefront 2“ und die Lootbox-Debatte.
Fröhlich am Freitag: Die wöchentliche Kolumne aus der Chefredaktion
Liebe GamesWirtschaft-Leser,
in wenigen Wochen jährt sich ein bemerkenswerter Vorgang: Anfang 2017 trennte sich der Branchenverband BIU „mit sofortiger Wirkung“ vom Spielautomaten-Marktführer Gauselmann, dem Betreiber der bekannten Merkur-Spielotheken. Die Aufnahme in das Entwickler-Netzwerk BIU.Dev hatte zuvor branchenintern für Unruhe und scharfe Kritik gesorgt – zu Recht, wie der damals frischgebackene BIU-Chef Felix Falk einräumte. Er kassierte damit die Entscheidung seines Vorgängers ein.
Eine eingehende Prüfung habe im Nachhinein ergeben, dass sich die Spiele-Entwicklung der Gauselmann-Tochterfirma nicht klar von den restlichen Glücksspiel-Aktivitäten trennen lasse. Falk verband den Rausschmiss seinerzeit mit einer klaren Ansage: Unter seiner Leitung werde der BIU nie die Interessen von Glücksspiel-Anbietern vertreten.
Nun kann es passieren, dass die Branche von dieser scharfen Abgrenzung schneller eingeholt wird, als ihr lieb ist. Denn nach Auffassung von Politikern, Jugend- und Verbraucherschützern, Juristen und Kunden ist das, was der Branchenriese Electronic Arts ursprünglich mit den kostenpflichtigen Lootboxen in „Star Wars Battlefront 2“ praktizieren wollte, genau das: Glücksspiel. Auch das EA-Fußballspiel „FIFA 18“ und aktuelle Titel von BIU-Mitgliedsunternehmen wie Warner Bros., Activision Blizzard oder Ubisoft werden in diesem Zusammenhang genannt.
In den fraglichen Lootboxen können sich rein kosmetische Upgrades verbergen, aber auch Star-Wars-Helden oder Waffen oder Zaubersprüche oder Fußballer mit herausragenden Fähigkeiten. Das macht Lootboxen so begehrt – und damit einträglich.
Dem Glück lässt sich auf die Sprünge helfen, indem man als Spieler einfach ganz oft und ganz viele „Lose“ kauft, ähnlich wie bei einer Lotterie. Der Nutzer wird durch allerlei Mechanismen zum möglichst häufigen Einsatz von Echtgeld animiert, um die Gewinn-Chancen zu steigern. Der Ausgang dieses Geschäfts hängt in keiner Weise von den Fähigkeiten oder Talenten des Spielers ab. Vielfach wird noch nicht mal die Wahrscheinlichkeit eines „Hauptgewinns“ ausgewiesen – und natürlich gibt es keine Garantie, dass man die gewonnenen Schätzchen überhaupt gebrauchen kann.
Fällt das Lootbox-Geschäftsmodell wirklich unter die Glücksspiel-Definition? Das hängt nach Einschätzung studierter Juristen vom konkreten Einzelfall ab. Weil es sich um ein recht junges Phänomen handelt, steht die einschlägige Rechtsprechung aus. Entscheidend bei der Beurteilung ist unter anderem, ob die digitalen Versionen von Darth Vader oder Ronaldo einen bezifferbaren Euro-Wert haben – und wenn ja, in welcher Höhe. Bislang waschen Spielehersteller ihre Hände in Unschuld, indem sie den externen Weiterverkauf von Konten, Spielfiguren und Gegenständen über Drittanbieter in den Geschäftsbedingungen untersagen.
Klar ist aber: Sobald Zufall auf Entgelt trifft, dann betreten wir recht schnell das Feld des Glücksspiels.
Allein dieser Anfangsverdacht lässt alle Alarmglocken schrillen, denn das Glücksspiel-Gewerbe ist streng reguliert – und zwar weltweit. Es hat Gründe, warum die einschlägigen Anbieter auf Malta, Zypern, Gibraltar oder Karibikinseln zu Hause sind. Selbst ein milliardenschweres Unternehmen wie Gauselmann, das für relevante Steuereinnahmen und Tausende Jobs steht, stößt trotz intensiver Lobby- und PR-Arbeit an Grenzen. Zuletzt hat der Glücksspiel-Riese infolge eines Gerichtsurteils von den Lizenznehmern gefordert, die hauseigenen Online-Casino-Games nicht länger in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten.
Hätten die „Star Wars Battlefront 2“-Spieldesigner eine minimal weniger gierige Lootbox-Lösung implementiert, dann wäre kaum vorstellbar, dass sich der bayerische Landtag oder die Behörden im EU-Umland überhaupt mit dem Thema beschäftigen. Am Ende macht es aber allenfalls einen moralischen Unterschied, ob ein 60-Euro-Vollpreisspiel noch Lootbox-Elemente draufsattelt oder ob das Konzept „nur“ in immer mehr gratis herunterladbaren Free2play-Apps und Online-Spielen um sich greift.
Gegenüber dem klassischen und gelernten Free2play-Erfolgsmodell – viele spielen, wenige zahlen (die wiederum aber umso mehr) – ist die Lootbox-Mechanik noch um Einiges perfider. Es handelt sich im Grunde um eine Weiterentwicklung, die – smart umgesetzt – noch deutlich höhere Einnahmen verspricht, weil sie eine von vornherein ausgewiesene Belohnung durch puren Zufall und damit eine vage Hoffnung auf einen Volltreffer ersetzt. Bislang erkauft man sich in augenscheinlich harmlosen Spielen wie „Candy Crush Saga“ durch Ingame-Käufe lediglich zusätzliche Spielzeit in Form von Credits – gleichermaßen vorstellbar ist aber auch eine zufällig zusammengemixte Auswahl an Extras. Das Prinzip: größerer Einsatz gleich größere Chancen. Also genau so, wie es vermeintlich kostenlose Spiele wie „Clash Royale“ oder „Hearthstone“ vorexerzieren.
Es ist offensichtlich, dass die Grenzen zwischen Gaming und Gambling zusehends verschwimmen: Alleine dem eSport-Wetten-Markt wird schon in wenigen Jahren ein Milliarden-Umsatz zugetraut. Die Games-Industrie, die sich ja gerne als Leuchtturm der Kultur- und Kreativ-Wirtschaft inszeniert, wandelt daher auf einem sehr schmalen Grat – gerade dann, wenn sich Videospiele und Apps auch an Kinder und Jugendliche richten. Die USK-Altersfreigabe bietet an diesem Punkt bislang keine echte Orientierungshilfe.
Gesetzgeber in aller Welt verstehen beim Stichwort Glücksspiel nachweislich keinen Spaß. Alleine auf ihr Spielglück sollte sich die Spiele-Branche also nicht verlassen.
Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen
Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft
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