Start Meinung Anno 117: Neues aus der Römerpassage (Fröhlich am Freitag)

Anno 117: Neues aus der Römerpassage (Fröhlich am Freitag)

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So sieht es unter dem Firmensitz von Ubisoft Mainz aus: Das Isis- und Mater Magna Heiligtum lässt sich besichtigen (Foto: Landeshauptstadt Mainz)
So sieht es unter dem Firmensitz von Ubisoft Mainz aus: Das Isis- und Mater Magna Heiligtum lässt sich besichtigen (Foto: Landeshauptstadt Mainz)

Ein neues Anno im alten Rom – damit hat Ubisoft viele Fans glücklich gemacht. Dass Anno 117 in Mainz entsteht, ist fast schon zwangsläufig.

Verehrter GamesWirtschaft-Leser,
verehrte GamesWirtschaft-Leserin,

als am Montagabend die Neuheiten-Show Ubisoft Forward live aus Los Angeles übertragen wurde, schwenkte die Kamera für handgestoppte eineinhalb Sekunden in das Publikum, wo ein junger Mann selig applaudierte – und sein Glück erkennbar kaum fassen konnte. Soeben hatten seine Kollegen auf der Bühne ein neues Strategie-Spiel angekündigt, das irgendwann 2025 für PC und Konsole erscheinen wird und bei Ubisoft Mainz entsteht: Anno 117: Pax Romana.

Dass ein Spiele-Weltkonzern wie Ubisoft bei der wichtigen Präsentation des Jahres (Aufzeichnung) ein Game made in Germany auf den Sockel hebt, ist ein Novum, wie wir Lateiner sagen – und etwas sehr Besonderes.

Nur intime Branchen-Kenner – und natürlich sein Team in der Heimat (das die Show im Meeting-Raum gespannt via Livestream verfolgte) – haben in diesem Moment wahrgenommen, wer da eigentlich klatscht: Thomas Pottkämper – oder wie sie ihn nennen: Potti.

Falls Sie zum ersten Mal von Potti hören, mag das daran liegen, dass die große Bühne seine Sache nicht ist – und dass er als Studio-Manager von Ubisoft Mainz zwangsläufig eher im Hintergrund wirkt. Wer nach ihm googelt, findet zum Beispiel Einträge vom Bundesverband Deutscher Volks- und Betriebswirte e. V., der sich bei ihm herzlich für den Rundgang und die „spannenden Stunden in Mainz“ bedankt.

Doch dass Ubisoft Mainz heute zu den größten Studios des Landes zählt und mit Anno die deutsche Games-Marke verantwortet, hat enorm viel mit ‚Potti‘ zu tun. Denn er ist einer der Gründer der Related Designs Software GmbH – die zwar schon seit 1995 am Markt ist, aber erst im September 2005 beim Amtsgericht Mainz eingetragen wurde. Unternehmensgegenstand: „Die Planung, Entwicklung, Herstellung und der Vertrieb von Software jeder Art, insbesondere in den Bereichen Computer- und Videospielen, Internet und Multimedia“.

Begonnen hat Related Designs mit Spielen für die ‚Goldene Serie‘ (Boomer erinnern sich) aus dem Hause Data Becker – einst ein florierender Düsseldorfer Verlag, der neben Fachbüchern auch Visitenkarten-Druckereien, Wohnungsplaner und Vokabeltrainer via CD-ROM vertrieb. Eines der ersten Produkte von Pottkämper & Co.: ein 3D-Minigolf unter dem Motto: „Jetzt wird eingelocht!“. Für 29,95 DM gab es „36 tolle Minigolf-Bahnen“ und eine „absolut realistische Umgebung mit Sound und Netzwerkunterstützung“. Wenn das nix ist.

Fröhlich am Freitag - die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft
Fröhlich am Freitag – die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft

2000 folgte mit America das erste von mehreren guten bis sehr guten Echtzeit-Strategiespielen, ebenfalls für Data Becker. Die Kompetenzen blieben nicht unentdeckt: Der hessische Spielehersteller Sunflowers beteiligte sich am Studio und beauftragte das Team mit Anno 1701, dem dritten Teil der kommerziell irrsinnig erfolgreichen Aufbauspiel-Serie. Ein Jahr nach Veröffentlichung wurde Sunflowers dann von Ubisoft übernommen, das Anno 1404 (2009) und Anno 2070 (2011) vermarktete, allesamt preisgekrönt.

2013 kaufte Ubisoft schließlich auch noch die verbliebenen Anteile von Related Designs, das im Anschluss aus dem Handelsregister gelöscht wurde – und zwar heute vor exakt zehn Jahren. Aus Related Designs wurde zunächst Ubisoft Blue Byte Mainz und 2019 schließlich Ubisoft Mainz – der internationalen Konzern-Nomenklatur folgend.

In den vergangenen Jahren hat die Filiale in der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt ein beeindruckendes Wachstum hingelegt: Mehr als 170 Menschen sind dort heute beschäftigt – Platz 6 im GamesWirtschaft-Ranking, das von Ubisoft Düsseldorf angeführt wird. Aktuelle Projekte: Rainbow Six: Siege, Beyond Good and Evil 2 (ja, immer noch), das eine oder andere Geheim-Projekt – und natürlich alles rund um Anno.

Anno 117-Ankündigung bei Ubisoft Forward am 10. Juni: Executive Producer Stephane Jankowski (links) und Ubisoft Mainz-Studio-Manager Thomas Pottkämper
Anno 117-Ankündigung bei Ubisoft Forward am 10. Juni: Executive Producer Stephane Jankowski (links) und Ubisoft Mainz-Studio-Manager Thomas Pottkämper

Dass die Mainzer einen Nachfolger zum Besteller Anno 1800 planen, ist spätestens seit der Gamescom 2023 das am schlechtesten gehütete Geheimnis der Branche. Denn dort hatte Wirtschaftsminister Habeck – qua Amt für Deutschlands Videospiele-Zunft verantwortlich – einen XXL-Förder-Scheck über die Rekordsumme von 5,7 Mio. € für ein noch namenloses Projekt übergeben. Aus dem Zuschuss errechnete sich ein Budget im deutlich zweistelligen Millionen-Bereich, was eher nicht für eine Neuauflage von 3D-Minigolf sprach. Die Bundes-Subventions-Datenbank spoilerte außerdem, dass das Geld für den Standort Mainz bestimmt ist.

Alles sprach also für Anno. Offen war seitdem nur, in welcher Ära der Titel spielt – Mittelalter? Renaissance? Zurück in die Zukunft?

Dabei hätte man ahnen können, dass Ubisoft Mainz an einem neuen Anno im alten Rom arbeitet. Schließlich hat Pottis Studio seinen Sitz ausgerechnet in der Römerpassage„Ihr Shopping-Center im Zentrum von Mainz und das Tor zur bekannten und beliebten Fußgängerzone der Altstadt“, wie das Einkaufszentrum für sich selbst wirbt. Im Unter-, Erd- und Obergeschoss reihen sich Tchibo-Filiale, Eiscafé, Optiker, Buchladen, Friseur und Discounter aneinander, in den Etagen darüber werden Games entwickelt.

Wenn man so will: Unten Nagelstudio – oben Spielestudio.

Mit Blick auf die Recherche hat das Team beste Voraussetzungen direkt vor der Haustür: In und um Mainz befinden sich nämlich haufenweise Ruinen und Relikte, darunter römische Aquädukte, Amphitheater und Stadttore. Im Museum für Antike Schifffahrt sind Überreste der ‚Mainzer Römerschiffe‘ ausgestellt, die erst Anfang der 80er gefunden wurden.

Und es kommt noch besser: Denn Anno 117: Pax Romana entsteht auf geweihtem Boden. Als man um die Jahrtausendwende den Untergrund für die Tiefgarage der Römerpassage umbuddelte, stießen Bauarbeiter abseits von 300 Öllämpchen, Miniatur-Äxten und Opfergaben aus dem 1. Jahrhundert auch auf die Überreste eines Tempels: das ‚Heiligtum der Isis und Mater Magna‘, das heute zu den „Hauptattraktionen des römischen Mainz“ zählt (YouTube-Tour).

Klar ist aber auch: Bis das Aufbau-Spiel für PC, Xbox und PlayStation 5 erscheint, wird noch sehr viel Wasser den Rhein runter fließen. Die Laufzeit der Bundes-Förderung reicht bis November 2025. Als öffentlich wahrnehmbares ‚Gesicht‘ wird Creative Director Manuel Reinher fungieren, der schon in LA gemeinsam mit Marketing-Chefin Haye Anderson auf der Bühne stand. Reinher ist seit 2013 bei Ubisoft beschäftigt und war vor seiner Beförderung als Lead Artist an Anno 2205 und Anno 1800 beteiligt – also ein ‚alter Hase‘, der die Marke und die Community in- und auswendig kennt.

Eine Community, die natürlich sehr genau darauf achtet, dass Traditionen gepflegt werden: Denn die Zahl 117 ist natürlich nicht ausgewürfelt, sondern fußt auf dem Running Gag, wonach die Quersumme von Anno-Titeln stets 9 ergibt. Was im Übrigen auch für das geplante Release-Jahr gilt. Dass dieser Termin nach Möglichkeit eingehalten wird, liegt – auch – in der Verantwortung von Potti.

Doch da mache ich mir keine Sorgen. Denn Sie wissen ja: Fortes fortuna adiuvat.

Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen

Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft


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