
Die Abschaffung eines eigenständigen Games-Referats im Wirtschaftsministerium mag wie eine Petitesse wirken, ist aber ein Schlag ins Kontor.
Verehrter GamesWirtschaft-Leser,
verehrte GamesWirtschaft-Leserin,
als ich am Dienstagmorgen meinen Posteingang öffnete, musste ich herzhaft schmunzeln. Der Deutsche Kulturrat forderte nämlich die Bundesregierung per Pressemitteilung auf, „die Gameswirtschaft endlich ernstzunehmen“.
Hihi.
Gemeint war natürlich nicht das Ihnen vorliegende Branchen-Magazin gleichen Namens (das ja im politischen Berlin super-ernst genommen wird – lässt zumindest der Newsletter-Verteiler vermuten), sondern Deutschlands Spiele-Branche.
Was war passiert?
Das im Frühjahr 2021 von Erfolgs-Verkehrsminister Andy Scheuer eröffnete und 2022 in Habecks Wirtschaftsministerium umgetopfte ‚Games-Referat‘ wird schon wieder aufgelöst: Die Zuständigkeit wandert in die neue Abteilung ‚Kultur- und Kreativwirtschaft; Games‘ – nur echt mit dem Semikolon. Also in jenes Ressort, wo unter anderem Werbung, Design, Buch, Film, Musik, Rundfunk, Presse und Software zu Hause sind.
Signale für einen möglichen Umbau hatte es in den Monaten immer mal wieder gegeben. Denn der Leitungs-Posten im Games-Referat war seit Menschengedenken unbesetzt – im Organigramm klaffte ein „N.N.“. Nomen Nominandum – übersetzt: Fahndung läuft. Ministerialrat Frank Fischer managete beide Abteilungen kommissarisch in Personalunion. Jetzt hat man aus der Not eine Tugend gemacht – und Fischer zum Leiter einer zusammengefassten Einheit ernannt. Die buchstäblich eingespielten Games-Beamten wechseln ins neue Ressort, das somit auch Computerspiele-Strategie, -Förderung und -Preis koordiniert.
Thematisch und organisatorisch mag es gute Gründe geben – das Ministerium spricht auf Nachfrage von „Synergien“. Games sind nun mal Kultur- und Kreativ-Wirtschaft, die Schnittmengen zu anderen Gewerken: offenkundig.

Aber natürlich muss es sich für den gewerbsmäßigen Videospiele-Anbau nach einer Degradierung anfühlen. Ungefähr so, als habe man jahrelang einen mühsam erkämpften, eigenen Firmen-Stellplatz nutzen dürfen – so richtig mit Kennzeichen, überdacht, wenige Meter ins Büro. Und jetzt wird einem aus heiterem Himmel mitgeteilt, man möge bitte künftig auf dem Großparkplatz parken – wie alle anderen auch. Da darf man schon mal säuerlich reagieren.
Der Branchenverband wittert eine „systematische Benachteiligung“ gegenüber anderen Kulturformen, spricht von einem „verheerenden Signal“, geißelt den eingelegten „Rückwärtsgang“. CDU-Mann Gramling von der Opposition ätzt: „Habeck wollte unbedingt das Games-Referat in seinem Haus haben, jetzt beerdigt er es.“ Parallel gelangt Deutschlands Kulturrat zur Erkenntnis, die Bundesregierung „fremdele“ mit der Games-Industrie.
Wirklich von der Hand weisen lässt sich das nicht. Denn die Ampel sendet wie schon zuvor die Groko maximal widersprüchliche Signale an die Branche – die wiederum wie ein verwirrter Teenie von einer Sinnkrise in die nächste taumelt. Die Politik, sie liebt mich, sie liebt mich nicht, sie liebt mich …
In den vergangenen Tagen fiel der Liebeskummer besonders schlimm aus:
- Letzte Juni-Woche: Der Bundesrechnungshof zerpflückt die staatliche Games-Förderung, stellt Mechanik und Wirkung der Subventionen in Frage, pocht auf Nachbesserungen. Die Controller piksen in Wespennester – Mitnahme-Effekte, Fehlanreize, Intransparenz, Monitoring, Ungerechtigkeit, Gießkanne. Alles bekannt. Der Verband schäumt, die Realitäten am Weltmarkt würden seitens des Rechnungshofs „völlig verkannt“. Inwiefern genau, bleibt offen. Dabei gäbe es doch weiß Gott genügend Beispiele, wo und wie die Förderung wirkt.
- Eine Woche später: Die Ampel einigt sich nach nächtlichen Verhandlungen auf die Eckpunkte für den Haushalt 2025. Dass in der „Wachstums-Initiative“ auch Computerspiele in einem Zweizeiler erwähnt werden, wertet der Verband als „starkes Bekenntnis und Signal für den Games-Standort Deutschland.“
- Und in dieser Woche nun: Vorhang auf zum ‚Großen Referats-Klau‘.
Zwei Schritte voran, einer zurück – diesmal sind es sogar eher eineinhalb bis zwei.
Ich kann den Frust total nachfühlen. Denn die Branche ist nach wie vor Spielball zwischen Parteien und Fraktionen, zwischen Bund und Ländern, zwischen Kanzleramt und Ministerien. Mit Ausnahme von Landwirtschaft und Verteidigung waren Games schon überall aufgehangen – ohne je eine dauerhafte Heimat zu finden. Der Kulturrat hat daher völlig Recht, wenn er Klarheit fordert – „spätestens in der nächsten Legislaturperiode“. Also Bundestagswahl 2025 aufwärts. Bedeutet: noch eineinhalb Jahre Kummer, mindestens.
Der Blick richtet sich nun mehr denn je auf das Kanzleramt, genauer: auf Kultur-Staatsministerin Claudia Roth: Deren Behörde sitzt auf einem 100-Mio.-€-Topf für Games-Projekte, den ihr der Bundestag ungefragt vor die Tür gelegt hat. Das war im November. Seitdem hat die Grünen-Politikerin exakt keinen Vorschlag präsentiert, wie das Geld eingesetzt werden soll. Aus ihrem Umfeld hört man, es sei „kompliziert“. Das ist natürlich doof. Zum Glück ist jetzt erstmal parlamentarische Sommerpause.
Was spricht eigentlich dagegen, einen Teil des Budgets dazu einzusetzen, um in Roths Behörde ein Games-Referat zu schaffen? Dort gibt es nämlich bereits eigene Abteilungen für Literatur, Musik, Kunst, Theater und Tanz, für Medien und natürlich für den deutschen Film. Der Bund fördert den zwoten Teil von Manta Manta genauso wie Festivals, Netflix-Serien und Im Westen nichts Neues – also die ganze Breite, von Arthouse bis AAA. Das ließe sich 1:1 für Games spiegeln. Zumal die Film- und TV-Lobby auf einen bürokratie-armen Steuerrabatt-Automatismus drängt, den ja auch die Spiele-Branche dringend will. Dazu noch ein seriös ausgestatteter Etat für Startups und Indies – fertig ist die Laube.
Doch auch für dieses naheliegende Konstrukt werden sich sicher hinreichend „Geht nicht“-Argumente finden. Bis auf Weiteres spricht daher erstmal viel dafür, dass es so läuft wie in den vergangenen Wochen und Monaten: Die Politik – sie liebt mich, sie liebt mich nicht, sie liebt mich …
Spätestens Ende August wird sich präzise ablesen lassen, wie ernst die Spiele-Branche im Jahr 2024 des Herrn wirklich genommen wird – nämlich an der Besoldungsstufe jenes Politikers, der die Gamescom 2024 in Köln offiziell eröffnet: Staatssekretär? Ministerpräsident? Bundesminister? Oder doch (Vize-)Kanzler?
Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen
Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft
Immer freitags, immer kostenlos: Jetzt GamesWirtschaft-Newsletter abonnieren!
GamesWirtschaft auf Social Media: LinkedIn ● Facebook ● X ● Threads ● Bluesky