„Unvereinbar“ seien Ego-Shooter mit den grundlegenden ethischen Werten des organisierten Sports – auch deshalb sei eSport kein Sport. Die deutliche Positionierung durch den Landessportbund Nordrhein-Westfalen kommt für die eSport-Branche zur Unzeit.
Fröhlich am Freitag 21/2018: Die wöchentliche Kolumne aus der Chefredaktion
Verehrte GamesWirtschaft-Leser,
man kann nicht behaupten, dass die Mitarbeiter des Landessportbund Nordrhein-Westfalen (LSB NRW) ihre Hausaufgaben nicht gemacht hätten: Fachlich unfallfrei jonglieren sie in ihrem eSport-Positionspapier mit Begriffen wie MOBA, FPS, FIFA und ESL.
Das zweiseitige Dokument birgt politischen Sprengstoff. Zu geringe körperliche Aktivität, zu viel Gewalt, zu viel Kommerz – jeder einzelne Punkt hat das Zeug zum Dealbreaker, in Summe kommt der Verband zu einem klaren Ergebnis und verschickt eine Pressemitteilung mit der Überschrift: „eSport ist kein Sport“.
Natürlich sind die Sportfreunde des LSB nicht die ersten, die sich kritisch bis ablehnend zum Thema äußern. Zuvor ist dem Deutschem Fußballbund, dem Deutschen Olympischen Sportbund und IOC-Präsident Thomas Bach das irre Wachstum des eSport-Markts durchaus aufgefallen. Das zuletzt wieder salonfähige „Killerspiel“-Vokabular hochrangiger Sportfunktionäre macht aber deutlich, wie enorm das Misstrauen gegenüber den Gamepad-Athleten nach wie vor ist.
Dass der Landessportbund nicht alle Türen zuschlägt und den Dialog weiterhin führen will, gehört zur diplomatischen Folklore. Doch die No-Sports-Zuspitzung des einflussreichen Verbands ist fraglos ein Rückschlag für das eSport-Gewerbe, das zuletzt ermutigende Signale aus der Bundes- und Landespolitik erhalten hat. Digitalpolitikern wie SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil, dem CDU-Politiker Thomas Jarzombek, Kanzleramtsschef Helge Braun und CSU-Staatsministerin Dorothee Bär ist in ihrer Arbeitsgruppe das Kunststück gelungen, das Thema eSport inklusive „olympischer Perspektive“ aus den Wahlprogrammen in den Groko-Koalitionsvertrag zu retten – sehr zur Freude der Berliner Videospiele-Lobby. Die Verhandlungsführer räumten im Nachgang ein, dass sie bei der Vorstellung der eSport-Pläne in ihren Fraktionen überwiegend in leere Augen geblickt hätten. Nachfragen habe es nicht gegeben.
Die Argumente des Sportverbands mögen engstirnig wirken, sind aber inhaltlich nicht völlig von der Hand zu weisen. Die Machtkonzentration auf Anbieterseite ist zum Beispiel Fakt. Und: Shooter und Action-Spiele waren, sind und bleiben nun mal integraler Bestandteil der eSport-Szene. Das Ökosystem ist ohne „Counter-Strike“, „PlayerUnknown’s Battlegrounds“, „Rainbow Six Siege“, „Fortnite„, „Call of Duty“ oder „Overwatch“ schlichtweg nicht vorstellbar. Wer die jüngsten Trailer zu „Battlefield 5“ oder „Call of Duty Black Ops 4“ gesehen hat, braucht schon viel Fantasie, um den intellektuellen Salto zu Biathlon-Schießständen oder Judo-Matten hinzukriegen, wie ihn in dieser Woche der Game-Verband anstellte.
Das überraschende Signal aus Duisburg ist deshalb brisant, weil sich unter Umständen weitere Landesverbände der Haltung anschließen – mit etwas Pech kommt die Arbeitsgruppe des Olympischen Sportbunds bis zum Herbst zu einer ähnlichen Bewertung wie der DFB oder der LSB NRW. Bislang lautet das Motto: eSport im Sportverein? Wenn’s sein muss, aber dann bitte mit „pädagogischen Konzepten“ und „Maßnahmen zur Schulung von Medienkompetenz und Suchtprävention“. Und bitte ohne all das Bumm-bumm-bumm.
Ein sonniges Wochenende wünscht Ihnen
Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft