Start Meinung Computerspielpreis: Warum die Politik mitspielt (Fröhlich am Freitag)

Computerspielpreis: Warum die Politik mitspielt (Fröhlich am Freitag)

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Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) mit den Preisträgern von Pixel Maniacs beim Deutschen Computerspielpreis 2024 (Foto: GamesWirtschaft / Fröhlich)
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) mit den Preisträgern von Pixel Maniacs beim Deutschen Computerspielpreis 2024 (Foto: GamesWirtschaft / Fröhlich)

Der Deutsche Computerspielpreis rollt der Politik den blauen Teppich aus – eine Symbiose zu beiderseitigem Nutzen.

Verehrte GamesWirtschaft-Leserin,
verehrter GamesWirtschaft-Leser,

es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass der Triple-Sieger beim gestrigen Deutschen Computerspielpreis 2024 zwar in München ausgezeichnet und gefeiert wurde – aber in Bayern mit hinreichender Wahrscheinlichkeit gar nicht erst hätte entstehen können.

Denn das gleich dreifach prämierte Horror-Action-Spiel Ad Infinitum der Berliner Hekate GmbH weist eine Altersfreigabe von 18 Jahren auf und richtet sich demzufolge an ein erwachsenes Publikum. Der Fördern-und-fördern-lassen-Freistaat hingegen bezuschusst nur Spiele, die maximal eine USK 16 erwarten lassen.

Heißt: Hätten die Spiele-Entwickler nicht in Berlin, sondern in … sagen wir … Bayreuth, Passau oder Augsburg gegründet, wären sie mit ihrem Debüt mutmaßlich schon in der Konzept-Phase gegen die Wand gelaufen. Die Spielbeschreibung raunt: „Spielen Sie einen deutschen Soldaten, der von den Schrecken des Ersten Weltkriegs heimgesucht wird. Schreckliche Kreaturen, Todesfallen und wahnsinnige Geheimnisse markieren Ihren Weg durch das Schlachtfeld. Die Grenzen zwischen Albtraum und Realität, zwischen Wahrheit und Lüge sind zerbrochen, als die Hölle losbricht!“

Fröhlich am Freitag - die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft
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Die Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle warnt aus Gründen vor „drastischer Gewalt“ sowie „Horror- und/oder Ekel-Effekten“. Das Medienboard Berlin-Brandenburg hatte den zugrundeliegenden Anti-Kriegs-Ansatz offenbar verstanden und erteilte Zusagen von insgesamt 280.000 € für Ad Infinitum – Scheuers Verkehrsministerium steuerte immerhin 148.675 € bei, damals noch in der Pilotphase der Bundes-Förderung.

Zum Glück wurde dem bayerischen Ministerpräsidenten – der einst als Chef der CSU-Medienkommission die dringende Indizierung von Counter-Strike forderte – nicht die Zumutung zuteil, ein Loblied auf einen ’18er‘ zu singen. Stattdessen wollten es Zufall, Schicksal und/oder Choreographie, dass Markus Söder ausgerechnet ein Team aus seiner frrrängischen Heimat prämieren konnte, nämlich Pixel Maniacs als Studio des Jahres.

Die umtriebige Firma hat ihren Sitz im Süden von Nürnberg – jenem Wahlkreis, wo Söder fast zwei Jahrzehnte lang ziemlich erfolgreich für den Landtag kandidierte. Beim abschließenden Gruppenfoto stellte er in Aussicht, den Preisträgern aus dem eigenen Volksstamm demnächst mal einen Besuch abstatten zu wollen. Wir werden berichten.

Söders DCP-Auftritt war eng durchgetaktet: Kurz bevor er gegen 21 Uhr à la minute an den Eisbach Studios vorgefahren wurde, hatten ihm seine Mitarbeiter telefonisch die Kernbotschaften durchgefunkt, die er in seiner Laudatio unbedingt platzieren solle – was er dann auch prompt umsetzte, indem er auf das neue Games-Konzept des in herzlicher Abneigung verbundenen grünen Wirtschaftsministeriums abhob.

Nachdem er den Personenschützern des Landeskriminalamts noch den freundschaftlichen Rat mitgegeben hatte, sich doch mal ein Beispiel am respekteinflößenden Auftreten des umherstapfenden Gamescom-Transformers Gamebot zu nehmen (SO sieht ein LKA-Beamter aus …“), rauschte Söder in seinem 7er-BMW schon wieder zum nächsten Termin. Zu diesem Zeitpunkt waren längst die Event-Fotos im Kasten, die sein Social-Media-Team wenige Minuten später ins Netz stellte. Polit-Profis, was soll man sagen.

Die Ankündigung, dass der Ministerpräsident und CSU-Chef nach 2018 erneut am Computerspielpreis teil nimmt, hatte im Vorfeld für wilde Diskussionen gesorgt: Echt jetzt? Tut das not? Wer hat ihn eingeladen? Und viel wichtiger: Kann man ihn wieder ausladen?

Antwort: Nein. Denn der Freistaat tritt im jährlichen Wechsel mit Berlin als Gastgeber des Deutschen Computerspielpreises auf. Das Preisgeld von 800.000 € kommt zwar aus Habecks Schatulle, doch die eigentliche Verleihung ist eben Ländersache. Und wenn der Steuerzahler schon für Catering, Technik und Moderation aufkommt, dann wäre es ja schon irgendwie schräg, wenn der Landesfürst durch Abwesenheit glänzen würde.

Und zur Wahrheit gehört natürlich auch: Deutschlands Games-Branche braucht die Politik – viel mehr als umgekehrt. Schließlich geht es darum, möglichst keine Abrisskanten beim Subventions-Nachschub entstehen zu lassen: Allein in den vergangenen fünf Jahren haben Bund und Länder einen dreistelligen Millionen-Betrag in Games made in Germany investiert. Die Früchte lassen sich unter anderem in Enshrouded, Anno 1800, Pioneers of Pagonia, Shadow Gambit und im Spiel des Jahres Everspace 2 besichtigen.

In meiner Wahrnehmung hat der Computerspielpreis seit 2009 erheblich dazu beigetragen, dass der Staat überhaupt Games fördert. Der ausgerollte blaue Teppich schuf nämlich einen Anlass, damit Minister im Blitzlichtgewitter glänzen konnten. Was zuweilen für ausschweifende Selbstinszenierung ausgenutzt wurde, bei der die eigentlichen Stars des Abends – nämlich die Spiele-Entwickler – hinter den voluminösen Blumensträußen der VIPs verschwanden.

Mittlerweile hat man Maß und Mitte gefunden. Die Politik ist zwar vor Ort, nimmt sich inhaltlich und optisch aber zurück. Trotzdem gehört es zu den unvermeidlichen Ritualen solcher Events (egal ob Filmpreis, Sportler des Jahres, Oscar oder eben DCP), dass im Nachgang ausgedehntes Schulterklopfen stattfindet. Motto: Man muss sich schon mal selber loben, bevor die oben wieder toben.

Nehmen wir Bayerns Digitalminister Fabian Mehring, neben Aiwanger einer von vier Freie-Wähler-Ministern in Söders Kabinett: Der forsch auftretende 35jährige wurde erst im November 2023 vereidigt und zählt aus Sicht des sehr renommierten Branchenmagazins GamesWirtschaft schon jetzt zu den Top 10 der wichtigsten Games-Politiker 2024.

Und obwohl Mehring keine sechs Monate im Amt ist, lässt er mit Blick auf die fürs „Studio des Jahres“ kandidierenden Unternehmen Pixel Maniacs (Nürnberg) und Aesir Interactive (München) ausrichten: „Dass in dieser wichtigen Kategorie gleich zwei bayerische Studios nominiert waren, zeigt, dass sich der Turbo, den ich nach meinem Amtsantritt für Bayerns Games-Branche gezündet habe, ausgezahlt hat.“

Wir lernen: Das C in DCP steht für Chuzpe.

Sei’s drum: Ich warne dringend davor, die Relevanz des Computerspielpreises kleinzureden, wie dies verschiedentlich in der öffentlichen Debatte geschieht. Die Zuneigung der Politik wird weiterhin gebraucht – sei es bei der E-Sport-Gemeinnützigkeit, bei der Ausrichtung von Games-Messen und -Konferenzen oder eben bei der Förderung. Und dazu gehört auch ein jährliches Schaulaufen wie der Deutsche Computerspielpreis.

In diesem Sinne allen Gewinnern und Nominierten auf diesem Wege noch einmal ganz herzliche Gratulation.

Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen

Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft


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