Keine andere Partei hat dem Games-Standort Deutschland so sehr geschadet und gleichzeitig so viel Gutes beschert wie die CSU. Klingt komisch, aber #isso.
Verehrter GamesWirtschaft-Leser,
verehrte GamesWirtschaft-Leserin,
an diesem Wochenende blickt die Welt nach Bayern: Heute Abend bestreitet der Rekordmeister sein Heimspiel gegen Leverkusen. Und morgen startet dann das world-famous Oktoberfest. Welches – anders als der Name vermuten lässt – aus pragmatischen Sauwetter-Gründen sicherheitshalber schon im September beginnt. Nach der Losung „O’zapft is!“ muss die allererste Wiesn-Maß dem Ministerpräsidenten angereicht werden. So will es das Gesetz.
Drei Wochen später sind Landtagswahlen im Freistaat. Es ist daher kein Zufall, dass der digitalpolitische Flügel der CSU (das CSUnet) ausgerechnet in dieser Woche zum ‚Gaming-Brunch‘ in die Münchener Parteizentrale geladen hat. Das Thema: Games-Förderung. Im CSUnet schlägt das digitale Herz der CSU – weshalb es mutmaßlich eines Defibrillators bedurfte, um den seit September 2021 (!) brachliegenden Twitter-/X-Account zu reanimieren. Der letzte Tweet stammte nämlich aus einer Epoche, als Twitter noch Twitter hieß – und Meta noch Facebook.
Besagte CSU-Zentrale befindet sich in Schwabing, auf halber Strecke zwischen Allianz-Arena und Staatskanzlei, im Bermuda-Dreieck zwischen Aral-Tankstelle, Alpenverein und den Deutschland-Niederlassungen von Amazon und Microsoft. In diesen Tagen des Wahlkampfs ist jeder Gully-Deckel mit Söder-Werbung zuplakatiert.
Im Inneren des Franz-Josef-Strauß-Hauses herrscht jene Laptop-und-Lederhose-Folklore, die man im Mia-san-mia-Kosmos erwarten würde: Ungefähr alles ist mit dem CSU-Logo lackiert, von den Kugelschreibern über Kaffeetassen, Kissen und Servietten bis hin zur partei-eigenen E-Bike-Flotte. Für das Toilettenpapier gilt das naheliegenderweise nicht (für Sie getestet).
Auf dem CSU-Podium geht es an diesem Dienstagvormittag hoch her, denn die Lage ist ernst: Seit Mai ist Habecks Videospiele-Budget restlos aufgebraucht, auch schon für 2024. Deshalb gibt es vorerst kein weiteres Geld für Games aus Germany – im worst case geht es erst 2025 weiter mit der Kohle-Verstromung (Details).
Anders in Bayern, wo Milch, Honig und Subventionen fließen. Überhaupt sind Bayerns Entwickler wunschlos glücklich. Zumindest vermittelt diesen Eindruck das CSU-Wahlprogramm, das auf 24 dürren Seiten exakt keinen Handlungsbedarf für den heimischen Anbau von Spiele-Software erkennen lässt. Läuft doch.
Überhaupt positioniert sich Söders CSU in ihrer Außendarstellung sehr regelmäßig als Games-Versteher, mit eigener Digitalministerin und allem Pipapo. Das war nicht immer so. Auch wenn in Bayern bekanntlich alles verjährt, was länger als 24 Stunden zurück liegt, so gebietet es doch die Chronistenpflicht, kurz die dunkle Vergangenheit der Computer-Spiele-Union auszuleuchten:
- Cui honorem honorem: Der einstige CSU-Innenminister und spätere Regierungs-Chef Günther Beckstein gilt als Godfather und Erfinder der Formulierung „Killerspiel“.
- Bayerns „schwarzer Sheriff“ Joachim Herrmann ließ anlässlich des Deutschen Computerspielpreises 2009 eine Pressemitteilung mit dem Betreff „Keine Geschäfte mit Tötungstrainingssoftware“ verschicken. Darin forderte er von der Branche, auf „Herstellung und Vertrieb von Killerspielen in Deutschland freiwillig zu verzichten“. Diese Spiele widersprächen dem „Wertekonsens“ und gehören geächtet: „In ihren schädlichen Auswirkungen stehen sie auf einer Stufe mit Drogen und Kinderpornografie, deren Verbot zurecht niemand infrage stellt.“ Auf diesen intellektuellen Rittberger muss man erstmal kommen.
- Unmittelbar nach dem rechtsextremistischen Anschlag von Halle im Jahr 2019 verstieg sich CSU-Bundesinnenminister Horst Seehofer zu folgender These: „Viele von den Tätern oder den potenziellen Tätern kommen aus der Gamerszene. Manche nehmen sich Simulationen geradezu zum Vorbild.“ Man müsse genau hinschauen, ob Computerspiele zur Anschlagsplanung dienen. Im Nachhinein kam heraus: Seehofer stocherte stumpf im Nebel – der Generalverdacht entbehrte jeder Faktenlage. Parteichef Söder musste den irrlichternden Bundes-Horst zur Ordnung rufen: „Die Gamer, und das sind viele, viele junge Leute, die machen da großartige Sachen.“
- Seehofers unverhohlenen Unwillen bei der Umsetzung des Koalitionsvertrags-Versprechens, dem E-Sport zur Gemeinnützigkeit zu verhelfen, geißelte der politische Mitbewerber als „Arbeitsverweigerung“ – zurecht.
- Sie kommen nie drauf, welcher amtierende Ministerpräsident sich vor 20 Jahren als Vorsitzender der CSU-Medienkommission mit dafür eingesetzt hat, den Online-Shooter Counter-Strike zu indizieren – und im Anschluss sein tiefes Bedauern zum Ausdruck brachte, dass die Bundesprüfstelle dieser dringenden Empfehlung nicht gefolgt ist.
Und so weiter. Man mag sich besser nicht ausmalen, wie der Games-Standort Deutschland heute da stände, wenn er nicht über Jahrzehnte von einer Regionalpartei mit einem Marktanteil von roundabout 5 Prozent so zuverlässig ausgebremst, diskreditiert, schikaniert, kriminalisiert und ignoriert worden wäre. Immer nach dem gleichen weißblauen Rauten-Muster: Chancen negieren, Risiken eskalieren.
Und das macht natürlich was mit einer Gesellschaft, mit Investoren, mit Gründern.
Umgekehrt muss die Frage aber auch lauten: Wie stünde es um die Games-Republik anno 2023, wenn ab 2013 anstelle von CSU-Führungskräften anderes Personal in Regierungsverantwortung gewesen wäre? Mein Gefühl: Schlechter. Viel schlechter.
- So hat CSU-Verkehrsminister Andreas Scheuer 2019 unfallfrei die Computerspiele-Förderung auf Bundesebene eingeführt – und das, ohne unterwegs einen Schaden in dreistelliger Millionenhöhe anzurichten. Das ist nicht selbstverständlich.
- Eine klaffende Lücke hat Flugtaxlerin Dorothee Bär hinterlassen, die sich schon für die Games-Branche stark gemacht hat, als das noch nicht als cool galt – und als das Thema erst recht nicht dazu geeignet war, Partei-Karrieren zu beschleunigen (siehe oben). Seitdem sie 2021 vom Kanzleramt auf die Oppositions-Bank umgezogen ist, fehlt es im politischen Berlin an einem Gesicht, das (auch) für Games steht. Bär hat zwischenzeitlich auf Familienpolitik umgeschult und will neuerdings das älteste Gewerbe der Welt abschaffen (viel Glück dafür).
- Der Christlich-Sozialen Union muss man außerdem zugute halten, dass sie zwar notorisch mit dem Games-Sektor fremdelt. Doch immerhin hat sie dort, wo sie es zu entscheiden hatte (nämlich in Bayern und davor im Bund), weitgehend geräuschlos für eine stabile finanzielle Ausstattung der zuständigen Stellen gesorgt. Motto: Jeder Euro in die Spiele-Branche ist gut investiert – schlimmstenfalls springen Fachkräfte für Audi und BMW dabei raus.
Wie sehr die CSU das Digitale mittlerweile fühlt und lebt, ließ sich übrigens gegen Ende des Gaming-Brunch besichtigen, als in den Catering-Abklingbecken bereits die letzten verbliebenen Weißwürste bedenklich aufquollen. Die Panel-Teilnehmer erhielten nämlich als Dankeschön neben einem guten Tropfen fränkischen Prädikatsweins im Bocksbeutel auch ein druckfrisches Exemplar des nicht im CSU-Fanshop erhältlichen Kochbuchs #söderisst. Darin: „25 Genuss-Rezepte angelehnt an die besten Instagram-Posts von Ministerpräsident Dr. Markus Söder“.
Na dann: #Prosit
Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen
Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft
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> Mein Gefühl: Schlechter. Viel schlechter.
Halte ich für ein Gerücht! Wer überwiegend dadurch im Gedächtnis bleibt, dass er ausbremst und 2019 einfach mal wieder mit der Killerspieldebatte um die Ecke kommt, der braucht sich seine wenigen „Glückstreffer“ nicht auf die Fahne schreiben. Andere hätten es genau so gut auch besser machen können, wir wissen es nicht und spekulation zur Wahl sind unangebracht!
> angelehnt an die besten Instagram-Posts von Ministerpräsident Dr. Markus Söder
Genau was die Welt braucht … NICHT!! Der Typ versteht digitales und social media genau so gut wie für die Merkel das Internet bis ins Jahr 2020 hinein noch Neuland war. Es wird Zeit die alten Säcke endlich abzuwählen um Deutschland wieder zurück auf Kurs zu bringen was digitalisierung, flächendeckende Internetanbindung und internationale Wettbewerbsfähigkeit angeht
Söder ist 56, Günter 50, Wüst 48, Baerbock 42, Lindner 44 … sehr viel jüngeres Personal wird man kaum bekommen für diese Positionen.
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