Die CSU-Führung um Markus Söder und Joachim Herrmann distanziert sich von der Forderung von Innenminister Seehofer nach einer verstärkten Beobachtung der „Gamerszene“.
„Ist die Gamerszene voll von Neonazis?“
„Wie gefährlich ist die Gamer-Szene?“
Und: „Hat die Gamer-Szene ein Nazi-Problem?“
Mit solchen Schlagzeilen titelte das Springer-Portal bild.de am heutigen Montagmorgen im Umfeld der Live-Sendung „Die richtigen Fragen“ – und erhoffte sich entsprechende Antworten von Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU), SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil und dem Parlamentarischen FDP-Geschäftsführer Marco Buschmann. Doch trotz mehrmaliger suggestiver Nachfragen blieben die drei Politiker dabei: Deutschland hat kein Gamer-, sondern ein Neonazi-Problem – was spätestens seit der Ermordung von Regierungspräsident Walter Lübcke und dem Anschlag in Halle vom 9. Oktober offenkundig ist.
Im Vorfeld der anschließenden CSU-Präsidiumssitzung in München wiederholte Herrmann seine Einschätzung, wonach die Sicherheitsbehörden „keinerlei Erkenntnisse“ hätten, dass Computerspiele-Communitys stärker rechtsradikal unterwandert wären als die Gesamtgesellschaft. Damit widersprach Herrmann seinem Parteifreund und Bundesinnenminister Horst Seehofer, der in einem ARD-Interview argumentiert hatte, dass sich Attentäter bevorzugt Computer-Simulationen zum Vorbild für Planung und Ausführung von Anschlägen nähmen.
Die daraus abgeleitete Forderung nach einer verstärkten Beobachtung der nicht weiter spezifizierten „Gamer-Szene“ hatte seit der Vorab-Veröffentlichung des Interviews am Samstag zu heftigen Reaktionen geführt. YouTuber Rezo teilte das ARD-Video und verband den Tweet mit der Frage, wie „man seinen Job immer und immer wieder so sehr verkacken“ könne. Seehofer und seine Crew seien „echt so krass inkompetent“.
Den gleichen Vorwurf in eleganteren Worten formulierte der Branchenverband Game, der von „Unkenntnis und Hilflosigkeit“ sprach, mit der von den wirklichen gesellschaftlichen und politischen Fragen abgelenkt werden solle. Zwischenzeitlich haben sich Dutzende weiterer Politiker, Parteien und Verbände zu diesem Thema geäußert und überwiegend scharfe Kritik an Seehofer geübt.
Auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) warnte am heutigen Montag vor Pauschalurteilen und Generalverdacht: „Die Gamer, und das sind viele, viele junge Leute, die machen da ganz großartige Sachen“, so Söder wörtlich. Zudem sei die Computerspiele-Branche ein wichtiger Wirtschaftszweig. Man sei froh, dass es die Gamerszene überhaupt gibt. Söders Kabinett hatte sich Anfang Oktober darauf verständigt, die bayerische Games-Branche zu fördern. Der CSU-Chef ist Gastgeber des Deutschen Computerspielpreises 2020, der im April kommenden Jahres in München verliehen wird.
Mittlerweile hat das Bundesinnenministerium eine entschärfte Version der Seehofer-Aussagen verbreitet: Rechtsextremisten würden das Internet und auch Gaming-Plattformen als Bühne für rechtswidrige Inhalte missbrauchen. Seehofer: „Ob analog oder digital: Wir wollen Rechtsextremisten überall dort bekämpfen, wo sie aktiv sind.“