Start Politik Nach Seehofer-Interview: Game-Verband wehrt sich gegen „Generalverdacht“

Nach Seehofer-Interview: Game-Verband wehrt sich gegen „Generalverdacht“

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Innenminister Horst Seehofer (CSU) - Foto: Deutscher Bundestag / Achim Melde
Innenminister Horst Seehofer (CSU) - Foto: Deutscher Bundestag / Achim Melde

Der Berliner Lobbyverband Game übt scharfe Kritik an Innenminister Seehofer, der einen Zusammenhang zwischen dem Anschlag in Halle und der „Gamer-Szene“ sieht.

Unkenntnis und Hilflosigkeit seien es, die dazu führen, dass die Games-Community unter Generalverdacht gestellt wird – dadurch werde von den wirklichen gesellschaftlichen und politischen Ursachen für Anschläge wie in Halle abgelenkt.

Mit diesem Befund reagiert der Industrie-Verband Game auf Aussagen von Innenminister Horst Seehofer (CSU), der gegenüber der ARD angekündigt hatte, im Nachgang zum rechtsextremistischen Anschlag am 9. Oktober die „Gamer-Szene“ stärker in den Blick nehmen zu wollen. Das Politmagazin „Bericht aus Berlin“ hatte am Samstagnachmittag vorab einen Ausschnitt eines Interviews veröffentlicht, das am heutigen Sonntag ab 18:30 Uhr in der ARD und im Livestream in kompletter Länge ausgestrahlt wird (im Anschluss auch in der Mediathek).

Seehofer will erkannt haben, dass viele Täter oder potenzielle Täter aus der Gamer-Szene stammen und sich Simulationen geradezu zum Vorbild für Anschläge wie in Halle nehmen würden. Worauf der CSU-Politiker diese Erkenntnis stützt, geht aus dem Beitrag nicht hervor.

Felix Falk, Geschäftsführer Game e. V.
Felix Falk, Geschäftsführer Game e. V.

Game-Geschäftsführer Felix Falk verweist auf den Umstand, dass Games längst zu einem Bestandteil des Alltags Millionen Deutscher geworden seien. „Eigentlich müsste jedem längst klar sein: So wenig wie man Filme oder Bücher für Hass und Gewalt verantwortlich machen kann, so wenig sind Games und ihre Community hierfür die Ursache“, so Falk.

Stattdessen gäbe es in Deutschland ein „beängstigendes Problem mit Rechtsextremismus“. Der Verband fordert den Innenminister auf, nicht hilflos einem Medium und dessen Community die Schuld zu geben, sondern aktiv die gesellschaftlichen Probleme der Radikalisierung und zunehmenden Fremdenfeindlichkeit anzugehen, die zu solch furchtbaren Taten wie in Halle führen würden.

Der Branchenverband Game schließt mit seiner Kritik auch weitere Spitzenpolitiker ein, die analog zu Seehofer einen Zusammenhang zwischen dem Anschlag in Halle und Computerspielen unterstellen. Dazu gehört unter anderem Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Hasseloff (CDU).

Ähnlich lautet die Argumentation des eSport-Bund Deutschland (ESBD), der den Generalverdacht von Millionen Spielern ablehnt. „Wir müssen in diesen Tagen zusammenstehen und dürfen uns nicht spalten lassen“, fordert ESBD-Präsident Hans Jagnow.

Führende Oppositionspolitiker wie Europaparlamentarier Tiemo Wölken (SPD), Saskia Esken (SPD), Christian Lindner (FDP) und SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil haben sich mittlerweile der Kritik an Seehofer angeschlossen. „Wahnsinn. Es geht weder um Einzeltäter noch um Gamer. Es geht um Nazis. Um Nazis, die moderne Kommunikation nutzen, sich vernetzen, sich unterstützen und sich aufstacheln. Es wäre gut, wenn der Innenminister das begreift“, twitterte Klingbeil am Sonntagvormittag.

Die bayerische Grünen-Vorsitzende Katharina Schulze stellt – ebenfalls via Twitter – fest: „Das Problem heißt Rechtsextremismus, nicht Gaming.“ Dennoch dürfe man vor Radikalisierungstendenzen und Frauenverachtung „in speziellen Räumen der Gamerszene“ nicht die Augen verschließen.

CDU-Innenpolitiker Armin Schuster fordert indes verschärfte Regeln für Ego-Shooter: Dem Redaktionsnetzwerk Deutschland sagte Schuster, dass Seehofers Vorgänger de Maiziére nach dem Amoklauf im Juni 2016 in München entsprechende Vorschläge gemacht habe, die aber „leider erfolglos“ geblieben seien, so Schuster. Er würde eine neue Diskussion begrüßen. Gesetzesverschärfungen seien bislang auch am Widerstand innerhalb der eigenen Fraktion gescheitert.

Widerspruch kommt vom Düsseldorfer CDU-Digitalpolitiker Thomas Jarzombek: Es sei naiv zu glauben, man könne mit einem regulatorischen Kniff gesellschaftliche Probleme lösen. „Wer Computerspiele einschränken oder verbieten will, der macht es sich zu einfach.