Valve kapituliert vor der Flut an Spielen und Einzelfalldebatten und sendet die Botschaft: „Macht, was ihr wollt – aber tut euch nicht weh“. Das kann man rundum gut, weil liberal finden – oder man stellt die Frage nach der Verantwortung eines Quasi-Monopolisten. 

Fröhlich am Freitag 24/2018: Die wöchentliche Kolumne aus der Chefredaktion

Verehrte GamesWirtschaft-Leser,

der Fußballverband ist es leid: Dauernd dieses Genörgel von Spielern, Trainern, Klubs und Publikum über angebliche Fehlentscheidungen. Deshalb wird entschieden, die Abseits-Regel, die Gelben Karten und die Linienrichter kurzerhand abzuschaffen. Abgepfiffen und vom Feld gestellt wird nur noch bei allergröbsten Fouls.

So in etwa muss man sich vorstellen, was in dieser Woche von Valve angekündigt wurde – dem Betreiber der marktführenden PC-Spiele-Plattform Steam. Künftig sollen alle Spiele zugelassen werden, solange sie im jeweiligen Land nicht eindeutig illegal sind. Es findet also keine Qualitätskontrolle statt. De facto lässt man den Markt – besser gesagt: einzelne Märkte – über ethische Fragen entscheiden.

  • Valve schafft Selbstzensur und Willkür ab, jubeln die einen.
  • Valve öffnet die Schleusen für Gewalt, Rassismus, Hass und alle Disziplinen der Pornographie, mahnen die anderen.

Für kreative Spiele-Entwickler ist die liberale Grundhaltung zunächst mal eine gute Nachricht, weil man eben nicht von den jahreszeitlich schwankenden Maßstäben einer Sitten-, Moral- und Geschmacks-Instanz abhängig ist. Und: Steam stellt lediglich die Plattform, fungiert also letztlich als Dienstleister, der einen Markt organisiert.

Gleichzeitig ist Steam aber auch ein ganz normaler Online-Händler, der Spiele verkauft – und daher auch eine (Mit-) Verantwortung dafür trägt, was in der Auslage liegt. Valve verhält sich spätestens nach der Neuregelung wie ein Metzger, der bedenken- und skrupellos Schnitzel und Hackfleisch verhökert, solange sie nicht die Gesundheit gefährden. Was drin steckt, ist Valve … nun ja … wurscht.

Das wird ein schönes Live-Experiment, wie „reif“ die Branche wirklich ist, als die sie sich gerne in Sonntagsreden geriert. Es ist der komplette Gegenentwurf zu Sony, Nintendo und Apple, die ihre Appstores und Webshops mit vergleichsweise großem Aufwand kuratieren und moderieren. Das klappt nicht immer, sorgt aber zumindest dafür, dass ein Mindestmaß an Qualität gewährleistet bleibt.

Meine Prognose: Wir werden in den kommenden Monaten eine ganze Reihe unappetitlicher Spielideen auf Steam erleben, die an Grenzen und weit darüber hinaus gehen – alleine mit dem Ziel, aus der Masse an Spielen herauszustechen und Schlagzeilen zu provozieren. Denn die Sichtbarkeit ist das Hauptproblem bei Steam: Alleine 2017 kamen mehr als 6.000 neue Spiele hinzu. Im ungünstigsten Fall liefert Valve dem Boulevard, den Behörden und der Politik bestmögliche Steilvorlagen für eine intensivere staatliche Regulierung.

Ich finde: Hier macht sich ein Unternehmen mit fast schon monopolistischer Marktstellung einen extrem schlanken Fuß. Von einem Konzern mit dieser Relevanz und Reichweite sollte man etwas mehr Haltung erwarten dürfen – gerade deshalb, weil er ein Drittel des Kaufpreises als Provision einbehält.

Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen

Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft

Bisherige Folgen von „Fröhlich am Freitag“:

  • 23/18: Die Unkaputtbarkeit der E3
  • 21/18: Gewalt im (e)Sport
  • 20/18: DSGVO-Crunchtime
  • 19/18: Das kostenlose FIFA 18 WM-Update – Loot tut gut
  • 18/18: Titelkampf um die „Games-Hauptstadt“
  • 16/18: Cyber-Monopoly
  • 15/18: Sieger der Herzen
  • 14/18: Blockbuster – Erfolg in Serie
  • 12/18: Der China-Kracher von Ubisoft
  • 11/18: Vorgetäuscht und vorgeführt
  • 10/18: Per Flugtaxi zur Gamesförderung
  • 09/18: Das spielende Klassenzimmer
  • 08/18: Endlich volljährig
  • 07/18: Winterschlussverkauf
  • 06/18: Reset für die Games-Republik Deutschland
  • 05/18: Die mächtigste Lobby fürs schönste Hobby
  • 04/18: Winner Winner McChicken Dinner
  • 03/18: Nintendo switcht zum Kartonagen-Hersteller
  • 02/18: Das geht ja gut los
  • 50/17: Der Subventions-Autopilot
  • 49/17: Die Spiele-Könige aus Schweden
  • 48/17: Russisch Roulette mit Lootboxen