60, 70, 80 Prozent und mehr haben Ubisoft, Nacon, Stillfront & Co. an Börsenwert eingebüßt. Was ist los in Europas Spiele-Branche?
Wer in den vergangen drei, vier Jahren zuverlässig Geld verlieren wollte, lag mit europäischen Games-Aktien fast immer ‚richtig‘: Während der DAX von Rekord zu Rekord eilte, gaben die Werte der Spielehersteller auf dem Kontinent reihenweise nach – parallel verzeichneten US-Werte wie Electronic Arts teils beachtliche Zugewinne.
Die Problemfelder variieren von Firma zu Firma, sind aber im Kern ähnlich: Die Zeit des billigen Geldes ist ebenso vorbei wie die Lockdown-Sonderkonjunktur – vielfach ist es nicht gelungen, die Strukturen und Kosten an die Post-Corona-Welt anzupassen. Durch aggressives Wachstum und teure Zukäufe haben sich immens hohe Schulden aufgetürmt. Hinzu kommen häufig hausgemachte Probleme: die Kernmarken schwächeln – Neuheiten verfehlen die Erwartungen.
Von den Aktienmärkten hat diese Unwucht direkt auf auf die Niederlassungen im deutschsprachigen Raum durchgeschlagen: Laufende Spiele-Projekte wurden gestoppt, Belegschaften halbiert, Standorte geschlossen.
Mit dem Ergebnis, dass so gut wie kein börsennotierter Publisher in den vergangenen Monaten ungeschoren davon gekommen ist – mit ganz wenigen Ausnahmen.
Aktienkurse unter Druck: Europas Games-Industrie schmiert ab
Sieht man den Aktienkurs als eine Art Rauchmelder, dann brennt es offenbar lichterloh in der europäischen Spiele-Branche. GamesWirtschaft fasst die jüngste Entwicklung bei kleinen, großen und sehr großen Spieleherstellern in Europa zusammen.
(in Klammern: Kurs-Veränderung seit Jahresbeginn und in den letzten fünf Jahren / alle Angaben gerundet / Stand: 17. September)
Ubisoft (– 50 % / – 84 %)
Nur rund 1,6 Milliarden Euro ist Ubisoft derzeit an der Börse ‚wert‘ – ohne die schützende Hand von Großaktionär Tencent wäre Europas größter Publisher längst ein regelrechtes Übernahme-Schnäppchen. Die Talfahrt hat sich zuletzt beschleunigt, nachdem große Banken wie BNP Baribas den Daumen gesenkt und Kursziele zusammengestrichen haben.
Fundamental mag es dafür Gründe geben, etwa Projektstopps, viel zu hohe Kosten und zuweilen Qualitäts-Probleme. Mit etwas Pech bekommt es das nächste Far Cry terminlich mit Grand Theft Auto 6 zu tun.
Trotzdem: Dass ein Unternehmen dieser Größenordnung (fast 20.000 Beschäftigte, über 1,8 Mrd. € Umsatz) und mit Marken wie Assassin’s Creed, Rainbow Six, Anno und The Division weniger wert sein soll als ungleich kleinere Publisher, wirkt irrational – und muss Sorge bereiten.
Denn mindestens in Kanada und Europa ist Ubisoft systemrelevant für die Branche. Allein in Deutschland verteilen sich knapp 900 Angestellte auf die Zentrale, drei Studios (Berlin, Mainz, Düsseldorf) und Kolibri Games.
Thunderful (-74 % / – 98 %)
Der Kursverlauf ist mit „dramatisch“ nicht hinreichend beschrieben: Binnen weniger Jahre haben sich fast 99 Prozent des Firmenwerts in Luft aufgelöst. Zuletzt musste sich der schwedische Publisher von Beteiligungen trennen – der Dürener Indie-Spezialist Headup ist wieder eigenständig.
Bei Thunderful stehen weiterhin mehrere Studios aus dem deutschsprachigen Raum unter Vertrag, etwa das Innsbrucker Team von ClockStone (LEGO Bricktales) und das preisgekrönte Berliner Studio Fizbin (Minute of Islands, The Inner World).
Stillfront Group (– 44 % / – 75 %)
Die schwedische Stillfront-Gruppe ist der stille Star der deutschen Games-Industrie: Mit Goodgame Studios (Goodgame Empire), Sandbox Interactive (Albion Online), Bytro Labs (Supremacy 1: The Great War) und weiteren Beteiligungen kontrolliert die Firma einige der größten Studios des Landes.
Analog zu Mitbewerbern dreht das Stillfront-Management an der Kostenschraube, um die Marge schwächelnder Bestandstitel zu erhöhen und dem Aktienkurs auf die Sprünge zu helfen. Die Stillfront-Anteile haben binnen eines Jahres mehr als die Hälfte an Wert verloren.
Nacon (– 45 % / – 84 %)
Controller, Headsets und Games sind das Kerngeschäft der Franzosen, die am Markt auch unter der Marke Bigben auftreten.
Einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurde Nacon durch die 53-Mio.-€-Übernahme des Hamburger Publishers Daedalic Entertainment. Zu diesem Zeitpunkt notierte die Nacon-Aktie bei mehr als 5 € – mittlerweile sind es 90 Cent. Den vergleichsweise guten Geschäfts-Zahlen stehen hohe Schulden gegenüber.
Vor wenigen Tagen ist das mehrfach verschobene Rennspiel Test Drive Unlimited Solar Crown erschienen – die ersten Kritiken fallen vernichtend aus. Demnächst folgt Ambulance Life: A Paramedic Simulator, das von Aesir Interactive in München produziert wird.
Modern Times Group / MTG (– 15 % / – 6 %)
Seit dem Verkauf des defizitären E-Sport-Veranstalters ESL Gaming an Saudi-Arabien ist die schwedische Modern Times Group ein reiner, zumal hochprofitabler Spiele-Anbieter.
Größter Einzelaktionär: die EHM Holding, in der die Gründer der InnoGames GmbH ihre Anteile gebündelt haben. Das Hamburger Studio hat sich mit Browser- und Mobilegames wie Forge of Empires, Elvenar, Die Stämme und Grepolis zu einem der großen Arbeitgeber der Branche entwickelt: Mehr als 350 Mitarbeiter sind am Stammsitz beschäftigt.
Die MTG-Aktie hält sich im Vergleich zu Wettbewerbern einigermaßen stabil.
Team17 (+ 16 % / – 58 %)
Satte 100 Millionen Euro hat die britische Team17 Group PLC (Worms, Overcooked) für den Düsseldorfer Publisher Astragon Entertainment (Bau-Simulator, Bus-Simulator) im Januar 2022 gezahlt. Umgerechnet knapp 9 € kostete die Team17-Aktie zu diesem Zeitpunkt – mittlerweile sind es 2,30 €.
Beim Traditions-Unternehmen aus Wakefield gab es insbesondere 2023 eine Menge Unruhe: Wechsel im Top-Management, neue Strategie, dazu ein personeller Kahlschlag, der 90 Beschäftigten (rund ein Drittel der Belegschaft) den Job kostete. Astragon war dem Vernehmen nach nicht betroffen.
Embracer Group (– 15 % / – 42 %)
Über Jahre hinweg hat Embracer-Boss Lars Wingefors zugekauft, was nicht niet- und nagelfest war: Studios, Spiele-Marken, Comic- und Brettspiel-Verlage, schließlich auch noch das Herr der Ringe-Universum.
Weil ein Deal mit den Saudis platzte, geriet der schwedische XXL-Konzern in Schieflage: Seitdem wird saniert, reduziert, deinvestiert. Im nächsten Schritt zerfällt Embracer in drei ungefähr gleich große Blöcke, denen Töchter wie THQ Nordic und Plaion zugewiesen werden.
Analog zu Ubisoft ist Embracer als Arbeitgeber für Europas Spiele-Branche von erheblicher Relevanz – mit weit über 1.000 Angestellten allein in Deutschland und Österreich.
CD Projekt (+ 52 % / – 36 %)
Aufstieg, Niedergang und Renaissance von CD Projekt SA lassen sich sehr präzise am Aktienkurs ablesen: Es gibt eine Zeit vor der Veröffentlichung von Cyberpunk 2077 – und die Zeit danach. Der unzulängliche Zustand des Action-Rollenspiels sorgte im Dezember 2020 für einen demütigenden Rauswurf aus dem PlayStation Store.
Seitdem hat sich der polnische Spiele-Entwickler und GOG-Betreiber mit großem Aufwand und letztlich erfolgreich am eigenen Schopf aus dem Sumpf gezogen. Das Vertrauen von Spielern und Investoren ist zurück.
Stabile Zahlen und der Ausblick auf kommende Rollenspiele – darunter neue Witcher-Spiele von CD Projekt Red – stimmen die Aktionäre zuversichtlich: Seit Jahresbeginn hat das Papier gut 50 Prozent gewonnen. Mit einer Marktkapitalisierung von knapp 4 Milliarden Euro ist CD Projekt Red derzeit der wertvollste Spielehersteller in Europa.
Pullup Entertainment (+ 26 % / – 21 %)
Bei Gamern ist der französische Publisher besser bekannt als Focus Entertainment – und als Mutterkonzern der Atlas Fallen-Macher von Deck13 Interactive in Frankfurt. Weitere Focus-Titel: Banishers, A Plague Tale: Requiem, Expeditions und viele mehr.
Dass der Pullup-Wertverlust in den vergangenen Tagen gebremst werden konnte, hat sehr viel mit dem guten Start von Warhammer 40.000: Space Marine zu tun: Allein in den ersten 24 Stunden soll das Spiel 2 Mio. Spieler erreicht haben – der beste Produkt-Launch in der Focus-Historie.
Jumpgate (– 64 % / – 96 %)
Zwar ist Jumpgate AB im schwedischen Visby beheimatet, doch vier von fünf Studios haben ihren Sitz in Deutschland: Funatics (Cultures), Gamexcite (Asterix & Friends), Nukklear (arbeitet an Dune: Awakening mit) und Tivola (Cat Rescue Story). Auch Vorstand und Aufsichtsrat sind mit Veteranen aus dem deutschsprachigen Raum besetzt.
Ein Blick in die tiefroten Geschäftszahlen zeigt: Das Unternehmen steht vor enormen Herausforderungen mit Blick auf Schulden und Kosten. Für das zweite Quartal hat Jumpgate nach eigenen Angaben erstmals ein positives EBIT ausgewiesen – was die Aktienmärkte aber nicht nachhaltig beeindruckt hat.
Kurs-Fantasie ergibt sich aus neuen Projekten: So arbeitet Gamexcite gemeinsam mit Nacon und Daedalic an einem PC- und Konsolen-Spiel im Star Trek-Kosmos.
Paradox Interactive (– 28 % / + 15 %)
Crusader Kings, Cities: Skylines und Europa Universalis sind nur einige Marken des schwedischen Publishers, der sich auf komplexe Strategie- und Aufbau-Spiele spezialisiert hat. Während es 2023 erfreulich lief, haben die jüngsten Geschäftszahlen und Produkt-Entscheidungen an der Börse nicht überzeugt. Im Juni wurde bekannt, dass Paradox den Sims-Konkurrenten Life By You mangels Erfolgsaussichten einstellt.
Und auch wenn sich der Aktienkurs in den vergangenen Wochen etwas erholt hat: Abhängig vom Einstiegspunkt sitzen Paradox-Aktionäre teils auf gewaltigen Verlusten. Die Wert-Entwicklung wird sicher auch in China aufmerksam verfolgt: Tencent ist mit mittlerweile 10 Prozent an Paradox beteiligt.
Frontier Developments (+ 80 % / – 83 %)
Das von Elite-Erfinder David Braben geführte Unternehmen mit Sitz im englischen Cambridge baut bevorzugt Aufbau-Strategiespiele wie Planet Zoo oder Jurassic World Evolution. Am 6. November erscheint Planet Coaster 2, das zuletzt auf der Gamescom 2024 präsentiert wurde.
Wer zum Jahreswechsel kühn zum Tiefstkurs in Frontier-Aktien investiert hat, konnte seinen Einsatz zwischenzeitlich glatt verdoppeln. Doch der längerfristige Trend ist deprimierend – was auch daran liegt, dass der Spielehersteller nicht mehr gewachsen ist und operativ Verluste schreibt. Im Herbst 2023 wurde ein umfangreiches Kostensenkungsprogramm aufgelegt – inklusive Personalabbau.
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Sagen wir wie es ist. Ubisoft und andere Studios werden zu woke und verlieren deswegen Geld und Spieler. Und anstatt über die Wahrheit zu berichten hetzen sie dann über Spieler her, werden beleidigend und sogar diskriminierend. Grade die die was von Toleranz reden und wollen haben keine. Journalismus sollte auch die Wahrheit verfolgen und nicht mit diesen Leuten einhergehen oder die Probleme vertuschen.
was game auf? es geht gar nicht um Spielehersteller sondern fast alle sind Investoren Gruppen, die Spielehersteller aufgekauft haben.
was gezeigt wird ist, dass der Spielemarkt für kurzzeitige investments ungeeignet ist.
die mit den besten wegen sind alle Studios. Paradox, frontier. die Beschreibung zu frontier zeigt, dass der Autor neu frontier nur die Wiki Seite kannte. was auch das Problem mit Investoren Fonds darstellt.
Ubisoft hat das mit seinen Spielern zuletzt bewiesen.
gerade Ubisoft ist der geprügelt Hund, der durch jedes Dorf getrieben wird. an Ende des Jahres kommt das neue AC raus. und um das zu versagen muss Ubisoft sich richtig anstrengen.
die Zusammenbruchs der Kurse sind nichts anderes als eine heilende Kurskorrektur. einmal wegen den Corinna Hype aber auch durch den Hype von life service games.
also Spiele wie FIFA, so fand Tausende von Euros ausgeben um eine Spielekarte minimal zu verbessern. was dann auch der Grund ist, warum EA gut dasteht.
Ubisoft versäumt es sich mit gamern immer weiter und wird dafür abgestraft. Wer mit Gewalt versucht sich die Geschichte so zu biegen wie er will, sollte dass vielleicht nicht bei einem Land versuchen dessen größtes gimmick ihr stolz auf Land und Geschichte ist.
Nacon sind auch selbst schuld. Das neue Test Drive ist ein „Life style MMO“ Spiel. Thema verfehlt: 6.
Rasant steigende Entwicklungskosten, die teils Hollywoodproduktionen in den Schatten stellen, der Versuch erfolgreichen Trends zu folgen, auch wenn man es nicht rechtzeitig schafft und das aktuell gedämpfte Konsumklima sorgen wohl jetzt für eine Korrektur auf ein realisitsches Niveau.
Ich selbst kann nur zu Ubisoft meine persönliche Meinung sagen. Für mich ist das größte Problem die Formel nach der mittlerweile etliche Reihen ohne großen Innovationen gemolken werden, siehe Assassins Creed. Wieso sollte ich mir den nächsten Teil der Reihe mit 100 + X Stunden Spielzeit für 80€ oder mehr kaufen, wenn über die Hälfte nur Füllinhalt ist und ich das selbe Spiel einige Monate später für 20€ mit allen DLCs bekommen kann? Mehr habe ich für die letzten 3-4 Teile der Reihe jeweils nicht ausgegeben.
Diese Faktoren spielen sicher mit rein – nur: Gilt das nicht in gleicher Weise für US-Mitbewerber, die teils auf Allzeithoch notieren?
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