Start Wirtschaft Ubisoft-Analyse: Warum stürzt die Aktie ab?

Ubisoft-Analyse: Warum stürzt die Aktie ab?

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Publikumsmagnet auf der Gamescom 2024: der Ubisoft-Stand mit Assassin's Creed Shadows und Star Wars Outlaws (Foto: GamesWirtschaft)
Publikumsmagnet auf der Gamescom 2024: der Ubisoft-Stand mit Assassin's Creed Shadows und Star Wars Outlaws (Foto: GamesWirtschaft)

Verschiebungen, Kursrutsch, verunsicherte Kundschaft – Ubisoft steckt schon wieder in einer Krise. Was sind die Gründe?

Bei der Veröffentlichung von Assassin’s Creed Valhalla im November 2020 schien die Ubisoft-Welt noch in Ordnung: Die Aktie war unterwegs in Richtung Allzeithoch und kostete knapp 80 €. Seitdem hat das Papier einen beispiellosen Absturz hingelegt: In den vergangenen Tagen kämpfte der Ubisoft-Kurs mit der 10-€-Marke (Chart-Entwicklung).

Banken, Fonds, Kleinanleger und die Gründer-Familie Guillemot haben in kurzer Zeit ein Vermögen verloren. Das gilt erst recht für Großaktionär Tencent: Der chinesische Tech- und Games-Gigant hat erst vor zwei Jahren 300 Mio. € investiert.

Ubisoft-Bewertung zu diesem Zeitpunkt: fast 10 Mrd. €. Mittlerweile ist der Ubisoft-Konzern nur noch knapp über eine Milliarde Euro wert – ein Drittel des viel kleineren, polnischen The Witcher-Publishers CD Projekt, der es auf 4 Mrd. € bringt.

Und das, obwohl Ubisoft auf einem wahren Schatz an weltbekannten Marken sitzt, darunter Assassin’s Creed, Just Dance, Far Cry, The Division, Watch Dogs, Rainbow Six, For Honor, Anno, Prince of Persia, The Crew und viele mehr.

Die Protagonisten von Assassin's Creed Shadows: Samurai Yasuke und Shinobi Naoe (Abbildung: Ubisoft)
Die Protagonisten von Assassin’s Creed Shadows: Samurai Yasuke und Shinobi Naoe (Abbildung: Ubisoft)

Die jüngste Entwicklung wird innerhalb und außerhalb der Branche mit großer Aufmerksamkeit und zunehmender Sorge beobachtet. Denn Ubisoft entwickelt und vertreibt Games in allen Erdteilen: Kanadische Provinzen wie Québec und Ontario haben den Aufbau gigantischer Studio-Fabriken in Montreal und Toronto subventioniert.

Auch in Europa ist der französische Publisher systemrelevant: Filialen gibt es unter anderem in Schweden, Frankreich, Finnland, Spanien, Rumänien, im Vereinigten Königreich und natürlich in Deutschland. Ubisoft Mainz ist für das Anno-Universum zuständig, Ubisoft Düsseldorf entwickelt Die Siedler und Ubisoft Berlin hat zuletzt an Far Cry 6 mitgewirkt. Außerdem fungieren die deutschen Ubisoft-Studios als verlängerte Werkbank für Titel wie Rainbow Six Siege. Das 2020 zugekaufte Berliner Mobile-Studio Kolibri Games (Idle Miner Tycoon) beschäftigt weitere 115 Mitarbeiter.

Mit fast 900 Beschäftigten ist Ubisoft nach GamesWirtschaft-Recherchen neben Nintendo of Europe und Embracer Group der größte Games-Arbeitgeber im deutschsprachigen Raum.

Kurzum: Es sollte niemandem egal sein, wie es dem französischen Publisher geht. Wenn Ubisoft hustet, fiebern ganze Standorte.

Die größten Arbeitgeber der deutschen Games-Industrie 2024 (Stand: 13.8.2024 / v1)
Die größten Arbeitgeber der deutschen Games-Industrie 2024 (Stand: 13.8.2024 / v1)

Ubisoft-Analyse: Warum stürzt die Aktie ab?

Doch was sind nun die Gründe, warum die Anleger offenkundig sowohl die Geduld als auch das Vertrauen in Ubisoft-Boss Yves Guillemot und das Ubisoft-Management verloren haben?

Manches mag sich auf ein ruppiges Marktumfeld zurückführen lassen, doch die meisten Ubisoft-Probleme sind hausgemacht:

  • Der konkrete Auslöser für den jüngsten Kursrutsch um fast 20 Prozent liegt in der Verschiebung des Weihnachts-Blockbusters begründet, auf dem die komplette Ertrags-Erwartung der kommenden Monate ruhte: Das im feudalen Japan angesiedelte Assassin’s Creed Shadows sollte am 12. November erscheinen, verpasst jetzt aber die extrem wichtige ‚Holiday Season‘ und fällt zudem als ‚Launch-Titel‘ für die PlayStation 5 Pro aus. Neuer Termin: 14. Februar 2025 – also gerade noch innerhalb des Finanzjahres 2024/25, das im März endet.
  • Die Verschiebung wird begründet mit dem durchwachsenen Spieler-Feedback auf Star Wars Outlaws: Das Krieg der Sterne-Abenteuer ist seit dem 30. August auf dem Markt, hat aber die Verkaufs-Erwartungen zunächst nicht erfüllt. Mit nachgereichten Updates soll das Spiel mittel- und langfristig doch noch eine stabile Reiseflughöhe erreichen.
  • Infolge dieser Entscheidungen hat die Ubisoft-Finanzabteilung zum wiederholten Male die eigenen Umsatz- und Gewinn-Prognosen einkassiert – ein Vorgang, den Anleger und Analysten überhaupt nicht mögen. Mehrere Großbanken haben ihre Einschätzungen daraufhin drastisch nach unten korrigiert. Für das Gesamtjahr werden nun Einnahmen von 1,95 Mrd. € erwartet – im Vorjahr waren es noch 2,3 Mrd. €. Das Ergebnis soll auf Break-Even-Niveau liegen. Übersetzt: Ubisoft schreibt nur noch mit Mühe schwarze Zahlen.
  • Im Verhältnis zu Umsatz und Ertrag hat Ubisoft zu hohe Kosten und zu viel Personal: Auch nach dezentem Rückbau und zurückhaltender Rekrutierung stehen immer noch fast 19.000 Menschen auf der Payroll. US-Mitbewerber wie Electronic Arts und Take-Two erwirtschaften deutlich mehr Umsatz mit viel weniger Angestellten.
  • Analog zu Mitbewerbern setzt Ubisoft neben Open-World-Spielen auf Live-Service-Games – also Titel, die über Jahre hinweg mit Inhalten versorgt werden. Doch Erfolge wie Rainbow Six Siege konnten nicht repliziert werden: Die Piraten-Online-Seeschlacht Skull and Bones und Xdefiant dümpeln vor sich hin – der Battle-Royale-Titel Hyper Scape wurde vorzeitig eingestellt.
  • Abteilung „Hin und her macht Taschen leer“: Ubisoft hat sich mit Endlos-Produktionen verzettelt, die von einem Jahr ins nächste verschoben werden und unterwegs viel Geld verbrannt haben – etwa das 2017 angekündigte und erst Anfang 2024 veröffentlichte Skull and Bones. Mindestens ebenso lange in Entwicklung ist Beyond Good & Evil 2, an dem auch Ubisoft Mainz beteiligt ist. Termin: völlig offen.
  • Ubisoft hat die Marktrelevanz von Steam erkennbar falsch eingeschätzt: Neue PC-Spiele wurden zunächst exklusiv über den eigenen Online-Shop und den Epic Games Store vertrieben – ab Assassin’s Creed Shadows aufwärts will man Spiele wieder ab Tag 1 bei Steam listen.
  • In einem Schreiben an die Belegschaft weist CEO Yves Guillemot auf die gestiegene Erwartungshaltung hin: Verbraucher würden nicht mehr akzeptieren, wenn fehlerhafte oder ‚nur‘ okaye Produkte ausgeliefert und im Nachgang mit großem Aufwand auf vorzeigbares Niveau gebracht werden müssen. Sprich: Die Zeit der Bananenprodukte, die erst beim Kunden reifen, ist vorbei. Was auch die Verschiebung von Assassin’s Creed Shadows erklärt, das in den kommenden Wochen finalen Feinschliff erhalten soll.
  • Ubisoft ist dafür bekannt, keinen Trend auszulassen: Virtual Reality, eigener Abo-Dienst, Streaming, Blockchain und NFTs, KI. Doch viele Produkte und Ideen entstehen für die Galerie, ohne substanziell Geld abzuwerfen – manches Projekt wird geräuschlos beerdigt oder auf Eis gelegt (Stichwort: Ubisoft Quartz).
  • Analysten weisen regelmäßig auf den Elefanten im Raum hin: Grand Theft Auto 6. Das meisterwartete Konsolen-Spiel entsteht bei Rockstar Games und soll Ende 2025 erscheinen, möglicherweise auch später. Mit etwas Pech liegt GTA 6 im Termin-Korridor des unangekündigten Ubisoft-Shooters Far Cry 7.
  • Eher zu vernachlässigen ist der Faktor, dass eine bis dato unbekannte, slowakische Investment-Firma mit viel PR-Getöse den Austausch des Managements einfordert.
Die größten Games-Studios in Deutschland 2024 (nach Mitarbeitern) - Stand: 14. August 2024
Die größten Games-Studios in Deutschland 2024 (nach Mitarbeitern) – Stand: 14. August 2024

Ubisoft-Krise: Die nächsten Schritte

Wie geht es nun weiter? Unter ‚normalen‘ Umständen wäre Ubisoft längst ein Übernahme-Kandidat. Doch der langfristig angelegte Tencent-Einstieg und der dadurch gewachsene Einfluss des Guillemot-Clans hat gezielt Optionen vom Tisch genommen: Schließlich sollte Ubisoft wirkungsvoll vor einer feindlichen Offerte geschützt werden (Hintergrund).

Der mit Guillemot-Familienmitgliedern besetzte Aufsichtsrat will nun zunächst eine interne Analyse anstoßen, um Produktions-Abläufe zu beschleunigen. Dieser Prozess wird nicht ohne Folgen bleiben – für das Portfolio, für Standorte, für einzelne Marken.

Die Zeit drängt – auch mit Blick auf den angeschlagenen Börsenkurs: Der nächste turnusgemäße Termin ist der 30. Oktober, wenn die Halbjahreszahlen anstehen – es bleiben also nur knapp vier Wochen für einen ersten Zwischenstand.

Beobachter und Investoren sind sich einig: Assassin’s Creed Shadows muss überzeugen – qualitativ wie kommerziell. Bloomberg-Journalist Jason Schreier raunt: Sollte das nicht klappen, müsse man sich auf ein Ubisoft einrichten, das ganz anders aussieht als heute.


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7 Kommentare

  1. Ich möchte darauf hinweisen, dass alle Unternehmen profitorientiert sind. Das bedeutet jedoch nicht, dass Spiele deshalb per se schlecht sein müssen. Nach dieser Logik wären auch sehr gute Spiele wie Wandersong, Control oder Der kühne Knappe schlechte Spiele. Aber auch Spiele, die stark auf Monetarisierung setzen, sind nicht zwangsläufig schlecht oder erfolglos: Schauen wir uns Fall Guys oder Fortnite an: F2P, sehr gutes Gameplay und keine Pay2Win-Mechaniken.

    Es gibt in der Tat auch wirklich schlechte Spiele, die erfolgreich sind und stark auf Monetarisierung setzen, wie etwa Stumble Guys oder Coin Master. Im Vergleich dazu bevorzuge ich jedes Ubisoft-Spiel, denn obwohl die großen Marken stark monetarisiert sind, kann man dennoch viel Gutes sehen, ohne jemals zusätzlich Geld ausgeben zu müssen.

    Ich glaube jedoch auch, dass Ubisoft in Zukunft deutlich anders aussehen muss – ohne ein Wunder kann ich mir eine schnelle Erholung der Ubisoft-Aktie nicht vorstellen.

    Vielen Dank für die tolle Analyse!

    • Es gibt monetarisiert und monetarisiert. Bei wenigen Spielen merkt man wie sehr Hrzblut in das Werk geflossen ist wie etwa bei baldur’s gate 3, bei den meisten Spielen spürt man den Sparkurs des Unternehmens wie etwa bei Skull and Bones oder den restlichen Ubisoft Titeln. Wenn Spiele nicht mehr von gamedesignern sondern der Marktforschungsabteilung gemacht werden dann stimmt definitv etwas nicht mit dem Unternehmen

  2. So eine lange Analyse und es wird nicht der wahre Grund für die Verschiebung von AC und den Misserfolge von Star Wars genannt. Ubisoft hat also das gleiche Problem wie der Autor des Artikels.

    Sweet Baby Inc und das Studio in Quebec was für Assassin’s Creed verantwortlich sind, haben halt nicht als höchste Priorität ein gutes Spiel zu entwickeln, sondern eine andere.

    • Ob es sich bei ACS um ein ‚gutes‘ Spiel handelt, lässt sich Stand heute überhaupt nicht seriös beurteilen. Was es gibt, sind Trailer und Gameplay-Ausschnitte und ein paar Hands-ons.

  3. Dafür brauchen wir keine Analyse sondern es reichen 3 einfache Gründe:

    1. Die Spiele sind Profitorientiert und das merkt man an allen Ecken und Enden. Teilweise chlechte Animationen, zu große und leere Welten, zu repetitive Quests und zu vollmundige Versprechen seitens der Konzernleitung (Quadruppel-A Piratenabenteuer … wers glaubt)

    2. Zu starker fokus auf die hausmarken Assassins Creed, Far Cry und Devision. Nichts neues, das 24.te Assassins Creed holt eben niemanden mehr hinterm ofen hervor. Hier fehlen seit Jahren schon Innovation und frische Ideen

    3. Zögerliche Kunden durch diverse Patzer und vermasselte Übermonetarisierung von Inhalten. Ich erinnere an der Stelle an den Bug aus dem letzten Star Wars Spiel bei dem Spieler mit Vorabzugang den Spielstand löschen mussten

  4. Star Wars Outlaws hat aber auch selbst dazu beigetragen. Nicht nur, weil es zur Verschiebung von Assassin’s Creed geführt hat. Das Spiel war bei allen Star Wars Fans heiß erwartet und wurde im vorraus von Ubisoft in den Himmel gehyped und dan bringen die wie ihr es sagt eine „Banane“ raus die fast unspielbar ist, weil sie auf fast keinem PC vernünftig läuft. nach ein paar Wochen kam dann ein patch der etwas geholfen hat, aber selbst jetzt ist meine 4080 noch regelmäßig am Limit und Spielabstürze gehören zur Norm. Das hat nicht die Qualität von einem Produkt das schon vor knapp einem Jahr als „fast komplett fertig“ bezeichnet wurde.

    Aber auch dieser Mist mit Steam! Ich habe viele von diesen Mainstream Spielen (Assassin’s Creed, Rainbow etc.) nie gespielt daher weiß ich nicht wie es bei denen war, aber als dann rauskam, dass Outlaws nicht auf Steam erscheinen wird habe ich mich extrem aufgeregt. Die meisten meiner Bekannten die das Spiel auch spielen wollten waren hakt so „ach ja komm manche Sachen muss man halt ertragen“ aber ne! Halt eben nicht! Ubisoft will, dass wir ihr spiel Spielen (und dafür gute 80€ Hirnblättern wenn man nicht die Premium Version für 120€ kauft) und dann lassen die mal eben die wichtigste release „Platform“ für den PC aus? Total lächerlich meiner Ansicht nach.

    Ich finde auch diese Aussage von „okaye Produkte werden nicht mehr angenommen“ totaler Mist. Werden sie halt schon. Aber dann eben von kleinen Entwicklern bei denen man nachvollziehen kann, wenn die nicht alles perfekt machen. Aber bei einem Gigant wie Ubisoft wird hakt erwartet, dass die Qualität abliefern und wenn sie das nicht machen kriegen sie eben ganz schnell Probleme.

    Ich hab jetzt auch die Sorge, dass das sehr stark auf Outlaws und die Star Wars Szene allgemein zurückfällt. Das Spiel ist von der Story her mega und wenn es mal nicht abstürzt und die Grafik einigermaßen stabil ist, macht es auch echt Spaß. Aber Disney war (vor allem im Star Wars Bereich) schon vorher dafür bekannt, sehr weirde und falsche Schlüsse zu ziehen. daher jetzt die Sorge dass die jetzt um die Ecke kommen und sagen „was? Outlaws hat schlecht performed? Das liegt garantiert daran, dass der Hauptcharakter kein Lichtschwert hat.“ Was halt totaler quatsch ist. In der Community hat niemand mehr bock auf nen weiteren Jedi Hauptcharakter sondern alle wünschen sich Abwechslung. und jetzt kam mal was halbwegs neues und dann hat Ubisoft das Ding in den Sand gesetzt.

    Auch wenns schade ist, aber ich finde den Aktienabsturz mehr als verdient. vielleicht checken die oben mal was reißen sich nen bisschen zusammen.

  5. „Sollte das nicht klappen, müsse man sich auf ein Ubisoft einrichten, das ganz anders aussieht als heute.“ Dann los – das ist wieder am Markt vorbei entwickelt. Sieht man sich die Foren und Netzwerke an, ist die Spielerschaft „not amused“ …

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