Start Politik Medienanstalt warnt vor „schleichender Akzeptanz von Hakenkreuzen“

Medienanstalt warnt vor „schleichender Akzeptanz von Hakenkreuzen“

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Seit 9. August 2018 nimmt die USK auch Spiele zur Prüfung entgegen, die NS-Symbole zeigen - die Medienanstalt Hamburg/Schleswig-Holstein kritisiert die Neuregelung (Foto: GamesWirtschaft)
Seit 9. August 2018 nimmt die USK auch Spiele zur Prüfung entgegen, die NS-Symbole zeigen - die Medienanstalt Hamburg/Schleswig-Holstein kritisiert die Neuregelung (Foto: GamesWirtschaft)

Seit 9. August sind USK-Altersfreigaben für Games mit Hakenkreuzen grundsätzlich möglich. Der Medienrat der Medienanstalt Hamburg/Schleswig-Holstein kritisiert die Neuregelung scharf.

In einer Pressemitteilung warnt die Medienanstalt Hamburg/Schleswig-Holstein (MA HSH) vor einer „schleichenden Akzeptanz verfassungswidriger Symbolik“. Hintergrund ist die Entscheidung der Obersten Landesjugendbehörden, künftig die sogenannte Sozialadäquanzklausel bei der Freigabe von Computer- und Videospielen anzuwenden.

Dadurch ist es Spieleherstellern seit 9. August möglich, ihre Produkte auch dann zur Altersprüfung bei der Berliner Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) einzureichen, wenn das fragliche Spiel verfassungsfeindliche und üblicherweise verbotene Symbole wie Hakenkreuze, Hitler-Darstellungen und SS-Runen enthält.

Das Strafrecht sieht enge Ausnahmen für die Wissenschaft, die Berichterstattung und die Kunst vor. Von Verbänden, Spiele-Entwicklern und -Nutzern wurde die Regelung mehrheitlich begrüßt, weil dadurch Games ebenso behandelt werden wie Filme und TV-Serien.

Medienanstalt Hamburg/Schleswig-Holstein: „Hakenkreuze gehören nicht in PC-Spiele“

Just diese Gleichstellung ist der norddeutschen Medienanstalt ein Dorn im Auge. Die Aufsichtsbehörde argumentiert, dass sich Filme und Spiele in ihrer Wirkung erheblich unterscheiden, explizit hinsichtlich der Gewaltdarstellung. Konkret spricht die Medienanstalt von „problematischen Wirkmechanismen“, weil Gewalthandlungen in Games belohnt würden und beliebig wiederholbar seien.

Nicht näher benannte Studien würden belegen, dass „aggressive Spiele“ auch aggressive Gedanken und aggressives Verhalten nach sich zögen – je realitätsnäher die Spiele, desto größer das Risiko, so die Argumentation.

Die Medienanstalt Hamburg/Schleswig-Holstein spricht sich dafür aus, dass Hakenkreuze und andere Nazi-Symbole „keinen schleichenden Eingang in die Alltagsrealität“ finden sollten, explizit mit Blick auf Kinder und Jugendliche.

Der 14köpfige Medienrat fordert die Obersten Landesjugendbehörden auf, bis auf Weiteres keine Altersfreigaben für entsprechende Spiele auszustellen. In zwei Fällen ist das bereits geschehen: Sowohl eine Gamescom-Vorführversion des in Berlin entwickelten Strategiespiels „Through the Darkest Times“ als auch das aus Tschechien stammende Adventure „Attentat 1942“ sind ab 12 Jahren freigegeben. Die Spiele wurden und werden regelmäßig als Kronzeugen für die Sinnhaftigkeit der Neuregelung angeführt, weil sie sensibel und sorgfältig mit der Thematik umgehen.

Der Vorsitzende des Medienrats will die Entscheidungen nicht akzeptieren und kündigt weitere Schritte an: In einem Kommentar für das Ver.di-Magazin „Menschen Machen Medien“ beklagt Lothar Hay, dass es im Vorfeld der Reform keine öffentliche Debatte gegeben habe – analog zur Formulierung im Koalitionsvertrag, die eine Anerkennung des eSport als Sport vorsieht. Hay ist ehemaliger Innenminister und hat den zuständigen Minister in Schleswig-Holstein sowie den Senator der Hansestadt Hamburg angeschrieben – Fortsetzung folgt.

Update: In einem via Facebook und Twitter veröffentlichten Offenen Brief wendet sich „Through the Darkest of Times“-Entwickler Jörg Friedrich direkt an Medienrats-Chef Lothar Hay. Mit seinem Spiel wolle Friedrich insbesondere junge Menschen erreichen und über die Zeit des Nationalsozialismus aufklären – gerade vor dem Hintergrund von rechtspopulistischen und rechtsextremen Entwicklungen im Land. Zudem seien bislang keine gewalthaltigen Titel mit Nazi-Symbolen freigegeben worden seien. Mit Blick auf Hays Vorwürfe wünscht sich der Spieledesigner eine engere Zusammenarbeit statt Konfrontation.

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