Start Politik Attentat 1942: USK erteilt Altersfreigabe ab 12 Jahren (Update)

Attentat 1942: USK erteilt Altersfreigabe ab 12 Jahren (Update)

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Sensible Umsetzung:
Sensible Umsetzung: "Attentat 1942" arbeitet sowohl mit Schwarzweiß-Comic-Grafiken als auch mit Videos, in denen sich Zeitzeugen befragen lassen.

Die Entwickler von „Attentat 1942“ schreiben buchstäblich Geschichte: Es ist das erste vollständige Computerspiel inklusive Hakenkreuzen, das von der USK eine offizielle Altersfreigabe erhalten hat.

Update vom 10. September 2018: Via Twitter haben die tschechischen Entwickler bekannt gegeben, dass „Attentat 1942“ von der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) ab 12 Jahren freigegeben wurde – trotz oder in diesem Fall: gerade wegen der verfassungsfeindlichen Symbole, die das Spiel auch in der „deutschen Version“ zeigen darf.

Dadurch wird das Spiel seit neuestem auch auf der PC-Download-Plattform Steam gelistet – Kunden aus Deutschland können das Produkt dort ganz regulär für rund 11 Euro erwerben.

„Attentat 1942“ profitiert von einer Neuregelung: Seit dem 9. August 2018 dürfen Computer- und Videospiele grundsätzlich Hakenkreuze, SS-Runen und andere NS-Symbole zeigen – analog zu Film und TV (weitere Informationen). Rechtliche Grundlage ist die sogenannte Sozialadäquanzklausel, die das Strafgesetzbuch unter anderem für die Wissenschaft und die Kunst vorsieht.

Zuvor war bereits die Gamescom-Demo von „Through the Darkest of Times“ seitens der USK freigegeben worden. Es handelte sich um den ersten USK-Prüfvorgang nach Inkrafttreten der neuen Regelung. Mehrere Hersteller prüfen derzeit, wie sie künftig bei betroffenen Spielen in ihrem Portfolio verfahren.

USK-Geschäftsführerin Elisabeth Secker hatte bereits im August gegenüber GamesWirtschaft bestätigt, dass Spiele wie „Attentat 1942“ zur überraschenden Reform der USK-Statuten beigetragen hätten.

Attentat 1942: Präzedenzfall in Hakenkreuz-Debatte? (Meldung vom 7.5.2018)

Das tschechische Entwicklerteam von „Attentat 1942“ gewinnt einen der Hauptpreise beim A MAZE-Festival im Rahmen der Games Week Berlin. Der Haken: Das Computerspiel ist in Deutschland nicht erhältlich – wegen verfassungsfeindlicher Symbole. Mehr denn je wollen sich die Spieledesigner wehren.

[no_toc]Die Anpassungen des Action-Spiels „Wolfenstein 2: The New Colossus“ für den deutschen Markt haben im Herbst 2017 zum wiederholten Male eine Debatte um die Zulässigkeit von Hakenkreuzen, SS-Runen und Hitler-Abbildungen in Videospielen ausgelöst. Das Strafgesetzbuch untersagt die Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole im öffentlichen Raum unter Androhung von Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren.

Für Forschung und Lehre, für die „staatsbürgerliche Aufklärung“, die Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens und nicht zuletzt für die Kunst sieht das Gesetz Ausnahmen vor – ein Privileg, das sowohl Nachrichten-Sender für Weltkriegs-Dokumentationen als auch die Produzenten von Spielfilmen und Serien für sich in Anspruch nehmen.

Dass es sich im Einzelfall um rein fiktionale Stoffe wie im Falle von Tarantinos „Inglourious Basterds“ oder Spielbergs „Indiana Jones und der letzte Kreuzzug“ handelt, spielt für die Beurteilung keine Rolle.

Verfassungsfeindliche Symbole in Games: Juristen mahnen zur Vorsicht

Nun gelten Computerspiele mittlerweile als Kulturgut und könnten – möglicherweise – auch von der erwähnten Sozialadäquanzklausel profitieren. Diese Auffassung vertreten sowohl der Branchenverband Game als auch die überwiegende Zahl der Fachjuristen. Dennoch gehen Studios und Publisher weiterhin auf Nummer Sicher und passen ihr Spiel eigens für den deutschen Markt an.

So räumte unter anderem Anwalt Felix Hilgert von der Kölner Kanzlei Osborne Clarke im Rahmen der Entwicklerkonferenz Quo Vadis 2018 ein, dass er keinem Mandanten guten Gewissens empfehlen würde, Videospiele inklusive Hakenkreuzen in Deutschland zu veröffentlichen: Das Risiko mit Blick auf Beschlagnahme und langwierige Prozesse überwiege nach wie vor.

Game-Geschäftsführer Felix Falk sieht in der derzeitigen Auslegung und in der  Ungleichbehandlung mit dem Film gar einen Verstoß gegen Grundrechte.

Attentat 1942 gewinnt Auszeichnung beim Indie-Festival A MAZE

Selbst für den Fall, dass ein Publisher das Risiko bewusst eingehen würde, sind der kommerziellen Auswertung derzeit enge Grenzen gesetzt. Denn die Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) erteilt grundsätzlich keine Altersfreigaben für Spiele mit verfassungsfeindlichen Symbolen.

Nutzer aus Deutschland können die Spiele daher weder im Elektronikmarkt noch auf marktführenden Plattformen wie Amazon oder Steam erwerben. Wer die entsprechende Seite aufruft, bekommt den Hinweis „Dieses Produkt steht in Ihrem Land derzeit nicht zur Verfügung.“

Davon betroffen ist „Attentat 1942“, ein im Oktober 2017 erschienenes PC-Spiel, das sich kritisch und sensibel mit der Besatzung Tschechiens während des Zweiten Weltkriegs auseinandersetzt und eine einfühlsame Geschichte erzählt, die unter anderem Dialoge mit Zeitzeugen vorsieht.

In Deutschland mit Preisen ausgezeichnet, aber auf Steam für deutsche Kunden gesperrt: Die Entwickler des PC-Spiels "Attentat 1942" prüfen juristische Schritte.
In Deutschland mit Preisen ausgezeichnet, aber auf Steam für deutsche Kunden gesperrt: Die Entwickler des PC-Spiels „Attentat 1942“ prüfen juristische Schritte.

Für diese Leistung wurde das tschechische Team Ende April auf dem A MAZE-Festival in Berlin mit dem „Most Amazing Game Award“ ausgezeichnet – nicht der erste Preis, den der Titel abräumt. Allein: Ausprobieren darf man ihn hierzulande nicht.

Denn gerade weil sich die Entwickler um historische Genauigkeit bemühen und daher auch verbotene Symbole auf Fahnen, Fahrzeugen, Gebäuden, Dokumenten oder Uniformen zeigen, ist das Werk in Deutschland nicht verfügbar.

Attentat 1942: Anwälte wollen Spiele-Designer unterstützen

Nach den Worten der Spiele-Entwickler habe man die komplexe Thematik erneut im Rahmen des Festivals diskutiert und viel Unterstützung aus der Branche erhalten. Auch Juristen wollen dem Team dabei helfen, das Spiel auf legalem Wege in Deutschland zu veröffentlichen – oder sich zumindest um eine gerichtliche Prüfung bemühen.

Dieser Weg werde kein leichter werden, prognostizieren die Entwickler, doch man sei weiterhin entschlossen, das Thema anzugehen.

Seit Jahren diskutiert die Branche, ob man nicht auf dem Wege einer Feststellungsklage oder infolge eines bei der USK abgeblitzten Titels eine juristische Klärung herbeiführt, ohne dass Geschäftsführer oder Spieledesigner zwangsläufig Gefahr laufen, wegen der Verbreitung verfassungsfeindlicher Symbole belangt zu werden.

Der konkrete Fall eines sorgsam recherchierten Computerspiels, das durchaus den Kriterien für ein „Serious Game“ genügt und dadurch sogar im Schulunterricht eingesetzt werden könnte, zeigt die unklare Rechtslage wie unter einem Brennglas auf. Titel wie „Attentat 1942“, die einem kommerziell ungleich geringeren Risiko unterliegen als  Blockbuster der „Call of Duty WWII“-Kampfklasse, könnten den Weg weisen zu einer grundsätzlichen, höchstrichterlichen Neubewertung, von der wiederum sowohl krawallige Ego-Shooter als auch satirische Rollenspiele profitieren würden.

Bis dahin bleibt das in Deutschland ausgezeichnete Spiel in Deutschland nicht frei erhältlich.

1 Kommentar

  1. […] Games Wirtschaft schreibt über das Spiel “Attentat 1942”, das einen der Hauptpreise beim A MAZE-Festival im Rahmen der Games Week Berlin gewinnen konnte. Allerdings ist das Spiel in Deutschland aufgrund verfassungsfeindlicher Symbole gar nicht erhältlich. Da das Spiel sorgsam recherchiert ist, die Kriterien für ein „Serious Game“ erfüllt sein sollten und man es dementsprechend sogar in der Schule einsetzen könnte, zeigt sich hier die Problematik die unklare Rechtslage auf eindringliche Weise. Spieletipps und DerStandard berichten außerdem darüber, wie auch im Zuge der Debatte über das Spiel “Bundesfighter 2” neuer Widerstand gegen das Hakenkreuz-Verbot in Spielen wächst. […]

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