Start Politik „Wir wissen, dass viele Spieler ‚unzensierte‘ Versionen wollen“

„Wir wissen, dass viele Spieler ‚unzensierte‘ Versionen wollen“

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Dr. Andreas Lober ist Partner bei der Kanzlei Beiten Burkhardt in Frankfurt und berät unter anderem Bethesda (
Dr. Andreas Lober ist Partner bei der Kanzlei Beiten Burkhardt in Frankfurt und berät unter anderem Bethesda ("Wolfenstein 2") - Abbildungen: Bethesda / BBLAW

Bethesda-Anwalt Andreas Lober rechnet damit, dass große Publisher künftig  Originalversionen ihrer Spiele-Neuheiten in Deutschland veröffentlichen – inklusive Hakenkreuzen.

Mit dem in Berlin entwickelten Indie-Projekt „Through the Darkest of Times“ existiert das erste Computerspiel, das serienmäßig mit Hakenkreuzen und anderen verfassungsfeindlichen Symbolen ausgestattet ist – und dennoch von der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) eine Altersfreigabe erhalten hat. Einer Vorführung auf der Gamescom 2018 steht nun nichts mehr im Wege.

„Through the Darkest of Times“ ist mutmaßlich nur der Auftakt für viele weitere Spiele, die künftig die Sozialadäquanzklausel für sich in Anspruch nehmen und eine Einstufung bei der USK beantragen (weitere Informationen). Dadurch könnten Spiele-Neuheiten wie „Wolfenstein Youngblood“ und eine „Commandos“-Fortsetzung, aber auch ältere Titel im Originalzustand in Deutschland veröffentlicht werden.

Einschlägige Erfahrung mit Spielen dieser Art hat Anwalt Dr. Andreas Lober, Partner bei der Frankfurter Kanzlei Beiten Burkhardt. Zu seinen Mandanten gehören einige der weltweit größten Publisher – unter anderem hat er Bethesda bei den Anpassungen in den deutschen Versionen von „Wolfenstein: The New Order“ und „Wolfenstein 2: The New Colossus“ beraten. Einer seiner spektakulärsten Fälle: das Zombie-Spiel „Dead Rising 4“ von Microsoft, das im Dezember 2016 überraschend ein USK-Siegel erhalten hat.

Im GamesWirtschaft-Interview erklärt Anwalt Lober, welche Konsequenzen er durch die  seit 9. August geltende Neuregelung erwartet. Seine Ausführungen geben seine persönliche Meinung wider und sind daher nicht mit einer offiziellen Position einzelner Publisher wie Bethesda zu verwechseln.

Publisher-Anwalt Andreas Lober: „Erkennbaren Schrott wird die USK nicht durchwinken.“

GamesWirtschaft: Die Neuregelung lässt im Grundsatz den Einsatz verfassungsfeindlicher Symbole – Hakenkreuze, SS-Runen/-Totenköpfe, Hitler-Abbildungen – in Computerspielen zu. An welchem Punkt geraten Spiele-Designer mit großer Wahrscheinlichkeit in juristisches Sperrfeuer? Ist es überhaupt vorstellbar, im Zeichen des Hakenkreuzes auf Seiten der Nazis in eine Multiplayer-Schlacht zu ziehen oder in einem Adventure oder Rollenspiel die Rolle eines NS-Offiziers zu übernehmen, wenn auch nur vorübergehend?

Lober: Ich würde es umgekehrt sagen: Der Einsatz verfassungsfeindlicher Symbole bleibt im Grundsatz verboten, aber die schon lange im Gesetz stehenden Ausnahmen wendet die USK künftig auch auf Computerspiele an. Danach können verfassungsfeindliche Symbole insbesondere dann erlaubt sein, wenn dies der Kunst dient.

Jede Verherrlichung oder Verharmlosung der NS-Zeit ist und bleibt verboten, und auch erkennbaren „Schrott“ wird die USK nicht durchwinken, denn immerhin ist ein wichtiges Kriterium, ob die Darstellung der Kunst dient. Möglicherweise wird es auch weiter kritisch gesehen, wenn derartige Symbole in einem Spiel inflationär eingesetzt werden. Die Verwendung zu Propagandazwecken bleibt in jedem Fall verboten.

Im Zeichen des Hakenkreuzes in die Schlacht zu ziehen halte ich persönlich für nicht unbedenklich, jedenfalls wenn es ohne angemessenen Kontext geschieht, beispielsweise in Multiplayer-Spielen. Dagegen kann ich mir durchaus vorstellen, dass es – bei entsprechender „Rahmung“ – erlaubt sein kann, den Spieler in die Rolle eines NS-Offiziers schlüpfen zu lassen, beispielsweise um die Greuel oder auch Gewissenskonflikte zu thematisieren, wobei hier der Grat zur Verharmlosung und dem Geschichts-Revisionismus schmal sein wird.

Jedenfalls kommt es künftig auf den Einzelfall an, jedes Spiel muss genau und für sich selbst betrachtet werden.

„USK-Kennzeichnung macht es schwer, einen Entwickler anzuklagen“

Wie rechtssicher ist die USK-Altersfreigabe eines Spiels mit verfassungsfeindlichen Symbolen eigentlich? Sprich: Ist eine Situation denkbar, in der ein Staatsanwalt trotzdem ermittelt und gegebenenfalls Anklage gegen den Entwickler erhebt? Welches Risiko gehen Spielehersteller ein, die auf ein USK-Siegel verzichten können/wollen, etwa Produzenten von Online-Spielen, Browsergames, Apps und reinen Download-Titeln?

Auch wenn ein Spiel von der USK gekennzeichnet wurde, ist ein Staatsanwalt nicht zwingend daran gebunden – allerdings spiegelt sich in den Änderungen der USK ein Stück weit auch eine allgemein geänderte Rechtsauffassung wider.

Die USK-Kennzeichnung wird es tendenziell schwer machen, einen Entwickler oder Publisher anzuklagen – auch, weil dieser sich bei einer USK-Kennzeichnung darauf berufen wird, es habe ihm jedenfalls am Vorsatz gefehlt und er hätte annehmen dürfen, die Voraussetzungen für die Sozialadäquanzklausel hätten vorgelegen.

Diesen Schutz haben Anbieter nicht gekennzeichneter Titel nicht. Aber Achtung, auch die Kennzeichnung schützt nicht vollständig vor Beschlagnahme.

Lass uns gedanklich ein Jahr nach vorne spulen – welches Szenario ist mit Blick auf die Anwendung der Sozialadäquanzklausel am wahrscheinlichsten? Ist davon auszugehen, dass ältere Titel im Original erneut eingereicht werden? Werden Publisher ihre Politik vereinheitlichen und internationale Versionen grundsätzlich unverändert, also „unzensiert“, in Deutschland veröffentlichen?

Mein Tipp: Es werden einige ältere Titel neu eingereicht. Die großen Publisher werden mittelfristig anstreben, die internationalen Versionen ihrer großen Produktionen unverändert in Deutschland anzubieten. Ob sich dies in einem Jahr schon voll durchgesetzt hat, halte ich angesichts der Produktionszyklen für unsicher.

Wir wissen, dass viele Spieler „unzensierte“ Versionen wollen. Aber die Frage bleibt: Wird es auch künftig eine relevante Zahl an Spielern oder Eltern in Deutschland geben, die ein Störgefühl haben, wenn NS-Symbolik ins Spielzimmer Einzug hält – und wird es sich lohnen, für diese auch künftig eine angepasste deutsche Version zu produzieren?

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