Sollten Videospiele analog zum Film von der „Sozialadäquanzklausel“ profitieren und verfassungsfeindliche Symbole wie etwa Hakenkreuze und Hitler-Portraits zeigen dürfen? Nein, meint GamesWirtschaft-Chefredakteurin Petra Fröhlich. Die nachfolgende Kolumne fasst die wesentlichen Argumente zusammen, die im Rahmen einer Panel-Diskussion bei den German Dev Days 2018 („Das Kreuz mit dem Haken – Streitgespräch zwischen Journalistin, Anwalt und Publikum“) zur Sprache kamen.
Berlin, Zoopalast, Juli 2009, roter Teppich. „Inglourious Basterds: Der neue Film von Quentin Tarantino“ steht in großen Lettern an der Fotowand. Davor in edlem Zwirn ein halbes Dutzend Weltstars: Diane Kruger, Christoph Waltz, Brad Pitt, Michael Fassbender, Regisseur Tarantino – und Til Schweiger.
Im Unterschied zu den „Basterds“-Premieren in Rom, Sydney, Los Angeles und London „fehlt“ im offiziellen Film-Logo ein Hakenkreuz – nicht nur auf der Fotowand, auch auf Filmplakaten, im deutschen Trailer und auf dem Bluray-Einleger.
Vergleichbares gilt für das buchstäblich ausgezeichnete Biopic „Sophie Scholl: Die letzten Tage“ mit Julia Jentsch und Alexander Held: Die US-amerikanischen, spanischen und französischen Plakate und DVD-Packungen rücken große Hakenkreuz-Flaggen in den Mittelpunkt – die deutsche Original-Fassung verzichtet komplett darauf. Daran ändern auch Förder-Millionen, Filmpreise und Berlinale-Bären nichts.
Die hiesigen Filmverleiher wollen sich offenkundig nicht dem Vorwurf aussetzen, sie nutzten Hakenkreuze zu Promotion-Zwecken – möglicherweise wäre dies gar ein Straftatbestand. Denn genau das ist Sinn und Zweck des §86 StGB: die Verbreitung von verfassungsfeindlichen Symbolen in der Öffentlichkeit wirkungsvoll zu unterbinden.
Strafrechtler sprechen von einer „Tabuisierung“. Damit soll sowohl im Inland wie im Ausland bereits der Anschein vermieden werden, Hakenkreuze oder SS-Runen oder SS-Totenköpfe oder Reichskriegsflaggen oder Hitler-Portraits oder Parolen würden in Deutschland in irgendeiner Form geduldet oder toleriert – abgesehen natürlich von Qualitätsmedien wie dem SPIEGEL oder der BILD, die regelmäßig mit Hitler, Hitlers Helfern, Hitlers Uhren, Hitlers Gebiss oder Hitlers Steuer-Akte titeln. Alles im Sinne der Auflage staatsbürgerlichen Aufklärung.
Insbesondere soll ein „Gewöhnungseffekt“ vermieden werden – was zum Beispiel dann gegeben wäre, wenn Modellflugzeuge mit einschlägigen Symbolen ausgestattet wären. Oder Obersalzberg-Postkarten. Oder Filmplakate. Oder eben Computerspiele.
Für die Lehre, die Wissenschaft, die Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens (ja, dazu gehören auch TV-Dokus) und die Kunst sieht das Strafgesetzbuch bekanntlich eine Ausnahme vor – Juristen sprechen von einer „Sozialadäquanzklausel“. Die Klausel sorgt dafür, dass in einem krawalligen Blockbuster wie „Inglorious Basterds“ ungestraft Hakenkreuze gezeigt werden können.
Warum nun die gefühlte Ungleichbehandlung zwischen Film und Spiel?
Aus meiner Sicht gibt es hierfür gute Gründe. Filme und Serien sind in sich abgeschlossene Werke. Sie haben einen Anfang und ein Ende und verlaufen linear. Ein Eingreifen des Zuschauers ist nicht vorgesehen. Auch nach der 100. Vorführung von „Inglourious Basterds“ bleiben Dialoge, Kamera-Einstellungen und Dramaturgie bis auf die Millisekunde unverändert – und zwar so, wie der Regisseur dies festgelegt hat.
Das ist bei den meisten Videospielen nicht der Fall. Gerade bei Open-World-Action-Adventures, Online-Rollenspielen und Multiplayer-Titeln führen Myriaden von Wegen ans Ziel: schleichend, brachial und alles dazwischen. Kein Spielerlebnis gleicht dem anderen. Und: Games verändern sich mit der Zeit. Studios und Publisher sorgen mit Updates dafür, dass ihre Produkte über Wochen, Monate, teils Jahre hinweg gespielt werden.
Daher übertrifft die Beschäftigungsdauer und -intensität eines durchschnittlichen Computerspiels den typischen Film um ein Vielfaches. Es ist daher geradezu grotesk, an einen 120-Minuten-Spielfilm die gleichen Maßstäbe anzulegen wie an Games modernen Zuschnitts – das gilt insbesondere dann, wenn darin nur eine behelfsmäßige oder gar keine Einordnung des historischen Kontextes stattfindet. Wir erinnern uns: Wirkung nach außen wie nach innen, Tabuisierung, Gewöhnungseffekt.
Dass die gefühlte Rechts-Unwucht einer „Diskriminierung“ gleichkommt, wie es zum Beispiel der Game-Verband sieht, ist mit Blick auf die sehr besondere Eigenheit von Computerspielen schwer nachvollziehbar.
Das gilt insbesondere für den Vorwurf, dass Grundrechte verletzt würden. Im Gesetz steht nichts davon, dass jedwede Art von Kunst und Kultur durch die Meinungs- und Kunstfreiheit abgedeckt ist. Vom Böhmermann-Schmähgedicht über umstrittene Theater-Aufführungen bis hin zu mutmaßlich antisemitischen Songtexten und Karikaturen: Die Rechtsprechung ist voll mit Beispielen von Projekten und Produkten, deren Schöpfer sich explizit nicht auf die Freiheit der Kunst oder das Mittel der Satire berufen können, weil andere Schutzgüter verletzt werden – etwa das Urheberrecht, das Persönlichkeitsrecht oder eben das Strafrecht.
Als Beifang einer strengen Auslegung des §86 bleiben natürlich auch Projekte im Netz hängen, die sich sensibel und maßvoll mit dem Zweiten Weltkrieg auseinandersetzen und fast schon in die Kategorie „Serious Game“ fallen, also möglicherweise sogar der Lehre dienen könnten. Solche Spiele lassen sich derzeit nur im Ausland auf Steam oder in Appstores anbieten, weil die Plattformbetreiber den Vertrieb in Deutschland unterbinden. Umso wichtiger wäre es, einen juristischen Präzedenzfall zu schaffen, der Behörden und Gerichte zur Beseitigung der anhaltenden Rechtsunsicherheit in diesen (Einzel-)Fällen zwingt. Doch egal wie dieser Entscheid ausgeht: Er wäre nur auf den konkreten Einzelfall bezogen und hätte allenfalls Signalwirkung.
Jenseits weniger Ausnahmen bin ich daher überzeugt, dass die Mehrzahl der in Frage kommenden PC-, Konsolen- und Smartphone-Games aufgrund ihrer Mechanik, ihres Geschäftsmodells, ihrer Inszenierung und ihrer Reichweite geeignet wäre, die massenhafte, inflationäre, gleichsam unkontrollierbare Verbreitung verfassungsfeindlicher Symbole zu ermöglichen und zu forcieren. Das würde für ein „World of Tanks“ in gleicher Weise gelten wie für „Call of Duty WWII“, „Wolfenstein 2“ oder das soeben angekündigte „Battlefield 5“.
Anders formuliert: Dass Computer- und Videospiele als Kunst und Kulturgut gelten, sollte nicht zur Folge haben, dass Soldaten, Panzer und Flugzeuge im Zeichen des Hakenkreuzes in eine Battle-Royale-Schlacht ziehen.
Ich halte es auch für sehr bedenklich wenn dies unter dem Deckmantel der Kunstfreiheit eingefordert wird. Gerade die deutsche Spielepresse scheint überwiegend im Freudentaumel – das is sehr befremdlich.
Ich bin zwar grundsätzlich gegen Zensur jedoch sollte man auch nicht soweit gehen das man sich aktiv für die Verwendung von Hakenkreuzen einsetzt. Wozu fragt man sich. Von Teilen der Spielerschaft wird dies wie ein revolutionärer Sieg gefeiert – da läuft etwas schief.
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