Battlefield 5 mit Hakenkreuzen? Das ist seit dem 9. August zumindest in der Theorie denkbar. GamesWirtschaft sammelt Reaktionen von Publishern, Studios und Verbänden.
[no_toc]Auch „am Tag danach“ dominieren Verblüffung und Erleichterung: Die Meldung, dass die USK künftig auch Computerspiele mit verfassungsfeindlichen Symbolen (etwa Hakenkreuze) zur Prüfung annimmt, hat wie erwartet hohe Wellen geschlagen – national und international. Denn durch diese Reform wurde eine Rechtsauffassung gekippt, die seit Jahrzehnten Anwendung fand – und dafür sorgte, dass Hakenkreuze oder Hitler-Abbildungen eigens für den deutschen Markt entfernt wurden.
Spiele-Entwickler und Publisher stehen nun vor der Frage: Was nun? Eine erneute Altersfreigabe für bereits geprüfte Spiele beantragen? Alles so lassen, wie es ist? Und was tun mit künftigen Spielen?
GamesWirtschaft hat Spiele-Publisher um eine Stellungnahme gebeten und dokumentiert das Feedback. Sobald neue Einschätzungen vorliegen, wird dieser Beitrag erweitert.
Bethesda prüft weitere Vorgehensweise (Update vom 10.8.)
Die Debatten um die umstrittenen Anpassungen in der deutschen Version von „Wolfenstein 2: The New Colossus“ haben die Neuregelung überhaupt erst ins Rollen gebracht. Seit Inkrafttreten der neuen USK-Spielregeln zum 9. August fragen sich viele Spiele-Fans: Werden das schwedische Studio Machinegames und Publisher Bethesda die Originalversion des Spiels und dessen Vorgänger bei der USK einreichen, um auch für diese Versionen eine Altersfreigabe zu erreichen? Und wie verhält es sich bei den erst vor kurzem angekündigten „Wolfenstein“-Ablegern wie „Wolfenstein: Youngblood“ und „Wolfenstein Cyberpilot“? Beide Titel sind für 2019 geplant.
Die deutsche Niederlassung, die Zenimax Germany GmbH in Frankfurt, befindet sich noch inmitten der Bewertung und möchte daher noch keine abschließende Stellungnahme abgeben, wie mit den betroffenen Spielen verfahren wird. Das Unternehmen will sich zu einem späteren Zeitpunkt äußern.
Kalypso Media: Neues Commandos-Spiel und Sudden Strike mit Hakenkreuzen?
Erst vor wenigen Tagen hat der Wormser Publisher Kalypso Media („Tropico 6“) die Markenrechte an der „Commandos“-Serie erworben. Die Taktikspiele sind im Zweiten Weltkrieg angesiedelt und enthalten in der deutschen Version traditionell keine Hakenkreuze oder SS-Runen.
Auf GamesWirtschaft-Anfrage begrüßt Kalypso-Gründer Simon Hellwig die Entscheidung der USK: „Dies ist ein sehr wichtiger Schritt, Spielen die gleichen Möglichkeiten zu geben, wie zum Beispiel dem Medium Film.“
Ob bereits geprüfte und freigegebene Titel wie „Commandos“ und „Commandos 2“ erneut bei der USK eingereicht werden, diskutiere man gerade intern in Worms. „Auch wenn sich viele Spieler vielleicht eine ‚originalgetreue‘ Darstellung von Flaggen und Symbolen wünschen und es für uns als internationales Unternehmen auch organisatorisch einfacher wäre, überall die gleiche Version eines Spiels anzubieten, sehen wir doch unsere moralische Verantwortung“, so Hellwig. „Wir sind ein deutsches Unternehmen und sehen uns somit durchaus in der Pflicht, hier sorgsam abzuwägen. Es stellt sich die Frage, ob es unbedingt sein muss, die Hakenkreuzflagge abzubilden oder ob man nicht weiterhin auch mit alternativen Symbolen wie dem Eisernen Kreuz oder schwarz/weiß/rot arbeitet.“
Wird Kalypso bei künftigen Projekten die ‚Original‘-Version samt verfassungsfeindlicher Symbole einreichen? „Wir haben einige Franchises, die von dieser Regelung betroffen wären. Nicht nur ‚Commandos‘, sondern zum Beispiel auch die ‚Sudden Strike‘-Serie“, erklärt Kalypso-Geschäftsführer Hellwig. „Hier hat es zum Beispiel nicht geschadet, weltweit auf Nazi-Symbolik zu verzichten. Wichtig für uns ist, dass das Verbot gekippt wurde und wir selbst, nach sorgfältiger Abwägung, entscheiden können, was wir tun.“
Electronic Arts: Was passiert bei Battlefield 5?
„Wir begrüßen das sehr, denn es zeigt, dass digitale Spiele sich nun gleichberechtigt der gesellschaftlichen Diskussion stellen können. Digitale Spiele greifen – wie alle anderen Medien – alle möglichen Themen der Gegenwart und der Vergangenheit auf und verarbeiten diese in irgendeiner Art und Weise. Dabei sollten für sie die gleichen Rechte und Ansprüche gelten, wie für andere Medien auch. Alles in allem also ein wichtiger Schritt hin zur gleichberechtigten Behandlung von Spielen.“
So beurteilt PR-Direktor Martin Lorber von Electronic Arts die USK-Neuregelung. Der Sprecher der Kölner Niederlassung bestätigt außerdem, dass EA derzeit analysiert, ob ältere Titel aus dem sogenannten „Backkatalog“ erneut eingereicht werden. Welche Spiele das sein könnten, ist offen – in Frage kämen beispielsweise die Spiele der „Medal of Honor“-Reihe.
Unmittelbar vor der Tür steht zudem „Battlefield 5“, neben „FIFA 19“ die kommerziell wichtigste EA-Neuheit dieser Saison. Der Open-World-Online-Shooter spielt vor der Kulisse des Zweiten Weltkriegs – der Hersteller verzichtet nach eigener Aussage weltweit auf die Darstellung von Hakenkreuzen in diesem Spiel. Nichtsdestoweniger will EA laut Lorber prüfen, ob bei künftigen Titeln stets die ‚internationale Version‘ inklusive verfassungsfeindlicher Symbole bei der USK eingereicht wird.
Offiziell hat die USK das Spiel noch nicht eingestuft – es spricht aber viel dafür, dass der Prüf-Prozess in vollem Gange ist, denn „Battlefield 5“ erscheint bereits Mitte Oktober.
Ubisoft: Unterstützung für die Position des Game-Verbands
Der französische Spielegigant war in der Vergangenheit mehrfach mit dem Thema „Verfassungsfeindliche Symbole in Games“ befasst. Weil Hakenkreuze im satirischen Rollenspiel „South Park: Der Stab der Wahrheit“ übersehen wurden, kam es 2014 sogar zu einer Rückruf-Aktion.
Auf Anfrage teilt Ubisoft Deutschland mit, dass man die Position des Industrieverbands Game teile – Ubisoft-Deutschland-Geschäftsführer Ralf Wirsing ist gleichzeitig Vorstandsvorsitzender des Verbands. Darüber hinaus erteilt das Unternehmen derzeit aber keine weiteren Auskünfte zu diesem Thema.
Attentat 1942: Deutsche Version in Vorbereitung
Große Erleichterung herrscht – nicht weiter verwunderlich – bei den tschechischen Entwicklern des preisgekrönten Adventures „Attentat 1942“. Dieser Fall gehört zu jenen Spielen, die zur Revision der bestehenden Regelung beigetragen haben (weitere Hintergrundinfos).
„Wir können die USK-Entscheidung natürlich nicht vorhersagen. Aber wir planen, das Spiel unzensiert einzureichen und das Ergebnis abzuwarten – was nun positiv ausfallen könnte“, so Kristýna Hněvsová vom Entwickler-Team. „Wir schließen derzeit die deutsche Übersetzung ab und wollen das Spiel in Deutschland veröffentlichen, sobald die Altersfreigabe vorliegt – was in einigen Wochen der Fall sein dürfte.“
USK: „Nehmen Aufgabe mit großem Verantwortungsbewusstsein wahr.“
Unmittelbar betroffen von der Neuregelung ist natürlich die Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) in Berlin. Deren Geschäftsführerin Elisabeth Secker ist erleichtert über die Reform:
„Durch die Änderung der Rechtsauffassung können Spiele, die das Zeitgeschehen kritisch aufarbeiten, erstmals mit einem USK-Alterskennzeichen versehen werden. Dies ist bei Filmen schon lange der Fall und auch im Hinblick auf die Kunstfreiheit richtigerweise jetzt auch bei Computer- und Videospielen. Die Gremien der USK werden auch diese Aufgabe mit großer Sorgfalt, Kompetenz und Verantwortungsbewusstsein wahrnehmen.“
Ein ausführliches Interview mit Secker finden Sie hier.
Deutsche Bischofskonferenz: „Richtige Entscheidung“
Eine der ersten Stellungnahmen kam von unerwarteter Seite: Wolfang Hußmann ist Vertreter der Deutschen Bischofskonferenz und gleichzeitig Vorsitzender des Beirats der USK.
„Als Beirat der USK kennen wir das große Potenzial von Computerspielen für die Gesellschaft und sehen gleichzeitig die gesellschaftliche Verantwortung für einen guten Schutz von Kindern und Jugendlichen. Das Zusammenwachsen der Mediensysteme macht es erforderlich, dass der Jugendmedienschutz nach vergleichbaren Regeln gewährleistet wird. Es ist eine richtige Entscheidung, dass die USK nun auch solche Inhalte in der Prüfung berücksichtigen kann, bei denen im Einzelfall die Sozialadäquanz abzuwägen ist.“
Weitere Hintergrundinformationen und Debattenbeiträge:
- Hakenkreuz-Debatte: Die USK ist die Lösung (Gastbeitrag)
- Hakenkreuze in Games: USK Altersfreigabe ab sofort möglich
- „Eine Flut von Spielen mit Hakenkreuzen wird es nicht geben“ (Interview)
- „Durch Wolfenstein 2 kam Schwung in die Debatte“ (Interview)
- Fröhlich am Freitag 33/2018: Symbolpolitik (Kolumne)
- Warum Hakenkreuze nicht in Computerspiele gehören – ein Plädoyer (Kolumne)
- Attentat 1942: Präzedenzfall in Hakenkreuz-Debatte?
- Deutsche Version von Wolfenstein 2: Nach allen Regeln der Kunst
- Debatte um Wolfenstein 2: „Verstoß gegen Grundrechte“ (Interview)
- Fröhlich am Freitag 44/2017: Deutschland stumpft sich ab (Kolumne)
- 100 Prozent Uncut: Die German Freizügigkeit von Bundesprüfstelle und USK
- USK-Veteran Ruben Schwebe wechselt zu „Wolfenstein 2“-Studio