USK-Geschäftsführerin Elisabeth Secker rechnet damit, dass schon in Kürze erste Spiele mit Hakenkreuzen auf den Tischen der USK-Prüfer landen.
„Am grundsätzlichen Verbot von Kennzeichen gem. § 86 a StGB hat sich nichts geändert.“
Das stellt die USK in ihrer Pressemitteilung unmissverständlich klar – sicher auch, um möglichen Bedenken zu begegnen, Spiele-Entwickler könnten mit Blick auf verfassungsfeindliche Symbole künftig machen, was sie wollen.
Trotzdem ist seit dem 9. August 2018 alles anders: Denn wer eine USK-Altersfreigabe für sein Computerspiel haben wollte, musste bislang zusichern, dass darin keine Hakenkreuze oder SS-Runen oder „Hitler-Kopfbilder“ enthalten sind. Der entsprechende Passus wurde im Antrag abgeändert: Jetzt muss der Einreicher lediglich „schriftlich darauf hinweisen“.
Die Geschäftsführerin der zuständigen Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) in Berlin heißt Elisabeth Secker und ist seit Anfang 2018 im Amt. Im GamesWirtschaft-Interview erklärt sie, wie die überraschende Wende in der USK-Politik zustande kam und welche Auswirkungen auf die Spiele-Landschaft zu erwarten sind.
„Ablehnung des Ermittlungsverfahrens gegen Bundesfighter II Turbo hat zur Neubewertung beigetragen.“
GamesWirtschaft: Frau Secker, laut den Statuten hat die USK bislang keine Freigabe für „schwer jugendgefährdende“ Spiele erteilt – explizit zählen dazu auch Spiele, die Inhalte nach §86 StGB aufweisen. Die Obersten Landesjugendbehörden haben regelmäßig darauf verwiesen, dass es gute Gründe für eine unterschiedliche Behandlung von Film (passiv) und Spiel (interaktiv) gibt. Ohne eine höchstrichterliche Neubewertung wäre demzufolge eine Neuregelung nicht möglich. Wie ist die Kehrtwende zu erklären?
Secker: Die mögliche Einbeziehung der Sozialadäquanz ist bei der USK schon lange ein Thema. Die Präambel der USK-Leitkriterien wurde bereits 2013 dahingehend ergänzt, dass Spiele auch Kunst sein können. Insofern halte ich diesen Schritt und damit die Gleichbehandlung mit anderen Medienarten nur für konsequent.
Nichtsdestotrotz erhalten Spiele, die schwer jugendgefährdend sind, selbstverständlich auch weiterhin keine Freigabe der USK. Am generellen Verbot von verfassungsfeindlichen Symbolen hat sich also nichts geändert. Die Änderung der Rechtsauffassung hinsichtlich der Berücksichtigung der Sozialadäquanz nach § 86a Absatz 3 bedeutet, dass die USK nach Abwägung im Einzelfall Spielen, die verfassungsfeindliche Symbole enthalten, künftig eine Freigabe erteilen kann, sofern diese sozialadäquat sind.
Schwung in die Debatte haben sicherlich die öffentlichen Diskussionen um Spiele wie „Wolfenstein 2“ oder „Attentat 1942“ oder „Through the Darkest of Times“ gebracht. Nicht zuletzt hat auch die jüngste Entscheidung der Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart, die die Eröffnung eines Ermittlungsverfahrens wegen der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen in dem Spiel „Bundesfighter II Turbo“ abgelehnt hat, zur Sensibilisierung und erneuten Bewertung der zuständigen Obersten Landesjugendbehörde beigetragen.
Wirkt sich die Neuregelung auf die konkrete USK-Einstufung aus? Wird also zum Beispiel ein USK-12-Strategiespiel durch integrierte Hakenkreuzflaggen möglicherweise zum USK-16-Spiel?
Im Vordergrund der Prüfungen steht weiterhin die jugendschutzrechtliche Bewertung. Darüber hinaus werden die Gremien unabhängiger Jugendschutzsachverständiger künftig die Sozialadäquanz miteinbeziehen. Die Entwicklung der Spruchpraxis wird im Laufe der Zeit zeigen, ob damit auch Änderungen in der jeweiligen Altersfreigabe verbunden sind.
Aus meiner Sicht ist es Kindern und Jugendlichen prinzipiell aber durchaus zuzutrauen, Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen beispielsweise zur Rahmung eines historischen Kontextes, als künstlerisches Stilmittel zur authentischen Ausgestaltung – wie eben auch bei Filmen – einordnen zu können. Die Abwägung und Entscheidung über die Altersfreigabe im Einzelfall obliegt jedoch den unabhängigen Prüfgremien der USK.
USK-Geschäftsführerin Secker: „Verfassungswidrige Symbole können eine Rolle bei der Alterseinstufung spielen.“
Welche Rolle spielt es bei der Freigabe, ob verfassungsfeindliche Symbole in einem reinen Singleplayer-Spiel oder in einem Multiplayer-/Online-Titel auftauchen?
Wie gesagt, wird sich eine Spruchpraxis dazu erst mit der Zeit entwickeln, weswegen pauschale Aussagen zum jetzigen Zeitpunkt schwierig sind. Insgesamt wird es auf die Gesamttendenz des jeweiligen Spieles ankommen, wobei die Frequenz und Intensität des Auftauchens eines verfassungswidrigen Symbols im Rahmen der möglichen Wirkung auf Kinder und Jugendliche mitberücksichtigt werden wird.
Ich kann mir also gut vorstellen, dass solche Aspekte gerade in Bezug auf Multiplayer-Spiele eine Rolle spielen könnten.
Welche Auswirkungen erwarten Sie in der Praxis? Gehen Sie beispielsweise davon aus, dass Publisher die Original-Versionen bereits geprüfter und freigegebener Spiele erneut einreichen und so zum Beispiel für Titel wie „South Park“, „Wolfenstein 2“ oder „Call of Duty WWII“ eine Freigabe inklusive Hakenkreuzen und Hitler-Abbildungen erreichen?
Für die Branche ist es ein wichtiger Schritt, dass es Anbietern nun ermöglicht wurde, ihre Spiele in der Original-Version einzureichen. Ob es für große Publisher attraktiv ist, bereits geprüfte Spiele erneut einzureichen, bleibt abzuwarten.
Allerdings kann ich mir gut vorstellen, dass einige Anbieter von Indie-Spielen, die sich kritisch mit dem Zeitgeschehen auseinandersetzen, diesen Weg gehen könnten.
Die Zahl der USK-Prüfvorgänge ist rückläufig – Spiele werden häufig gar nicht eingereicht, seien es Online-Spiele, Apps oder PC-Spiele, die ausschließlich via Steam veröffentlicht werden. Wie verhält es sich bei diesen Spielen oder auch Titeln, die das IARC-Verfahren durchlaufen? Wer prüft in diesen Fällen, ob die Spiele für den Vertrieb in Deutschland „sozialadäquat“ sind? Was gilt beispielsweise für Entwickler von Indie-Spielen, die nicht mindestens 1.200 Euro für eine USK-Prüfung ausgeben wollen/können?
Im Online-Bereich sind Anbieter nach der derzeitigen gesetzlichen Grundlage des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags (JMStV) der Länder selbst für die Einhaltung des Jugendschutzes bei ihren Inhalten verantwortlich. Der JMStV bezieht die Sozialadäquanzklausel mit ein. Die Kommission für Jugendmedienschutz der Landesmedienanstalten ist hier die zuständige Aufsicht.
Das bedeutet, dass Spiele mit verfassungsfeindlichen Symbolen im Online-Bereich genauso im Einzelfall als sozialadäquat gelten können. Als USK haben wir zahlreiche Online-Spiele gekennzeichnet und über unser IARC-System auch Millionen von Apps, bei denen sich die Alterseinstufung natürlich genauso immer an der Spruchpraxis der Gremien orientiert.
Wenn es Spiele ohne USK-Kennzeichen gibt, die Nutzern als problematisch auffallen, so nehmen wir Hinweise jederzeit über unsere Beschwerdestelle auf www.usk.de entgegen.
Weitere Hintergrundinformationen und Debattenbeiträge:
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