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EA-Chef Kosche: „Die Gamescom in der gewohnten Form wird es nicht mehr geben.“

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Jens Kosche ist Geschäftsführer der Electronic-Arts-Niederlassung in Köln (Foto: Fröhlich)
Jens Kosche ist Geschäftsführer der Electronic-Arts-Niederlassung in Köln (Foto: Fröhlich)

In Nicht-Corona-Zeiten ist er Gastgeber eines der größten Gamescom-Messestände: EA-Geschäftsführer Jens Kosche über die Gamescom 2020, Förderung und die Gamescom 2021.

Mehrere hundert „FIFA 21“– und „APEX Legends“-Teststationen, dazu umherwandelnde Sturmtruppen und ein Star-Wars-X-Wing in Originalgröße anlässlich von „Star Wars: Squadrons“ – so hätte vermutlich der Electronic-Arts-Endverbraucher-Stand anlässlich der Gamescom 2020 ausgesehen.

Denn in Nicht-Corona-Zeiten gehört Electronic Arts traditionell zu den „Ankermietern“ der KoelnMesse, also zu den Gamescom-Ausstellern mit der größten Brutto-Fläche. Für die Kölner EA-Niederlassung wäre die Gamescom 2020 abermals ein Heimspiel gewesen. Wie in den Vorjahren wäre mit großer Wahrscheinlichkeit die Halle 1 von EA für den Business-Bereich gebucht worden – Treffpunkt für Händler, Entwickler, Vertriebspartner, Influencer, Journalisten.

All das musste in diesem Jahr entfallen. Stattdessen entschied sich der US-Publisher für die Belegung der Eröffnungs-Veranstaltung Gamescom: Opening Night Live, die am Gamescom-Donnerstag live aus Los Angeles übertragen wurde. Zwei Millionen Spiele-Fans haben die Show laut Ausrichtern verfolgt. Dort kündigte EA unter anderem eine „Star Wars“-Erweiterung für „Die Sims 4“ und präsentierte den Virtual-Reality-Shooter „Medal of Honor: Above and Beyond“.

Anlässlich der Online-Spielemesse stellte sich EA-Deutschland-Geschäftsführer Jens Kosche den GamesWirtschaft-Fragen. Kosche ist Vorstands-Mitglied des deutschen Industrieverbands Game und gehört dem Beirat der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) an.

Gamescom-Gespräch: EA-Geschäftsführer Jens Kosche über …

… die Besonderheiten der diesjährigen digitalen Gamescom

Wir haben die Saison mit unserer eigenen EA Play in Los Angeles begonnen – ungefähr zu dem Zeitpunkt, zu dem die E3 hätte stattfinden sollen. Da haben wir deutliche Verbesserungen unserer Reichweiten im Vergleich zum Vorjahr gesehen. Deshalb glauben wir auch, dass wir mit der Lösung einer digitalen Messe, wie sie der Game und die KoelnMesse gefunden haben, auch unsere Reichweiten steigern können.

Wir machen auf Messen ja immer einen – wie wir es nennen – ‚Hausfrauentest‘. Wir gucken: Wo sind bei uns die Schlangen am längsten? Dadurch bekommen wir einen guten Eindruck, welches Spiel am besten performen wird. Beispiel aus dem letzten Jahr: „Need for Speed Heat“. Aus den Massen, die sich das angekuckt haben, haben wir wirklich raushören können, dass das vermutlich mindestens so gut wird, wie wir erwartet haben. Das fällt jetzt natürlich komplett weg.

Deshalb freuen wir uns auch schon darauf, wenn es nächstes Jahr im August heißt: Die Türen gehen auf, die Gamescom findet auch als physische Messe wieder statt.

… die Gamescom 2021

Die Gamescom in der gewohnten Form wird es sicherlich nicht mehr geben. Wir haben ja letztes Jahr angefangen, die Gamescom auch zu digitalisieren und zum Beispiel die ONL (Opening Night Live, Anm. d. Red.) zu starten.

Jetzt sehen wir, dass die diesjährige Gamescom noch deutlich mehr Formate hervorgebracht hat, wie man mit Konsumenten interagieren kann. Das wird in Zukunft sicher nicht weggehen, sondern das kommt on top zum physischen Event.

… die Botschaft der Gamescom 2020

Wir konnten schön aufzeigen, dass gerade in der Corona-Zeit Games nicht nur dafür gesorgt haben, dass die Leuten dem Alltag entfliehen können. Sondern auch, dass viel mehr Menschen Games auch dafür nutzen, um mit anderen Menschen in Kontakt zu kommen.

Da kennt jeder vermutlich eigene Geschichten – wenn man zum Beispiel einen alten Freund, mit dem man zuletzt auf der PlayStation 3 gezockt hat, plötzlich in der Freundesliste wieder entdeckt. Warum den dann also nicht mal kurz anpingen?

… die Bedeutung der Games-Förderung des Bundes und die Chancen für ein eigenes EA-Studio in Deutschland

Man muss sich die kompletten Rahmenbedingungen anschauen. Sobald wir den kompletten Einblick haben, werden wir das natürlich intern diskutieren, ob das eine sinnvolle Sache wäre, hier ein vollständiges Studio aufzubauen. Wir haben ja bekanntlich einige Teams und Abteilungen hier in Köln, die für Games produzieren – zum Beispiel im Bereich Übersetzungen.

Wir schauen uns also die Situation an und vergleichen die Standorte. Und klar ist: Deutschland hat mit der Förderung einen weiteren Pfeil im Köcher, um attraktiv zu sein. Zusätzlich geht’s da ja auch um die Frage: Finden wir hier genügend Talente? Wie ist die Ausbildung? Und da haben wir ein sehr gutes Gefühl.

Electronic-Arts-Niederlassung im Kölner Rheinau-Hafen (Foto: Fröhlich)
Electronic-Arts-Niederlassung im Kölner Rheinau-Hafen (Foto: Fröhlich)

… die größten Herausforderungen für deutsche Entwickler

Nur fünf Prozent des Games-Umsatzes entfällt auf deutsche Spiele – und das ist klar zu niedrig. Das sehen wir ja auch im internationalen Vergleich.

Das größte Thema ist ganz klar die Förderung, weil die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen mit anderen Ländern vergleichbar sein müssen. Wenn man Richtung Kanada blickt, sieht man, dass das Wirtschaftswachstum im Games-Bereich einsetzte, als mit der Förderung begonnen wurde. Das ist ein super-wichtiger Bereich – aber das Thema Talente spielt eine ebenso große Rolle.

… über das Rebranding der Abo-Flatrate EA Play und die Bedeutung neuer Geschäftsmodelle

Das betrachten wir relativ leidenschaftslos. Unser Motto lautet: Der Spieler steht bei uns im Mittelpunkt der Entscheidungen. Es gibt Spieler, die fragen nach solchen Modellen nach – wir bilden alle Business-Modelle ab, und EA Play ist ein weiteres.

Für Plattformen, auf denen man die Spiele nicht mehr besitzt, sondern streamt, passt ein Abo-Modell vermutlich am besten.

… die Verschiebung von Umsatzanteilen durch Streaming und Flatrates?

Wenn ich mir alleine meine Kinder anschaue, was die noch kaufen und was die leihen, scheint mir: Das ist grundsätzlich ein Trend. Also: Benutzen – und nicht besitzen. Dafür wären wir dann gut aufgestellt.

Jetzt gibt es natürlich immer noch viele Menschen, die nicht mit diesen Modellen groß geworden sind. Da fällt mir’s schwer, eine Prognose in die Zukunft aufzustellen, zumal beide Konsolen, die ja einen Großteil des Umsatzes auf sich vereinen, weiterhin auch Laufwerke haben.

Streaming ist bislang noch ein kleines Pflänzchen, aber das kann ja noch wachsen.

Seit 2017 belegt Electronic Arts die Halle 1 in der Business Area der Gamescom (Foto: KoelnMesse / Thomas Klerx)
Seit 2017 belegt Electronic Arts die Halle 1 in der Business Area der Gamescom (Foto: KoelnMesse / Thomas Klerx)

… die Ziele für die Gamescom 2020

Aus EA-Sicht: Dass alle unsere Spiele einen Award erhalten – weil die das alle verdient haben.

Aus Verbands-Sicht: Das war eine supermutige Entscheidung vom Game-Verband und von der KoelnMesse, die gesagt haben: ‚Wir machen das anders als ganz viele andere Kongresse – wir sagen das nicht ab, um möglichst viel ins digitale Umfeld zu transferieren.‘ Es heißt ja immer: Das Glück ist mit den Mutigen – und das wünsche ich mir auch für diesen Fall, dass wir unsere Reichweitenzahlen erreichen oder übererfüllen.

Es wäre also schön, wenn das Konzept aufgeht und von den Spielern auch insofern wertgeschätzt ist, dass das zwar ein Surrogat einer Gamescom ist, aber ein gutes.