Warum eSport-Marktführer ESL seit Jahren rote Zahlen schreibt – und die schwedische Konzernmutter MTG trotzdem an den Kölnern festhält.
Die Kölner Turtle Entertainment GmbH – neuerdings: ESL Gaming GmbH – sieht sich selbst als weltgrößtes eSport-Unternehmen. Die deutsche Tochter des börsennotierten schwedischen Medienkonzerns Modern Times Group (kurz: MTG, ist auch an InnoGames beteiligt) betreibt Amateur- und Profi-Ligen und organisiert ausverkaufte Computerspiele-Turniere auf der ganzen Welt – etwa die ESL One Cologne in der Lanxess Arena oder die Intel Extreme Masters im polnischen Katowice.
Motto: Where everybody can be somebody.
Gegenüber Politikern, Journalisten, Sponsoren und Investoren werden zuverlässig die ganz großen Maßstäbe bemüht – unterhalb von Super Bowl und Olympia sind eSport-Vergleiche nicht mehr zu haben. Die Botschaft: Fußball war gestern – wer als Chips-Produzent (egal ob Intel oder Pringles) etwas auf sich hält, muss dringend beim eSport dabei sein.
Von diesem Narrativ haben sich inzwischen reihenweise Markenhersteller beeindrucken lassen, darunter McDonald’s, Mercedes-Benz, DHL, Warsteiner sowie die obligatorischen Kranken- und Bausparkassen.
Zwangsläufige Folge: Nachdem der ESL-Umsatz jahrelang um die 10-Millionen-Euro-Marke pendelte, erfolgte vor sechs Jahren eine Art Urknall, der die Bremsen löste – seitdem haben sich die Einnahmen bis 2017 glatt vervierfacht.
Der Haken: Die Bilanzen waren regelmäßig tiefrot. Mit Ausnahme von 2013, als ein mittlerer sechsstelliger Überschuss gemeldet wurde, hat das Unternehmen seit 2009 fast jedes Geschäftsjahr mit Verlusten beendet.
Allein 2017 soll sich der Fehlbetrag auf 17,7 Millionen Euro belaufen haben – schon im Jahr zuvor lag das Minus bei 7,5 Millionen Euro, das zum Teil nicht mehr durch das Eigenkapital gedeckt war. Großaktionär MTG sprang ein: Die Rückzahlung kurz- und mittelfristiger Darlehen wurde nach hinten verschoben.
ESL-Mutter MTG will weiter in den eSport investieren
Nachfrage beim MTG-Konzern, der 2015 eingestiegen ist und derzeit noch 82 Prozent der Anteile hält: Wie geht eigentlich die Erklärung für solche Zahlen, wenn doch der Gesamtmarkt brummt?
Gegenüber GamesWirtschaft verweist die Zentrale in Stockholm auf die Stellung der ESL als weltweit größtem eSport-Unternehmen. „Um diese Position zu halten und unsere Bemühungen auf globaler Ebene zu verstärken, ist die geografische Expansion wichtig, um alle eSport-Fans auf der ganzen Welt bedienen zu können“, erklärt Lars Torstensson, der als Executive Vice President für Investor Relations zuständig ist. „Daher sind die ESL und MTG bereit zu investieren, um dieses Ziel zu erreichen.“
Kurzfristige Gewinne hätten dabei nicht oberste Priorität. Vielmehr treibe man die Transformation des eSports in Richtung Mainstream und Professionalisierung voran, um sich mit traditionellen Sportarten wie Fußball, Basketball oder Hockey messen zu können. Torstensson: „Wenn uns dies gelingt, werden höhere Einnahmen aus Sponsoring- und Medienrechten zusammen mit einem starken Wachstum die Gewinnwende für ESL einleiten.“
Und wie lief 2018? Konkrete Zahlen zur ESL-Entwicklung will der Unternehmens-Sprecher nicht nennen – ausgewiesen werden nur die Umsätze für den kompletten Geschäftsbereich eSport, zu dem auch die Marke DreamHack gehört.
Der Geschäftsbericht ist auskunftsfreudiger: Das Segment fuhr auch 2018 deutliche Verluste ein, die eigenen Ziele wurden verfehlt – sowohl mit Blick auf das Umsatzwachstum als auch die Marge. Im ersten Halbjahr 2019 hat die eSport-Abteilung bereits ein Minus von über 16 Millionen Euro angehäuft – immerhin bei steigenden Umsätzen.
Befragt nach den konkreten Gründen argumentiert MTG-Sprecher Torstensson damit, dass der Aufbau eines neuen Unternehmens in einer schnelllebigen Branche mit kurzfristigen Unsicherheiten sowie volatilen operativen Ergebnissen verbunden sei. „Unabhängig davon sind wir von den Zukunftsperspektiven des eSports überzeugt und bereit, zu investieren, um die Früchte dieser aufstrebenden Branche zu ernten.“
Untermonetarisiertes eSport-Publikum
Ein Selbstläufer wird das nicht. Damit aus dem wachsenden Markt endlich ein kommerziell attraktives Produkt wird, sind laut MTG-Quartalsbericht weitere Anstrengungen erforderlich.
Tatsächlich gilt der durchschnittliche eSport-Kunde branchenweit als chronisch „untermonetarisiert“: So ist das Publikum bislang nicht bereit, analog zum Fußball für Live-Übertragungen zu zahlen. Auch Football-, Formel-1- und Basketball-Fans geben im Schnitt ein Vielfaches für Tribünen-Plätze, Pay-TV und Fanartikel aus. Vor kurzem musste deshalb die Unternehmensberatung Deloitte die eigenen Prognosen für den deutschen Markt einkassieren, die gemeinsam mit dem Lobbyverband Game entstehen: Unter anderem sei es den Anbietern nicht hinreichend gelungen, die Übertragungsrechte zu vermarkten.
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Dass sich an den Vorhersagen gewerbsmäßiger Zukunftsdeuter Zweifel mehren, liegt nicht zuletzt an den objektiv kaum nachprüfbaren und noch schwerer vergleichbaren Reichweiten und Rekord-Einschaltquoten, wie sie etwa die ESL kurz vor der Gamescom bekannt gegeben hat.
Konkret beklagt die Konzernmutter MTG einen „Mangel an qualitativ hochwertigen Daten“. Dadurch werde erschwert, einen angemessenen Preis für Medienrechte aufzurufen und mit traditionellen Sportarten zu konkurrieren. MTG spricht von einer „Schlüssel-Herausforderung“.
Update vom 26.9.2019: Heute wurde bekannt, dass ESL und DreamHack gemeinsam mit dem Marktforscher Nielsen neue Standards für die Reichweiten-Messung und -Analyse entwickeln wollen, um das Vertrauen von eSport-Werbekunden zu erhöhen. Im ersten Schritt soll das neue „Counter-Strike“-Turnier-Format ESL Pro Tour von Nielsen vermessen werden.
Spielehersteller kontrollieren Wertschöpfungsketten
Als nicht ausgeschlossen gilt unter Marktbeobachtern, dass es am Ende nur einen einzigen Gewinner gibt, der à la longue überhaupt substanziell am eSport verdient: den jeweiligen Spiele-Hersteller.
Denn das Geschäftsmodell der ESL ist am ehesten mit einem Festival- oder Konzertveranstalter zu vergleichen, der Stars, Stadien und Hallen bucht und anschließend Tickets verkauft. Die Rechte an den eingesetzten Spielen liegen hingegen bei den Publishern, die zunehmend die gesamte Wertschöpfungskette des eSports kontrollieren wollen – von Events über Sponsoring bis Merchandise.
Anbieter wie Activision Blizzard („Overwatch“, „Call of Duty“) oder Riot Games („League of Legends“) vermarkten ihre Produkte daher immer häufiger selbst – indem sie dedizierte eSport-Sparten aufbauen und signifikante Gebühren für die Teilnahme an Profi-Ligen verlangen.
Mit Schalke 04 eSports und der 1.-FC-Köln-Beteiligung SK Gaming haben sich zum Beispiel zwei deutsche Teams für kolportierte Summen im hohen einstelligen bis niedrig zweistelligen Millionen-Bereich in die „League of Legends European Championship“ eingekauft – in der Hoffnung, das Investment in den kommenden fünf Jahren durch Preisgelder, Werbung und Trikots refinanzieren zu können.
Bei MTG wehrt man sich gegen den naheliegenden Eindruck, dass durch diese Entwicklung die Abhängigkeit von langjährigen Verbündeten wie Valve („Counter-Strike“, „Dota 2“) oder Ubisoft („Rainbow Six Siege“) ungesund ansteigt. Ganz im Gegenteil würden die Publisher in Betreibern wie der ESL immer häufiger einen strategischen Partner sehen, der sie bei der Akquise und Betreuung der Fans unterstützt.
Investor-Relations-Chef Torstensson: „Wir sind optimistisch, dass sich unsere Beziehung zu Valve und Ubisoft in einer positiven, für beide Seiten vorteilhaften Beziehung entwickeln wird, die allen Beteiligten zugute kommt: Game Studios, Publishern, eSport-Produzenten, eSport-Profis und eSport-Fans gleichermaßen.“
Chinesen wetten auf die ESL-Zukunft
Dass der globale eSport-Markt boomt und weiterhin wächst, gilt als ausgemachte Sache. Fast 20 Jahre nach Gründung steht allerdings der Nachweis aus, dass die ESL auf Dauer ein stabiles, profitables, nachhaltiges Geschäft betreiben kann – zumal Sponsoren-Verträge üblicherweise nur mit einer Laufzeit von einem Jahr abgeschlossen werden.
Die ESL-Strategie erinnert vielmehr immer noch an ein Startup: Zugunsten einer Wette auf strammes Wachstum werden Anlauf-Verluste in Kauf genommen.
Noch halten die MTG-Aktionäre still – immerhin wird das Zuschussgeschäft eSport durch ungleich margenstärkere Aktivitäten kompensiert, allen voran die Browser- und Mobilegames von InnoGames. Doch die ESL muss dringend punkten, um das Spiel zu drehen und in die Gewinnzone zurückzukehren:
- Dazu gehören erstens Korrekturen am Geschäftsmodell: Die Kölner wollen sich auf die eigenen Großveranstaltungen wie die Intel Extreme Masters konzentrieren. Vor wenigen Wochen wurde zum Beispiel das extrem wichtige „Counter-Strike“-Business auf neue Füße gestellt. Das ohnehin schrumpfende und schwer kalkulierbare Dienstleistungs-Geschäft für Externe wird zurückgefahren.
- Zusätzlich will MTG die eSport-Sparte – sprich: die Eigenmarken ESL und DreamHack – noch stärker „integrieren“, um die Kosten in den Griff zu bekommen. Für die mittlerweile abgeschlossenen Restrukturierungs-Maßnahmen wurde bereits in den letzten Jahren ein siebenstelliger Betrag aufgewandt.
- Frische Fantasie entsteht durch einen Mega-Deal, der den gigantischen chinesischen eSport-Markt erschließen könnte: Gemeinsam mit der Tencent-Streaming-Tochter Huya will MTG ein Joint-Venture bauen. Huya bringt 30 Millionen Dollar (ca. 27 Millionen Euro) ein und wird durch Ausgabe neuer Aktien ESL-Teilhaber – MTG behält die Mehrheit. Vorbehaltlich des erfolgreichen Abschlusses, läge die ESL-Bewertung bei fast 450 Millionen Dollar, also mehr als 400 Millionen Euro. Es wäre nicht das erste Mal, dass die ESL nach China expandiert.
Ob die Pläne aufgehen, wird sich in den kommenden Monaten besichtigen lassen. Vom Ausgang der China-Wette hängt eine Menge ab – zuvorderst natürlich für die ESL und MTG, aber eben auch für die Games-Standorte Köln, NRW und Deutschland. Denn der Marktführer gilt im eSport-Bereich als systemrelevant: Nach einem Stellenabbau vor zwei Jahren beschäftigt das Unternehmen allein hierzulande rund 250 Mitarbeiter – und gehört damit zu den Top-10-Arbeitgebern der Games-Branche.
Na ja,dass der Fifa e sport so schlecht läuft liegt zum beispiel daran ,dass die Qualität der spiele extrem schlecht ist und fast immer nach dem gleichen schema ablaufen ,z.B. best of 3 gewinnt spieler 1 das erste spiel verliert er zu 90 prozent spiel 2 und von den e sportler sieht keiner so aus als ob er ahnung vom Fussball hat oder jemals gegen den ball getreten hat ,dazu kommt noch das der großteil der e sportler eigentlich nur cheater sind mit irgendwelchen gemoddeten controllern vergleich mit Russland und ihr doping in der Leichtathletik
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