Was einst indiziert wurde, ist heute oft frei ab 16: In 25 Jahren hat sich nicht nur der Stellenwert von Games verändert, sondern auch die USK selbst.
Wer als Spielehersteller ein PC- oder Konsolenspiel auf einem Datenträger anbieten will, kommt um eine USK-Altersfreigabe nicht herum – ein halbstaatlicher Verwaltungsakt, bei dem Gebühren von mindestens 1.200 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer fällig werden. Andernfalls würden MediaMarkt & Co. die Ware gar nicht erst ins Regal stellen.
Wird exakt dasselbe Spiel auf einer Website hingegen zum Download oder als Smartphone-App angeboten, ist das USK-Logo nicht zwingend erforderlich – hier genügt es, einen Fragebogen auszufüllen, auf dessen Basis die sogenannte IARC-Alterseinstufung ermittelt wird. Kosten: null. Kleiner Haken: Längst nicht alle Online-Stores nutzen IARC, darunter Apples Appstore, der PlayStation Store oder Ubisoft uPlay.
Dieser Altersfreigabe-Flickenteppich verwirrt nicht nur Verbraucher, sondern treibt auch Familienministerin Franziska Giffey (SPD) um, die sich eine Vereinheitlichung vorgenommen hat. Dass die unterschiedlichen gesetzlichen Regelungen endlich zusammengeführt werden, wünscht sich auch Elisabeth Secker, die seit Januar 2018 die Geschäfte der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) führt – und anlässlich des 25jährigen USK-Jubiläums die Fragen von GamesWirtschaft beantwortet.
USK-Geschäftsführerin Secker: „Wir schaffen Alterskennzeichen, auf die sich Familien verlassen können.“
GamesWirtschaft: Spiele, die heute frei ab 16 Jahren sind, wären noch vor wenigen Jahren indiziert worden oder allenfalls als geschnittene USK-18-Version auf den Markt gekommen. Wie ist diese Entwicklung zu erklären?
Secker: Jugendschutz verändert sich stetig – genauso wie unsere Gesellschaft. Es muss immer wieder ein neuer Konsens ausgehandelt werden, was sich auch an der veränderten Spruchpraxis der USK oder den Entscheidungen der BPjM (Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien, Anm. d. Red.) bemerkbar macht.
Dass Gewalt im gesellschaftlichen Diskurs ein nicht mehr ganz so hoher Stellenwert eingeräumt wird wie noch vor einigen Jahren, hat sicherlich mit der generellen Anerkennung von Games als Kunst und Kulturgut zu tun. Für die USK ist auch weniger relevant geworden, dass Gewalt an sich in Spielen vorkommt, sondern wie damit etwa in Hinsicht auf Belohnungen und Bestrafungen umgegangen wird.
Entscheidend ist außerdem, ob Gewaltinhalte in einem fiktionalen Setting gezeigt werden, oder nah an der Lebensrealität von Kindern und Jugendlichen dran sind.
Sichter, Gremien, Gebühren: Für die Prüfung von PC- und Konsolenspielen auf Datenträgern wird ein vergleichsweise hoher zeitlicher und kostenintensiver Aufwand betrieben, um Altersfreigaben festzustellen. Bei Apps und Online-Spielen kann der Entwickler die Einstufung automatisch durch Ankreuzen einer Checkliste vornehmen – völlig kostenlos. Gleichzeitig geht die Zahl der klassischen Prüfverfahren von Jahr zu Jahr zurück. Braucht es die USK da überhaupt noch?
Durch die Digitalisierung der Vertriebswege sind sicherlich neue Herausforderungen für die USK hinzugekommen. Genauso aber auch neue Aufgabenfelder. Jugendschutz hat gesellschaftlich nach wie vor einen sehr hohen Stellenwert, weswegen eine Institution wie die USK auch in den nächsten Jahren nicht an Bedeutung verlieren wird.
Unsere Hauptaufgabe bleibt es, Alterskennzeichen zu schaffen, auf die sich Familien verlassen können. Ob online oder offline – welches Prüfverfahren dabei zum Tragen kommt, spielt dabei keine Rolle. Wir sind darüber hinaus Ratgeber für Familien, wenn es um den sicheren Umgang mit Apps und Games geht und unterstützen Unternehmen bei der Umsetzung des Jugendmedienschutzes in Deutschland.
Seit Jahren wird heftig um die Überarbeitung des Jugendschutzgesetzes gerungen. Welche Vorschläge sind aus Ihrer Sicht gut und richtig – an welchen Stellen gibt es den größten Nachbesserungsbedarf?
Das Jugendschutzgesetz ist in der Tat veraltet. Die größte Baustelle sehe ich nach wie vor darin, beide in Deutschland bestehenden Gesetzeswerke – also das Jugendschutzgesetz des Bundes und den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag der Länder – enger zu verzahnen, um endlich einen konvergenten Jugendschutz hinzubekommen.
Zu erwarten sind außerdem Regelungen im Bereich der Interaktions- und Kommunikationsrisiken. Hier haben wir mit Zusatzinformationen zu vorhandenen Kommunikationsmöglichkeiten oder dem Hinweis auf Käufe im Rahmen des IARC-Systems schon viel Transparenz hinbekommen.
Die derzeitige Diskussion, alle durch die Internetnutzung entstehenden Probleme im Rahmen eines hohen Alterskennzeichens berücksichtigen zu wollen, halte ich aber für verfehlt. Hier müssen wir differenzierter ansetzen.
Mit Broschüren, Gamescom-Auftritten und einer generalüberholten Website will die USK zur Vermittlung von Medienkompetenz beitragen. Haben Sie den Eindruck, dass Kinder, Jugendliche und Erziehungsberechtigte im Schnitt „kompetenter“ oder eher nachlässiger geworden sind? Zu welchen Themen und Spielen bekommt die USK unterjährig die meisten Fragen, Anrufe, Beschwerden?
Als USK haben wir eine verstärkte Nachfrage bei Eltern rund um das Thema Spiele wahrgenommen.
Ich glaube nicht, dass das mit einer Zu- oder Abnahme an Kompetenzen zu tun hat, sondern eher mit der Tatsache, dass Spiele zum Alltagsmedium für Kinder und Jugendliche geworden sind. Durch die Online-Anbindung von Spielen ergeben sich für Eltern viele Fragen, die wir beantworten wollen. Zum Beispiel haben wir ein Games-Lexikon entwickelt, mit dem wir erreichen wollen, dass Eltern auf Augenhöhe mitreden können und dadurch mehr Basis für Gespräche geschaffen wird.
Wir erhalten nach wie vor viele Elternanfragen zu Altersfreigaben und technischen Schutzeinstellungen im Internet.
Die USK-Kennzeichen werden zuweilen als Empfehlung wahrgenommen, dass beispielsweise ein USK-0-Spiel für Kindergarten- und Vorschul-Kinder geeignet wäre. Wie lässt sich dieser Eindruck korrigieren?
Das ist ein altes Phänomen des gesetzlichen Jugendmedienschutzes. Dahinter steckt das Prinzip des „Verbots mit Erlaubnisvorbehalt“ – unser gesamtes Jugendschutzsystem ist darauf aufgebaut. Die Jugendschutzfreigabe ist als Schadenbegrenzung im Rahmen des Verfassungsauftrags des Staates zu verstehen.
Ehe man die Freigaben der FSK nicht mehr als Eignungsempfehlungen sah, hat es sicher auch eine Weile gedauert. Hilfreiche pädagogische Empfehlungen geben zum Beispiel Angebote wie der Spieleratgeber NRW. Darüber informieren wir u.a. in unserem Elternratgeber.
Halten Sie es aus rein praktischer Sicht für grundsätzlich möglich und sinnvoll, In-App-Käufe, Lootboxen und Suchtpotenziale bei den USK-Altersfreigaben zu berücksichtigen?
Nicht unbedingt. Die Vorstellung, die derzeit kursiert ist, dass alle mit der Internetnutzung verbundenen Risiken durch ein Alterskennzeichen gelöst werden können. Das ist jedoch ein Trugschluss und würde Eltern eine falsche Sicherheit versprechen.
Hinzu kommt, dass die USK vor Markteintritt prüft und sich beispielsweise Monetarisierungsmodelle nach Release stetig ändern können, genauso wenig überprüfbar ist die Kommunikation in Chats. Da wäre die Aussagekraft des Alterskennzeichens schnell passé.
Zielführender ist es, technische Tools für Eltern auszubauen, sodass In-App-Käufe kontrolliert, Chats unterbunden oder Spielzeiten limitiert werden können. Je nachdem, wie Eltern sich das für ihre Familie wünschen.
Im Bereich der Kennzeichnungen ist aber zusätzliche Transparenz notwendig: Eltern brauchen zusätzliche Entscheidungshilfen welche Risiken mit der Nutzung eines Angebots verbunden sein können. Bei IARC haben wir bereits proaktiv diese Möglichkeit geschaffen. So werden Nutzerinteraktion oder Kaufmöglichkeiten angezeigt und erst kürzlich haben wir auch einen speziellen „Lootbox-Hinweis“ eingeführt. Im Bereich der „suchtfördernden Faktoren“ sind wir meines Erachtens noch nicht so weit, als dass wir feste Kriterien entwickeln könnten, die valide in die Jugendschutzbewertung einfließen könnten.
Trotzdem behält die USK neue Phänomene im Blick und diskutiert sie in ihren entsprechenden Gremien.
Die USK-Spiele-“Schätze“ aus mehreren Jahrzehnten sollen in der neuen Internationalen Computerspiele-Sammlung zusammengeführt werden. Wann werden die Module, Disketten, CDs und Blu-Rays an den künftigen Standort umziehen?
Die erste Phase der digitalen Zusammenführung ist bereits erfolgt. Jetzt hoffen wir auf baldige Unterstützung aus der Politik, damit eine physische Sammlung an einem gemeinsamen Standort auch gelingen kann.
Finanziert wird die USK vom Industrie-Verband, im Beirat sitzen Vertreter von Verband und Publishern – und auch die Prüfverfahren werden vom auftraggebenden Spielehersteller bezahlt. Wie stellt die USK in der Praxis die Unabhängigkeit ihrer Entscheidungen sicher?
Kernstück der Arbeit der USK ist es, dass die Altersfreigaben unabhängig erfolgen können. Dies stellen wir dadurch sicher, dass die Jugendschutzsachverständigen nicht in der Computerspielewirtschaft beteiligt sein dürfen.
Auch das Begleitgremium, der USK-Beirat, ist pluralistisch besetzt und das ist auch gut so. Hier hat die Branche gerade mal 3 von 15 Stimmen. Die anderen Vertreter*innen stammen aus Ministerien, der Aufsicht, der Kinder- und Jugendverbände, der Kirchen und der Wissenschaft.
Im internationalen Vergleich ist das wirklich einzigartig, dass eine Selbstkontrolle wie die USK mit dem Staat gemeinsam ein unabhängiges Verfahren aufgesetzt hat, das aber von der Wirtschaft finanziell getragen wird.
Mit der Anwendung der Sozialadäquanzklausel für verfassungsfeindliche Symbole hat die USK im vergangenen Jahr ein seit Jahren schwelendes Thema abgeräumt. Gibt es vergleichbare Unsicherheiten im Markt, die Sie spätestens zum 30jährigen USK-Jubiläum gerne geklärt sehen würden?
Für die nächsten fünf Jahre wünsche ich mir, dass die unterschiedlichen Regelungen zwischen Online und Offline-Content endlich gelöst werden. Und dass ein System wie IARC gesetzlich gewürdigt wird. Damit hätten wir schon viel erreicht.
Abschließend: Was war in Ihrer bald zweijährigen Amtszeit der für Sie schönste Moment – und auf welches Ereignis hätten Sie im Rückblick gerne verzichtet?
Es gab bereits viele schöne Momente. Einer davon war mit Sicherheit unser Festakt zum 25-jährigen Jubiläum im September 2019, bei dem wir mit über 150 Gästen aus Politik, Wirtschaft, Jugendschutzinstitutionen und Wegbegleitern auf das Erreichte anstoßen konnten, aber auch auf die Herausforderungen der Zukunft geblickt haben.
Schwieriger war sicherlich das ein oder andere Gespräch mit Kritikern rund um die Debatte um Hakenkreuze in Games. Hier gab es auch Faktenwissen aufzuarbeiten. Dabei war es wichtig zu erläutern, wie die Gremien der USK die Entscheidung der zuständigen Obersten Landesjugendbehörde kompetent umsetzen. Aber auch diesen Prozess haben wir zusammen mit allen Beteiligten gut gemeistert.