Start Politik Computerspiel-Sucht: Jeder sechste Jugendliche ist „Risiko-Gamer“

Computerspiel-Sucht: Jeder sechste Jugendliche ist „Risiko-Gamer“

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Fette Beute: Populäre Spiele wie "Fortnite" setzen auf Mechanismen, die laut DAK-Studie das Suchtverhalten fördern (Abbildung: Epic Games)

Mehr Aufklärung und ein Verbot von Lootboxen: Das fordert die Krankenkasse DAK – und reagiert damit auf alarmierende Ergebnisse der Sucht-Studie „Geld für Games“.

Drei Millionen deutsche Jugendliche zwischen 12 und 17 Jahren spielen regelmäßig am Computer – 465.000 (15,4 Prozent) davon gelten als „Risiko-Gamer“. Jeder sechste in dieser Altersgruppe zeigt demnach pathologisches oder riskantes Spielverhalten, landläufig als „Gaming-Sucht“ bekannt. 3,3 Prozent der Betroffenen erfüllen sogar Kriterien einer ‚echten‘ Computerspielabhängigkeit, inklusive Entzugserscheinungen und Kontrollverlusten.

Das geht aus der Studie „Geld für Games: Wenn Computerspiel zum Glücksspiel wird“ der Krankenkasse DAK und des Deutschen Zentrums für Suchtfragen in Hamburg hervor. Untersucht wurden 1.000 Kinder und Jugendliche. Die Spielzeit beträgt im Mittel mehr als zwei Stunden unter der Woche – am Wochenende und in den Ferien sind es dreieinhalb Stunden täglich. Jungs verbringen erheblich mehr Zeit mit Spielen an PC, Konsole und Smartphone als Mädchen. Lieblingsspiel mit weitem Abstand: „Fortnite“.

Die Folgen seien eine Häufung von Fehlzeiten in der Schule, Konzentrationsschwierigkeiten, motorische Unruhe, emotionale Probleme und überdurchschnittlicher Geldeinsatz für Spielwährung, Deko-Elemente und Lootboxen. Im Schnitt lagen die Ausgaben bei 110 Euro innerhalb von sechs Monaten, in Einzelfällen wurden aber auch vierstellige Beträge investiert.

Als Konsequenz fordert DAK-Vorstandschef Andreas Storm verstärkte Aufklärung über Sucht-Risiken in Computerspielen und ein Verbot sogenannter Beuteboxen („Loot-Boxen“) in Deutschland, weil die Spieler für lange Spielzeiten belohnt werden würden. Die Risikogruppe investierte doppelt so viel Geld in Extras als „unauffällige Spieler“, so Studienleiter Prof. Dr. Rainer Thomasius.

Die JIM-Studie 2018 weist "Fortnite" als beliebtestes Spiel deutscher Teenager aus (Stand: 29.11.2018)
Die JIM-Studie 2018 weist „Fortnite“ als beliebtestes Spiel deutscher Teenager aus (Stand: 29.11.2018)

 

Das Deutsche Zentrum für Suchtfragen benennt außerdem typische Mechanismen in aktuellen Games, die zu einer erhöhten Abhängigkeit bei Kindern und Jugendlichen beitragen:

  • Open-End-Spiele, die immerwährend neue Inhalte hinzufügen
  • Personalisierung
  • Soziale Zugehörigkeit – zum Beispiel durch schnellere Spielfortschritte im Teamverbund
  • Belohnungen für hohes Spiel-Engagement
  • Loot-Boxen: Nutzer würden durch solche „suchtgefährdenden“ Modelle an Mechanismen des klassischen Glücksspiels herangeführt.
  • Virtuelle Währung: Ingame-Währungen wie V-Bucks in „Fortnite“

„Durch die Tricks der Industrie finden viele Jugendliche kein Ende und verzocken Zeit und Geld“, urteilt DAK-Gesundheit-Vorstand Storm. Aus Spaß könne daher schnell Sucht werden. „Deshalb muss der Glückspielcharakter in Computerspielen eingedämmt werden. Wir brauchen wie in Belgien und den Niederlanden ein Verbot von Loot-Boxen oder Glücksrädern. Außerdem sollten für Gamer Warnhinweise eingeblendet werden, wenn bestimmte Spielzeiten überschritten sind.“

Die Weltgesundheitsorganisation WHO weiß um die Risiken und Nebenwirkungen intensiven Videospiele-Konsums und hat die „Gaming Disorder“ als eigenständiges Krankheitsbild analog zur Glücksspielsucht in ihren Katalog aufgenommen. Die Entscheidung hat zu heftigem Protest seitens der Computerspiele-Industrie geführt. Auch der Berliner Branchenverband Game, dem nahezu alle marktführenden Spielehersteller angehören, lehnt die WHO-Einstufung pauschal ab. Die Anerkennung von Spiele-Sucht als Krankheit sei nicht nur falsch, sondern auch „gefährlich“.

Eine Zusammenfassung der DAK-Studie ist hier abrufbar.