Start Meinung Gamescom 2022: Alles wie immer (Fröhlich am Freitag)

Gamescom 2022: Alles wie immer (Fröhlich am Freitag)

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Gamescom 2022: AMD hat die neue Event Arena in Halle 6 für ein halbtägiges Bühnenprogramm gebucht (Foto: GamesWirtschaft)
Gamescom 2022: AMD hat die neue Event Arena in Halle 6 für ein halbtägiges Bühnenprogramm gebucht (Foto: GamesWirtschaft)

Seit Mittwoch dieser Woche ist Köln (endlich) wieder fest in der Hand von ‚Gamern‘ und popkulturell Interessierten: Wie läuft’s bisher?

Verehrter GamesWirtschaft-Leser,
verehrte GamesWirtschaft-Leserin,

es ist Halbzeit auf dem Gamescom-Gelände. Seit dem heutigen Freitagabend wird bereits der Fachbesucher-Bereich in den Hallen 2 bis 4 zurückgebaut. Im Endverbraucher-Abschnitt – also in der ‚Entertainment Area‘ – ist noch bis Sonntagabend Remmidemmi.

Zuletzt wurde die Kölner Videospiele-Messe im Jahr 2019 durchgeführt, also vor drei Jahren – 2020 und 2021 gab es nur ein digitales Surrogat, wie es der damalige EA-Deutschland-Chef mal beschrieben hat. Deshalb wird es Sie interessieren, wie es so läuft mit dem Gamescom-Restart in Köln.

Das Wichtigste gleich vorneweg: Die Bude ist rap-pel-voll. Nur ganz früh am Morgen und sehr spät am Abend, wenn die Flure verwaist sind, fallen die gigantisch großen Freiflächen zwischen den Messeständen auf. Sobald sich das Geläuf mit Besuchern füllt (also nach ungefähr 15 Minuten), wirkt die Messe, als habe es Corona nie gegeben. Die Gamescom-2022-Fotos auf meiner Speicherkarte lassen sich nur mit sehr großer Mühe von den Gamescom-2018- oder Gamescom-2019-Fotos unterscheiden.

Fröhlich am Freitag - die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft
Fröhlich am Freitag – die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft

Gleichwohl ist nicht zu übersehen, dass in den Hallen die ‚Großen‘ unentschuldigt fehlen – ein Electronic Arts, ein Activision Blizzard, ein Sony PlayStation, ein Nintendo. In die Bresche springen Neuzugänge wie Level Infinite oder TikTok. Die meisten Attraktionen und Hingucker pro Quadratmeter bietet zweifellos die Halle 10.2, wo Indie-Entwickler ihre Stände liebevoll dekoriert haben, wo 80er-Jahre-Spielautomaten bearbeitet werden und wo Betriebe um Nachwuchs werben – von ALDI bis zur Bundeswehr.

Die neue Event-Arena in der Halle 6 funktioniert prima: Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass wir bei der Gamescom 2023 noch deutlich mehr Konzerte und Bühnenshows dieser Art erleben.

Auch der Business-Bereich quillt über: Vielfach hat man Schwierigkeiten, freie Hocker oder Tische zu finden. Die Empfänge (‚Receptions’) und Get-Togethers der Länderpavillons sind gut besucht. Kein Zweifel: Es gibt Redebedarf – und große Wiedersehensfreude, etwa während der Branchenparty am Donnerstagabend.

Die Stimmung bei Besuchern, Ausstellern und Ausrichtern ist demzufolge gut bis sehr gut, um nicht zu sagen: gelöst bis euphorisch. Das gilt insbesondere für die Privatbesucher: alt, jung, groß, klein, oft kostümiert – und wild entschlossen, den Tag maximal auszureizen. Wer abends mit S- und U-Bahn das Gelände verlässt, blickt in beseelte Kinder- und leere Eltern-Augen.

Unter dem Eindruck der ersten beiden Publikumstage gibt es daher Anlass, die Besucherzahlen-Prognose dezent anzuheben. Anstelle der vor einer Woche geschätzten 200.000 bis 250.000 Teilnehmer würde ich jetzt auf 250.000 bis 300.000 tippen – Genaueres wird (hoffentlich) der Abschlussbericht am Sonntag verraten.

Auch für die Politik bleibt die Gamescom ein gesetzter Termin: Eine dreistellige Zahl an Bundes-, Landes- und Kommunalpolitikern ist der Einladung gefolgt, darunter Kulturstaatsministerin Claudia Roth, SPD-General Kevin Kühnert und Grünen-Chefin Ricarda Lang. NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst wurde am Microsoft-Xbox-Stand Zeuge, wie Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker ihre Flight-Simulator-Cessna beim Anflug aufs virtuelle Messegelände recht souverän im Rhein versenkte. Chefentwickler Jörg Neumann war Diplomat genug, um der Pilotin zu attestieren, sie habe das dennoch ganz, ganz toll gemacht.

Der ursprünglich angekündigte Vizekanzler und Wirtschaftsminister ließ sich kurzfristig aus energieversorgungstechnischen Gründen entschuldigen und sprach per vorab aufgezeichneter Grußbotschaft zur Branche. In der ihm eigenen ‚Och menno‘-Attitude versprach ein zerknirschter Habeck, den Besuch im kommenden Jahr nachzuholen.

Wer abseits der Blockbuster-Flaute einen nennenswerten Gamescom-Schwachpunkt finden will, wird ihn am ehesten im Zusammenhang am Eröffnungs-Format Gamescom: Opening Night Live festmachen – eine lose Aneinanderreihung von Promotion-Trailern, die überwiegend nichts vom eigentlichen Spiel zeigen. Unterwegs ist kaum noch zu unterscheiden: Wo fängt die Werbung an, wo hört sie auf? Die Übergänge sind fließend: Zwischendurch trommelt Stardesigner Hideo Kojima für seinen neuen Spotify-Podcast – der Autobauer Mini verbaut Pokémon-Elemente in einem Kfz-Prototypen. Nichts davon erfordert ein zweistündiges Live-Format.

Im Laufe des Abends wurde auch der erste Schwung der amtlichen Gamescom Awards verliehen. Weiterhin gilt: Niemand, absolut niemand, kein Mensch versteht diese Auszeichnung – das belegt das überwiegend verstörende Social-Media-Feedback. Dem Publikum wird zum Beispiel nicht erklärt, dass ausschließlich Neuheiten gewinnen können, die auch tatsächlich auf dem Gelände spielbar sind. Aus welchen Gründen der britische Industrieverband ‚ukie‘ den erstmals ausgelobten Klimaschutz-Award erhält, erfährt man weder bei der Übergabe noch sonst irgendwo im Netz – und offenkundig ist es auch ein bisschen egal (Disclaimer: Ich bin Teil der Jury).

Aber all das fällt vermutlich in jene Rubrik, die Staatskanzlei-Chef Liminski bei seiner Ansprache mit „Haar in der Suppe“ meinte. Denn Premium-Marken-Relaunch hin oder her: Die Gamescom 2022 ist der gleiche bunte, laute Kindergeburtstag wie eh und je. Und das ist im Grunde das größte Kompliment, das man dieser Veranstaltung zum jetzigen Zeitpunkt machen kann.

Ein schönes Wochenende, eine gute Heimreise respektive (weiterhin) ganz viel Freude in Köln wünscht Ihnen

Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft

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3 Kommentare

  1. So schön geschrieben der Artikel un dich kann dir da nur zustimmen 🙂
    Auch meine 12. gamescom war ein Highlight! Gespielt habe ich einiges und das hat mir definitiv geholfen neue Spiele zu entdecken ♥

  2. Danke für den guten Artikel, ich kann mich dem nur anschließen. Ich hatte ebenfalls zur Ankündigung der Gamescom 2022 meine Bedenken, trotzdem habe ich mir Tickets gekauft und wurde nicht enttäuscht. Natürlich fehlen die großen Publisher in einer gewissen Art und Weise, ich war z.B gerne immer bei 2K unterwegs, aber die ganzen anderen Publisher haben das sehr gut aufgefangen. Um ein paar zu nennen: THQ mit sehr guten Spielen, einem großartigen Stand, Shows und vielem mehr, aber auch TikTok, der Landwirtschafts Simulator, die Indie Booth und vieles mehr hat mir das alte Gamescom Gefühl zurückgegeben. Ebenso finde ich wurde der Einlass deutlich verbessert. Natürlich gibt es hier und da noch ein wenig Verbesserungspotenzial, aber hoffentlich sehen auch die großen Publisher das sich eine Gamescom noch lohnt und kehren bald zurück. Demzufolge bis zur Gamescom 2023!

  3. Die gamescom war für mich als Besucher ein Erfolg. Ich habe neue Spiele entdeckt, an spaßigen Aktionen teilgenommen und mich mich Rauswurf-Merchandise der Stände eingedeckt.

    Die Abwesenheit großer AAA-Publisher gab kleineren oder neueren Marken den notwendigen Raum um ins Rampenlicht zu rücken. Auf einmal sind Tempest Rising bei THQ, Warhammer 40k Darktide bei Level Infinite und Goat Simulator 3 bei Plaion die interessantesten Titel.

    Auch bei den Aftershow Partys merkt man nichts von einer abgespeckten gamescom. Ich meine fast, dass mehr Community-Events als noch 2019 veranstaltet wurden. Bethesda, CD Project Red, Krafton, Arena Net, Guerilla Games, Yager, Amazon Prime Gaming, Frontier Development, Kakao Games, Pearl Abyss, Techland. Sie alle haben Fans eingeladen den Abend mit ihnen zu verbringen, mit Getränken, Essen und Goodies auf kosten des Hauses.

    Die gamescom 2023 kann gerne ähnlich ausfallen.

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