Start Meinung Gamescom 2020: Unterlassene Hilfeleistung (Fröhlich am Freitag)

Gamescom 2020: Unterlassene Hilfeleistung (Fröhlich am Freitag)

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Ruhe vor dem Sturm:
Ruhe vor dem Sturm: "FIFA"-Hersteller Electronic Arts gehört zu den größten Gamescom-Ausstellern (Foto: Fröhlich)

Die einen waren erst gar nicht dabei, die anderen taten nur das Nötigste: Was bedeutet die Publisher-Zurückhaltung für die Zukunft der Gamescom?

Verehrte GamesWirtschaft-Leser,

als „Surrogat“ hat Jens Kosche die digitale Gamescom 2020 im Vorfeld beschrieben, die am vergangenen Sonntag endete – und der Deutschland-Geschäftsführer von Electronic Arts meinte es ganz bestimmt positiver als das, was Wikipedia an Definitionen anzubieten hat.

Dass es sich auszahlen würde, in seriösem Umfang in das Spielemesse-Surrogat zu investieren, daran hat allerdings nicht mal Electronic Arts als einer der traditionell größten Gamescom-Mieter geglaubt. Denn zum Gelingen der diesjährigen Veranstaltung wurde gerade mal das beigesteuert, was nicht groß stört – hier eine VR-Adaption, dort die mittlerweile zehnte „Sims 4“-Erweiterung.

EA-Neuheiten außerhalb der Eröffnungs-Show Gamescom: Opening Night Live? Fehlanzeige. Die richtigen Knaller – etwa „FIFA 21“ oder gar PlayStation-5-/Xbox-Series-X-Material – hat man vorsichtshalber im Fundus belassen.

Gleiches Bild bei Mitbewerber Ubisoft: Während der Gamescom-Woche herrschte unangenehm lautes Schweigen im Walde. Kaum hatte sich der Messe-Nebel verzogen, schossen die Franzosen aus allen Social-Media-Rohren: Am 10. September, also exakt 14 Tage nach Gamescom: Opening Night Live, wird der Publisher seine Winter-Kollektion auf den Ubisoft-Kanälen zeigen, darunter zwei neue Spiele.

Nach meiner überschlagsmäßigen Rechnung wären das ungefähr zwei Spiele mehr, als Ubisoft auf der Gamescom angekündigt hat.

Beide Konzern-Entscheidungen lassen Zweifel aufkommen, ob das „Naja, Corona halt…“-Narrativ wirklich als Erklärung für die dünne Gamescom-Nachrichtenlage taugt.

Fröhlich am Freitag - die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft
Fröhlich am Freitag – die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft

Dass diese und viele weitere Videospiel-Riesen so ziemlich alles unterlassen haben, um der Gamescom 2020 in dieser kritischen Phase zu Glanz zu verhelfen, ist natürlich kein Zufall – und erst recht kein Einzelfall: Nintendo Direct, Sonys „State of Play“, Microsofts Xbox Games Showcase, Google Stadia Connect, die „Cyberpunk 2077“-Reihe Night City Wire und die jüngste Präsentation von Grafikkarten-Produzent Nvidia – all diese Online-Formate sind Indizien dafür, warum die Gamescom 2021 nicht dort anschließen wird, wo sie 2019 aufgehört hat.

Denn was Marketing-Fixsterne wie Apple und Tesla seit jeher praktizieren, ist mittlerweile Industrie-Standard: Große Marken kommunizieren dann, sobald sie etwas zu kommunizieren haben – und zwar auf eigenem Terrain. Also ohne sich in das Termin-, Vorlauf-, Kosten- und Format-Korsett einer Messe einzwängen zu lassen. Und vor allem: ohne sich die Bühne mit anderen Headlinern teilen zu müssen.

Dass dieser Show-Narzissmus wieder rückabgewickelt werden könnte, erfüllt noch nicht mal den Anfangsverdacht von Wunschdenken.

Wenn E3, CES, IFA oder eben Gamescom nicht analog zur CeBit als Resterampe enden sollen, wird es deshalb eine sehr kluge und vor allem sehr schnelle Idee brauchen, zu welchem Zweck Messe-Hallen, Messe-Websites und Messe-Apps bespielt werden sollen. Kurzum: Braucht man gerade in der digitalen Welt zwingend eine mehrtägige Messe als Weltpremieren-Durchlauferhitzer?

An der Beantwortung dieser Zukunfts-Frage werden Ubisoft und Electronic Arts federführend mitwirken: Die Deutschland-Chefs sitzen im fünfköpfigen Vorstand jenes Industrieverbands, der die Gamescom veranstaltet.

Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen

Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft


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