Start Politik Jugendschutzgesetz tritt am Samstag in Kraft (Update)

Jugendschutzgesetz tritt am Samstag in Kraft (Update)

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"FIFA 21" wurde von der USK ohne Altersbeschränkungen freigegeben (Abbildungen: EA / USK)

Entscheidender Tag für Giffeys Jugendschutzgesetz: Auf der Zielgeraden wurden noch Verschärfungen eingebacken – die Branchenverbände sind auf der Zinne.

Update vom 29. April 2021 (10 Uhr): Das überarbeitete Jugendschutzgesetz tritt am 1. Mai – also am kommenden Samstag – in Kraft. Nach der Zustimmung von Bundestag und Bundesrat hat auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier das Papier unterzeichnet – mittlerweile wurde es im Bundesgesetzblatt veröffentlicht.

Die Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) bereitet sich bereits seit März auf die damit einhergehenden Änderungen vor. Künftig werden ‚Interaktions-Risiken‘ bei der jugendschutzrechtlichen Bewertung berücksichtigt: Darunter fallen beispielsweise In-Game-Chats oder In-Game-Käufe, die insbesondere bei Online-Games und Smartphone-Apps als Industriestandard gelten.

Diese Berücksichtigung wird in der Praxis vorwiegend über sogenannte Deskriptoren in Form von Symbolen und Beschreibungen erfolgen, wie sie bei internationalen Systemen (PEGI, ESRB, IARC) seit langem üblich sind. Nur in Einzelfällen kann es auch zu einer höheren Alterseinstufung kommen – zum Beispiel dann, wenn der Spielehersteller seinerseits keine Einstellungsmöglichkeiten vorsieht.

Als „erheblich einzustufende Risiken für die persönliche Integrität von Kindern und Jugendlichen“ werden im Gesetz explizit „glücksspielähnliche Mechanismen“ sowie „Mechanismen zur Förderung eines exzessiven Mediennutzungsverhaltens“ erwähnt. Inwieweit diese Einstufung beispielsweise auf Spiele angewandt wird, in denen die heftig umstrittenen Lootboxen verbaut sind, wird die USK-Spruchpraxis der kommenden Monate zeigen.

Die ehemalige Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) mit Sitz in Bonn wird zur „Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz“ umgebaut und soll über die Umsetzung wachen. Der Branchenverband Game ist mit dieser Gesamtsituation weiterhin unzufrieden und fürchtet ein „Kompetenz-Chaos“.

Games-Umsatz 2020 in Deutschland: Mobile-Games als großer Gewinner (Stand: 9.4.2021)
Games-Umsatz 2020 in Deutschland: Mobile-Games als großer Gewinner (Stand: 9.4.2021)

Update vom 26. März 2021 (9:45 Uhr): Bei seiner heutigen Sitzung hat der Bundesrat zügig den Tagesordnungspunkt 1 abgeräumt: Für die Reform des Jugendschutzgesetzes gab es eine breite Mehrheit seitens der Länder.

Zuvor hatte Sachsens Staatsminister Oliver Schenk (CDU) das Papier als „Modellpflege“ kritisiert und stattdessen für technische Schutzmechanismen plädiert – weitere Wortmeldungen fanden nicht statt, auch der Vermittlungsausschuss wurde nicht angerufen.

Die Änderungen des Jugendschutzgesetzes könnten damit bereits zum 1. April in Kraft treten, spätestens aber zum 1. Mai 2021. Branchenverbände hatten die Regelungen scharf kritisiert und unter anderem auf die Doppelstrukturen hingewiesen.

Update vom 15. März 2021 (9 Uhr): Nach dem Bundestag wird sich der Bundesrat mit der Reform des Jugendschutzgesetzes beschäftigen – und zwar gleich zu Beginn der nächsten Sitzung am 26. März 2021. Gibt auch der Bundesrat grünes Licht, könnte das Gesetz bereits im April in Kraft treten. Denkbar ist aber auch, dass das Paket zunächst an den Vermittlungsausschuss verwiesen wird.

Update vom 5. März 2021 (15 Uhr): Der Deutsche Bundestag hat am Nachmittag mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen von CDU, CSU und SPD das neue Jugendschutzgesetz beschlossen. Dagegen gestimmt haben die FDP und die Linke – AfD + Bündnis 90/Die Grünen haben sich enthalten. Die Entschließungsanträge der Opposition wurden erwartungsgemäß abgelehnt.

Update vom 5. März 2021 (12 Uhr): Mit der Jugendschutzgesetz-Reform der Bundesregierung setzt sich auch die heutige Freitagskolumne auseinander.

Update vom 5. März 2021 (11 Uhr): Der Parlamentsnachrichtendienst des Bundestags hat die Formulierung „Auch ist vorgesehen, Kostenfallen wie ‚Loot Boxes‘ standardmäßig zu deaktivieren“ aus dem zitierten Beitrag entfernt.

Das federführende Familienministerium bleibt allerdings bei dieser Darstellung. Eine Ministeriums-Sprecherin teilt auf GamesWirtschaft-Anfrage mit: „Die Klarstellung, dass altersgerechte Voreinstellungen insbesondere auch hinsichtlich Lootboxes erfolgen sollen (beziehungsweise bei nicht altersgerechten Voreinstellungen eine Berücksichtigung in der Alterseinstufung selbst erfolgen soll), folgt aus § 10b Abs. 2 und 3 JuSchG in der Fassung des Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen.“

In § 10b Abs. 3 Satz 2 sei klargestellt, dass zu den relevanten Interaktionsrisiken insbesondere Kauffunktionen und glücksspielähnliche Mechanismen gehören, so die Sprecherin. Die Begründung des Änderungsantrags würde ausdrücklich auch Lootboxen dazuzählen.

Meldung vom 4. März 2021 (16:15 Uhr): Am morgigen Freitag (5. März) berät und verabschiedet der Deutsche Bundestag voraussichtlich ab 13:40 Uhr den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Jugendschutzgesetzes, das im Ministerium von Franziska Giffey (SPD) ausgearbeitet wurde.

Das Gesetz sieht unter anderem vor, dass Anbieter von Internetdiensten mit Voreinstellungen dafür sorgen sollen, dass Kinder und Jugendliche vor „Interaktionsrisiken“ wie Mobbing, Cybergrooming, Hassrede und Tracking geschützt werden – was bedeutet, dass Mikrotransaktionen, Kommunikations- und Kontakt-Funktionen, glücksspielähnliche oder glücksspielsimulierende Mechanismen künftig bei der Alterseinstufung zu berücksichtigen sind.

Zusätzlich ist vorgesehen, dass „Kostenfallen wie Loot Boxes“ serienmäßig deaktiviert werden. In populären Spielen wie FIFA 21, Overwatch oder NBA 2K21 können die Spieler solche digitalen Packs gegen Echtgeldeinsatz oder Spielwährung erwerben, in denen beispielsweise seltene Ausrüstungsgegenstände oder Spielfiguren enthalten sind. Dieses Geschäftsmodell steht wegen der Zufalls-/Glücks-Komponente weltweit in der Kritik, in mehreren Ländern ist der Vertrieb von Lootboxen verboten.

Sogenannte „Deskriptoren“ sollen außerdem auf den ersten Blick verdeutlichen, aus welchen Gründen eine Altersfreigabe erfolgt ist – was die bekannten USK- und FSK-Kennzeichen bislang nicht leisten. Außerdem soll die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) zu einer Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz ausgebaut werden. Die Behörde soll künftig von einem zwölfköpfigen Gremium beraten werden, dem auch zwei Vertreter von Kinder- und Jugendverbänden angehören, die nicht älter als 17 Jahre sind.

In dieser Woche hat bereits der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend das Papier abschließend beraten und mit den Stimmen der regierenden Koalition aus CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen von FDP und Linken zur Annahme empfohlen – Grüne und AfD haben sich enthalten. Es spricht also viel dafür, dass der Entwurf den Bundestag passiert.

Bereits im Januar hatte der Ausschuss eine öffentliche Anhörung durchgeführt, zu dem neben dem Deutschen Kinderhilfswerk und Medienwissenschaftlern auch der Verband Privater Medien (VAUNET) und der Branchenverband Game geladen waren. Just diese Verbände wiederholen am Tag vor der entscheidenden Abstimmung erneut ihre Kritik und sprechen davon, dass die Große Koalition die „Chance für einen modernen Jugendschutz verpasst“ habe.

In der gemeinsamen Erklärung mit der Filmwirtschaft (SPIO) und dem Internet-Verband Bitkom warnen die Vertreter von Games- und TV-Branche vor allem davor, dass das Gesetz nicht zu einer Verringerung von Regelungen und Zuständigkeiten, sondern vielmehr zu mehr Komplexität und Unsicherheit für Kinder, Eltern und Anbieter führt. Funktionierende Instrumente würden geschwächt.

Die Vorschläge, die von den Verbänden in den Gesetzgebungsprozess eingebracht worden seien, würden „weitestgehend nicht umgesetzt“. Im Gegenteil habe es kurz vor Ende des Verfahrens noch gravierende Änderungen gegeben, die den Handlungsspielraum der Selbstkontrollen begrenzen würden. Des Weiteren sei mit Doppelzuständigkeiten und Kompetenz-Überschneidungen von Bund und Ländern zu warnen. Außerdem könnten sich Anbieter mit Sitz im europäischen Ausland den Regelungen entziehen.