Start Politik Giffeys Jugendschutzgesetz: Bundestag diskutiert über Lootboxen (Update)

Giffeys Jugendschutzgesetz: Bundestag diskutiert über Lootboxen (Update)

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Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) - Foto: Deutscher Bundestag / Achim Melde
Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) - Foto: Deutscher Bundestag / Achim Melde

Drei Lobbyverbände, ein gemeinsamer Protest: Bitkom, VAUNET und Game-Verband warnen vor Rechtsunsicherheiten in Giffeys Jugendschutzgesetz.

Update vom 16.12.2020 (15 Uhr): In der vorletzten Sitzung des Jahres wird sich der Bundestag am Abend in erster Lesung mit der Reform des Jugendschutzgesetzes auseinandersetzen (voraussichtlich ab ca. 19:20 Uhr – Live-Übertragung auf bundestag.de).

Nach der halbstündigen Aussprache wird der Entwurf zur weiteren Beratung in den Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend verwiesen.

Mit dem Gesetz will Familienministerin Franziska Giffey (SPD) vor allem Kinder und Jugendliche vor Online-Mobbing, Hassrede, Tracking, simuliertem Glücksspiel und Kostenfallen im Netz besser schützen. In der Drucksache 19/24909 explizit erwähnt sind „glücksspielähnliche Elemente wie Lootboxen“, wie sie etwa in FIFA 21 verbaut sind.

Zusätzlich sollen Hilfs- und Beschwerdesysteme vorgeschrieben werden. Eine der am umstrittensten Neuerungen betrifft den Umbau der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) zur „Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz“.

Im Vorfeld der Bundestagsdebatte verweisen Lobbyverbände wie der Game weiterhin auf „Überarbeitungsbedarf“: Mit dem aktuellen Entwurf werde viel versprochen, was tatsächlich gar nicht eingelöst werde, heißt es in einer heute veröffentlichten Stellungnahme. Werde das Gesetz umgesetzt, würde dies zu noch mehr Verwirrung bei Eltern und Anbietern führen.

Update vom 14.10.2020 (18 Uhr): Die Bundesregierung hat der Reform des Jugendschutzgesetz wie erwartet zugestimmt. Im nächsten Schritt wird der Bundestag über das Reform-Paket beraten.

Meldung vom 14.10.2020 (10 Uhr): Immer mittwochs treffen sich die Bundesminister im Kanzleramt. Heute unter anderem auf der Tagesordnung des Bundeskabinetts: der Gesetzentwurf zur Reform des Jugendschutzes, ausgearbeitet von Familienministerin Franziska Giffey (SPD).

Das Dokument hatte schon im Vorfeld für erheblichen Widerstand bei Landesmedienanstalten und Verbänden gesorgt. Einig sind sich alle Seiten bestenfalls im Ziel: Kinder und Jugendliche in einer digitalen Medienwelt besser zu schützen, gerade mit Blick auf Online-Angebote. Doch die konkrete Ausgestaltung ist umstritten – insbesondere hinsichtlich der künftigen Kompetenzen von Bund und Ländern. So soll es nach Giffeys Vorstellungen eine Art Bundesprüfstelle 2.0 in Form einer „Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz“ geben – auch die gelernten Alterskennzeichen für Film (FSK) und Computerspiele (USK) würden überarbeitet.

So sollen „Zusatzfunktionen“ und „Kostenfallen“ – etwa die umstrittenen Lootboxen wie im Falle von FIFA 21 oder glücksspielsimulierende Elemente in Games – zu einer höheren Alterseinstufung führen.

Zuspruch kommt unter anderem von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Deren stellvertretende Vorsitzende Nadine Schön begrüßt die Reform des Jugendmedienschutzes: „Eine Novellierung ist dringend erforderlich. Das derzeit geltende Gesetz stammt noch aus einer Zeit, in der es weder Smartphones oder Online-Games noch Plattformen wie YouTube, WhatsApp oder Instagram gab.“

Die Plattformbetreiber würden nach Schöns Darstellung stärker in die Verantwortung genommen, etwa durch die Vorgabe, sichere Voreinstellungen vorzunehmen und „geeignete Altersprüfungen einzuführen“. Diskussionsbedarf sieht die Union noch beim System der Alterskennzeichnung, die auch „Interaktionsrisiken“ wie Kommentarfunktion und Kaufoption einbezieht. Dennoch: Der erste Schritt für einen verbesserten Jugendmedienschutz sei getan.

Auch das Deutsche Kinderhilfswerk würdigt Giffeys Entwurf und nennt das Dokument „überfällig“. Wirtschaftliche Interessen dürften nicht auf Kosten der Integrität von Kindern verfolgt werden, mahnt Kinderhilfswerk-Präsident Thomas Krüger. So würden versteckte Kaufappelle an Kinder und Jugendliche in Spiele-Apps stärker in den Blick genommen, wie sie etwa die Stiftung Warentest bei einer Untersuchung im Herbst 2019 gefunden hat.

Ganz anders wird der Entwurf naturgemäß von drei Lobbyverbänden bewertet, die heute in einer gemeinsamen Stellungnahme ihre Kritik vorbringen.

Bitkom-Geschäftsführerin Susanne Dehmel warnt vor „massiver Rechtsunsicherheit“, da klare Zuständigkeiten und Vereinheitlichungen fehlen. Bisher habe der Bund Trägermedien wie CD-ROMs und DVDs geregelt, die Länder waren für Online-Dienste und Rundfunk zuständig – eine Trennung, die sich nicht mehr aufrecht erhalten lässt, weil die Verbreitungswege zusammenwachsen. „Offenbar aufgrund mangelnder Abstimmung mit den Ländern wird im Ergebnis in vielen Bereichen noch unklarer sein als jetzt schon, ob Landes- oder Bundesrecht anzuwenden ist und welche Aufsichtsbehörde zuständig sein wird“, kritisiert Dehmel.

Als Hauptrednerin beim Game-Sommerfest 2019 (hier mit Game-Vorstand Ralf Wirsing und Geschäftsführer Felix Falk) kündigte Franziska Giffey (SPD) die Eckpunkte für ein neues Jugendmedienschutzgesetz an (Foto: Game / James Coldrey)
Als Hauptrednerin beim Game-Sommerfest 2019 (hier mit Game-Vorstand Ralf Wirsing und Geschäftsführer Felix Falk) kündigte Franziska Giffey (SPD) die Eckpunkte für ein neues Jugendmedienschutzgesetz an (Foto: Game / James Coldrey)

Game-Geschäftsführer Felix Falk verweist auf die bereits bestehenden „hohen Jugendschutzstandards“, die im Games-Bereich vorherrschen. Im aktuellen Gesetzentwurf werde viel versprochen, was gar nicht eingelöst werde – Eltern und Anbietern würden „noch mehr verwirrt“. Nun sei der Bundestag gefragt, die Kritik – etwa vonseiten der Freiwilligen Selbstkontrollen oder der Länder – aufzugreifen und einzuarbeiten. Falk: „Es ist dringend erforderlich, die Kompetenzen zwischen Bund und Ländern klar aufzuteilen, die Freiwilligen Selbstkontrollen zu stärken, die Alterskennzeichen nicht zu verwässern und wirklich medienkonvergente Lösungen zu finden, die auch moderne technische Jugendschutzlösungen berücksichtigen.“

Der Verband Privater Medien (VAUNET) beklagt ebenfalls Doppelregulierung und Doppelstrukturen, wo doch die Selbstregulierung „gut funktioniere“. Kinder- und Jugendschutz lägen im „ureigensten Interesse der Medienunternehmen“, findet VAUNET-Geschäftsführerin Daniela Beaujean.

Auch die FDP hat sich den Gesetzentwurf genauer angesehen und Anfang Oktober ein Positionspapier veröffentlicht. Als medienpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion übt Thomas Hacker scharfe Kritik: „Der Entwurf des Familienministerium vereint weder Interessen von Minderjährigen, Eltern und Plattformbetreiber noch schafft er einheitliche Standards zwischen Bund und Ländern.“ Die Freien Demokraten drängen unter anderem auf technische Jugendschutzsysteme, eine Beibehaltung der freiwilligen Selbstkontrollen und eine Stärkung der Medienkompetenz.

Giffeys Entwurf wird also sehr unterschiedlich bewertet – in einzelnen Punkten stehen sich Gegner und Befürworter diametral gegenüber. Deshalb ist zu erwarten, dass es im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu umfassenden Nachbesserungen kommt. Dass das Bundeskabinett das Gesetzespaket absegnet, gilt als sicher – im Anschluss wird sich der Deutsche Bundestag damit beschäftigen. Am Ende des Verfahrens muss auch noch der Bundesrat zustimmen: Stellen sich Länder quer, könnte die Reform als Ganzes durchfallen.