Nicht mehr um jeden Preis will Mutterkonzern MTG an InnoGames festhalten. Was bedeutet das eigentlich für Hamburgs Vorzeige-Entwickler?
Verehrte GamesWirtschaft-Leser,
mal angenommen, Sie besitzen zwei Miets-Häuser in unterschiedlichen Vierteln der selben Stadt.
Das erste Haus liefert Ihnen seit Jahren konstante, kalkulierbare und überdurchschnittliche Mieteinnahmen und Renditen. Der Laden läuft einfach. Noch besser: Der Wert des Hauses ist seit dem Kauf kräftig gestiegen – das Anwesen könnte mittlerweile zu einem strammen Preis veräußert werden.
Das zweite Haus ist seit Jahren ein Draufzahlgeschäft: Ständig muss in die Sanierung, Modernisierung und Erweiterung investiert werden. Allerdings prophezeien Experten, dass das Viertel, in dem das Haus steht, in nicht allzu ferner Zukunft durch die Decke geht. Die Liegenschaft könnte sich dann buchstäblich zu einer äußerst gefragten Adresse entwickeln. Die Fantasie ist also viel größer als beim ersten Haus. Der Haken: Auch im laufenden Jahr hat das Gebäude wieder Verluste in Millionen-Höhe eingefahren. Ob sich das 2020 ändert? Fraglich.
Was tun Sie? Beide behalten? Eines veräußern? Und wenn ja, welches?
Ihre Entscheidung hängt ein bisschen von Ihrem Naturell ab – ob Sie eher konservativ planen, also auf Nummer Sicher gehen, oder ob die Zocker-DNA überwiegt. Und natürlich davon, ob Sie Vorstands-Chef eines börsennotierten Unternehmens sind. Denn die geschilderte Situation ist exakt jene, mit der sich der schwedische Medienkonzern MTG (Modern Times Group) bei seinen beiden deutschen Töchtern beschäftigt.
Haus Nummer 1 ist InnoGames, ein Online- und Mobilegames-Entwickler aus Hamburg. Hochprofitabel, aber wenig Glamour. Mit über 400 Mitarbeitern wurde 2018 ein Umsatz jenseits von 170 Mio. Euro erwirtschaftet – mehr schafft kein anderes deutsches Studio. MTG hat sich dort vor ziemlich genau drei Jahren eingekauft und 2017 den Anteil auf 51 Prozent erhöht. 133 Millionen Euro hat MTG bislang den drei Gründern gezahlt. Wenn die Schweden den ganzen Kuchen haben wollen (was vertraglich von vornherein vereinbart wurde), müssten sie roundabout denselben Betrag nochmal auf den Tisch legen.
Haus Nummer 2 ist das eSport-Geschäft mit den Marken ESL und DreamHack. Hochdefizitär, aber ungleich mehr Glamour. Für ESL-Turniere werden üblicherweise Stätten wie die LANXESS Arena oder die Barclaycard Arena gebucht – Weltmarken wie DHL, Mercedes, McDonald’s, Vodafone oder Intel werben dort. Ob und wie sich mit diesem Modell auf Dauer Geld verdienen lässt, ist noch offen.
Der MTG-Vorstand hat sich aus strategischen Gründen dafür entschieden, auf die riskantere, aber mit (wahrscheinlich) höherem Hebel ausgestattete eSport-Karte zu setzen. Dadurch würde MTG zu einer reinen eSport-Firma, inklusive US-Börsen-Listung und allem Pipapo.
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Auf dem Weg dorthin prüft MTG in den kommenden Wochen verschiedene Modelle, wie sich die profitable Games-Sparte gewinnbringend abspalten ließe – etwa in Form eines Joint-Ventures. Keine Option wird ausgeschlossen. Was einschließt, dass InnoGames in Teilen oder als Ganzes veräußert wird. Dagegen wehren könnte sich das vor kurzem aufgestockte InnoGames-Management nicht, denn MTG hält ja die Mehrheit.
InnoGames-Gründer und -Immer-noch-CEO Hendrik Klindworth gibt sich gelassen: „MTG hält weiterhin Anteile an InnoGames und wir arbeiten gut und gerne zusammen“, sagt er gegenüber GamesWirtschaft. „Das strategische Review soll MTGs Gaming-Sparte zusätzliche Wachstumsmöglichkeiten bieten. Welche Schritte dafür unternommen werden, wird das Review zeigen.“
Jetzt wird erst mal die Braut hübsch gemacht: InnoGames hat zuletzt zusätzliche Millionen ins Marketing gepumpt. Nur so konnte verhindert werden, dass die Zahl der Nutzer von Klassikern wie „Forge of Empires“ im dritten Quartal weiter sinkt. Darunter hat die Marge gelitten. Trotzdem bleibt InnoGames natürlich eine gute Partie: Mögliche Verehrer kommen laut Reuters aus dem US-amerikanischen oder südostasiatischen Raum – dort lockt das größte Potenzial für das InnoGames-Sortiment. Bislang stammt der Löwenanteil des Umsatzes aus Deutschland und Europa.
Bei den Aktionären kam der mögliche eSport-Stunt jedenfalls schon mal richtig gut an: Nach monatelanger Talfahrt schoss die MTG-Aktie in dieser Woche um ein Drittel nach oben. Zur guten Laune dürfte auch beigetragen haben, dass MTG überschüssiges Spielgeld im Anschluss an die Anteilseigner ausschütten will.
Wie auch immer das Ergebnis des angestoßenen Prozesses ausfällt: Es spricht viel dafür, dass der erfolgreichste deutsche Spiele-Entwickler 2020 unter neuer Flagge segelt.
Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen
Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft
Alle Folgen der Kolumnen-Reihe finden Sie in der Rubrik „Meinung“