Darf in Deutschlands Computerspiele-Industrie auch an Sonn- und Feiertagen gearbeitet werden? Eigentlich nicht – doch es gibt Ausnahmen.
Sonntagsarbeit ist in Deutschland grundsätzlich verboten. Das gilt auch und gerade für gesetzliche Feiertage, etwa Allerheiligen (regional) oder den Tag der Deutschen Einheit (bundesweit). Dass der Pastor trotzdem von der Kanzel predigt, dass Bäckereien und Cafés frische Brötchen anbieten, dass Kongresszentren, Messen und Rummelplätze geöffnet sind, dass verderbliche Ware in LKWs quer durchs Land fahren und dass Ärzte und Pfleger auch an Sonn- und Feiertagen praktizieren, liegt an den gesetzlich festgelegten Ausnahme-Tatbeständen.
Die lange Liste an Ausnahmen findet sich im Arbeitszeitgesetz. Entscheidend ist, dass die Arbeit nicht an Werktagen – also von Montag bis Samstag – vorgenommen werden kann. Was beim Pastor, Bäcker, Schiffschaukelbremser und im OP-Saal zwangsläufig der Fall ist.
Und in der Computerspiele-Branche? Bei Programmierern, Grafikern, Community-Managern, Spieldesignern?
Hier sorgen vor allem die sogenannten „Crunch Times“ für Debatten: Damit sind die Schluss-Spurte in der Spiele-Entwicklung gemeint, damit das Spiel oder das Update noch rechtzeitig fertig wird – sprich: viel Stress, wenig bis kein Schlaf.
„Dabei geht es nicht nur um Sonntagsarbeit, sondern auch um das Nichteinhalten der gesetzlichen Höchstarbeits-, Pausen- und Ruhezeiten“, weiß Rechtsanwältin Angela Schilling von der Frankfurter Kanzlei Beiten Burkhardt. Schilling hat für ein Unternehmen aus der deutschen Spiele-Industrie die „Feststellung des Vorliegens einer Ausnahme vom Verbot der Sonntagsarbeit“ erwirkt. „Das Thema kann im Spielebereich vor allem dann akut werden, wenn eine kurzfristige Reaktion auf Spielerverhalten erforderlich wird – zum Beispiel die Behebung von technischen Problemen oder die Reaktion auf unangemessene Verhaltensweisen von Spielern.“
Der Arbeitgeber kann und darf selbst beurteilen, ob die von ihm geplanten Arbeiten ausnahmsweise auch an einem Sonn- oder Feiertag durchgeführt werden dürfen – eine behördliche Genehmigung ist nicht erforderlich. „Er trägt dann aber auch das Risiko, dass seine Einschätzung falsch und die Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen somit rechtswidrig ist.“ Aus diesem Grund könne die zuständige Aufsichtsbehörde auch auf Antrag des Arbeitgebers feststellen, ob ein Ausnahmetatbestand vorliegt. Nebeneffekt: Der Arbeitgeber erlangt dadurch Rechtssicherheit.
Umgekehrt können Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz zu erheblichen Bußgeldern und im schlimmsten Fall sogar zu einer Freiheitsstrafe führen, etwa bei vorsätzlicher Begehung oder beharrlicher Wiederholung.
Was wären nun mögliche Ausnahmetatbestände? „Ob eine Ausnahme vom grundsätzlichen Verbot der Sonn- und Feiertagsarbeit Anwendung findet, richtet sich nicht allgemein nach dem Unternehmensgegenstand, sondern nach den konkreten Arbeitsaufgaben, die am Sonntag oder an Feiertagen ausgeführt werden sollen“, weiß Anwältin Schilling. „Hier kann es je nach Art des Computerspiels erhebliche Unterschiede geben. Soweit das Spiel online live gespielt wird, vielleicht sogar im Rahmen eines Wettkampfes, kann dies möglicherweise als eine kulturelle Veranstaltung ähnlich einer Theater-, Film- oder Musikvorführung oder als eine moderne Sport- oder Freizeiteinrichtung zu werten sein.“ Auch die erforderliche Aufrechterhaltung der technischen Funktionsfähigkeit des Spiels über den Sonn- oder Feiertag(en) hinweg kann zur Zulässigkeit der Beschäftigung von Arbeitnehmern an diesen Tagen führen.
Aber: „Nur bestimmte Tätigkeiten eines Games-Unternehmens können ausnahmsweise erlaubt sein. Für jede am Sonn- oder Feiertag geplante Arbeit muss deren Zulässigkeit daher individuell geprüft werden.“
Die Sonn- und Feiertagsruhe ist im Übrigen eine ziemlich „deutsche“ Besonderheit – ein Pendant auf europäischer Ebene existiert nicht. Einen Standort-Nachteil sieht Schilling darin nicht, weil es eben so viele Ausnahmen vom Grundsatz gibt – in berechtigten Fällen auch in der Spiele-Branche.
Passend zum Thema: Das Bundesarbeitsgericht hat im Oktober 2018 festgestellt, dass Reisezeit (etwa zu Messen oder Events) als Arbeitszeit gilt. Alle Informationen zu diesem Urteil finden Sie hier.