Start Wirtschaft Online-Glücksspiel: „Keine Auswirkungen auf Games-Branche“

Online-Glücksspiel: „Keine Auswirkungen auf Games-Branche“

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Der Game-Verband mit Sitz in Berlin vertritt mehr als 300 Spielehersteller und Studios in Deutschland.
Der Game-Verband mit Sitz in Berlin vertritt mehr als 300 Spielehersteller und Studios in Deutschland.

Noch ist Online-Glücksspiel in 15 von 16 Bundesländern illegal – 2021 wird sich das ändern. Ein neuer Staatsvertrag birgt Potenzial für die deutsche Games-Branche.

Ende Januar 2017, also vor ziemlich genau drei Jahren: Verbands-Geschäftsführer Felix Falk ist zwar erst wenige Tage im Amt, fackelt aber nicht lange. Ergebnis: Die Studio-Tochter des Automaten-Riesen Gauselmann („Merkur“, 3,6 Mrd. Euro Umsatz, 13.000 Mitarbeiter) fliegt aus dem BIU, dem Vorläufer-Verband des heutigen Game.

Die Botschaft war klar: Weder würden Glücksspiel-Entwickler in den eigenen Reihen geduldet noch würde der Verband die Interessen von Glücksspiel-Anbietern vertreten.

Seitdem sieht sich die Spiele-Branche mit regelmäßig aufflackernden Glücksspiel-Debatten konfrontiert:

  • So sind sogenannte Lootboxen in einigen EU-Ländern eingeschränkt oder ganz verboten – auch in Deutschland haben sich Parteien, Parlamente und Ministerien mit geldwerten Zufalls-Inhalten auseinander gesetzt.
  • Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) beschäftigt sich seit Oktober 2019 auf Initiative von Satiriker Jan Böhmermann mit der App „Coin Master“. Die Kernfrage: Welches Suchtpotenzial birgt simuliertes Glücksspiel, insbesondere dann, wenn es sich (auch) an Minderjährige richtet?
  • Eine aktuelle Studie der Uni Hamburg belegt, wie sich Glücksspiel- und Videospiel-Industrie immer weiter annähern: „Simulierte Glücksspiele sind dabei strukturgleich mit klassischem Glücksspiel und können erheblichen Einfluss auf den Übergang und das Spielverhalten zu traditionellen Glücksspielformen mit monetären Einsätzen ausüben.“

Ab kommendem Jahr werden für das Online-Glücksspiel in Deutschland komplett neue Spielregeln gelten: Die Reform des Glücksspiel-Staatsvertrags sieht vor, dass Online-Casinos legalisiert werden, und zwar bundesweit. Bislang stellt lediglich Schleswig-Holstein entsprechende Lizenzen aus, sehr zum Missfallen anderer Bundesländer, die sich offiziell um Spielsüchtige und inoffiziell um Steuereinnahmen sorgen.

Offenkundig ist: Für Games-Entwickler und Portalbetreiber ergeben sich durch die Liberalisierung beim Online-Glücksspiel theoretisch neue Umsatzpotenziale in einem bislang unerschlossenen Milliarden-Markt, zumal Online- und Mobilegames-Studios ohnehin jahrelange Erfahrung mit Gamedesign und Appstore-Mechaniken mitbringen.

Felix Falk, Geschäftsführer Game e. V.
Felix Falk, Geschäftsführer Game e. V.

Beim Industrieverband Game sieht man dieser Entwicklung gelassen entgegen: „Der jetzt neu geschlossene Glücksspiel-Staatsvertrag adressiert die Glückspielindustrie und hat keine Auswirkungen auf die Games-Branche“, betont Verbands-Geschäftsführer Falk. „Anders als bei Games steht bei Glücksspielen der potenzielle Gewinn von Geld oder anderen Wertgegenständen im Mittelpunkt.“ Die deutlichen Unterschiede würden sich aber nicht nur bei den Inhalten zeigen – auch mit Blick auf die Akteure wird schnell deutlich, dass es sich um zwei eigenständige Wirtschaftszweige handelt. „Im Game können ausschließlich Unternehmen und Institutionen der Games-Branche selbst Mitglied sein oder werden. Das schließt Akteure aus dem Bereich des Glücksspiels aus.“

Games-Umsatz 2018 in Deutschland - im Vergleich zu Musik und Film (Stand: April 2019)
Games-Umsatz 2018 in Deutschland – im Vergleich zu Musik und Film (Stand: April 2019)

Allerdings: Die Glücksspiel-Branche drängt schon jetzt erkennbar auf den deutschen Computerspiele-Markt. Durch Beteiligungen sind die Grenzen zunehmend fließend:

  • So hat sich die Gauselmann-Gruppe mit einem Millionen-Investment am Berliner Spiele-Entwickler TreasureHunt („Pet Paradise“) beteiligt.
  • Das ebenfalls in Berlin ansässige Mobilegames-Studio Wooga wurde Ende 2018 vom israelischen Social-Online-Casino-Weltmarktführer Playtika („Caesars Casino“) übernommen.
  • Mit Huuuge Games („Billionaire Casino“) und Whow Games (jackpot.de) gibt es weitere Studios in Deutschland, die Casino-Games und -Portale entwickeln und betreiben.
  • Sportwetten-Anbieter treten als Sponsoren von E-Sport-Events und -TV-Formaten auf, etwa Bwin bei Sport1.
  • Auswirkungen der Liberalisierung sind auch auf Plattformen wie Twitch oder YouTube zu erwarten: Für Werbung in Form von Influencer-Streams gäbe es mehr Spielraum.

Bereits im Sommer 2021 soll der neue Glücksspiel-Staatsvertrag in Kraft treten. Zuvor muss der ausgehandelte Kompromiss noch von den Bundesländern bestätigt werden.