Politiker der bayerischen Regierungskoalition aus Freien Wählern und CSU wollen sich für eine Reform des Jugendschutzgesetzes einsetzen. Im Fokus: Lootboxen.
Computerspiele mit kostenpflichtigen, zufallsgenerierten Zusatz-Inhalten („Lootboxen“) sollen stärker reguliert und im Zweifel nur noch volljährigen Nutzern zugänglich gemacht werden.
Dies sieht ein Antrag der Freien Wähler vor, die seit der Landtagswahl 2018 zusammen mit der CSU von Ministerpräsident Markus Söder die Regierungskoalition in Bayern bilden.
Die Drucksache 18/2872 trägt die Überschrift „Lootboxen, Gewinnversprechen & Co.: Mehr Jugendschutz bei suchterzeugenden, glücksspielähnlichen Elementen in Online-Games“ und ist datiert vom 4. Juli 2019. Neben den 27 Abgeordneten der Freien Wähler (darunter der langjährige TV-Richter Alexander Hold) hat sich auch mehr als ein Drittel der 85 CSU-Abgeordneten dem Antrag angeschlossen, unter anderem prominente Unions-Politiker wie die einstigen Justizminister Winfried Bausback und Beate Merk.
Die Staatsregierung wird aufgefordert, sich für die verstärkte Aufklärung von Kindern, Jugendlichen und Erziehungsberechtigten über die Risiken der Suchtgefährdung von Computerspielen und darüber hinaus für eine Reform des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags einzusetzen.
Derzeit hätten weder Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) noch Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) eine Handhabe, um Spiele mit „glücksspielhaften Inhalten“ nur volljährigen Spielern zugänglich zu machen. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen müssten entsprechend angepasst werden. Erwachsene Nutzer sollten zusätzlich mit einem Siegel vor Glücksspiel-Elementen gewarnt werden.
Freie Wähler: Spieler werden von den Herstellern systematisch zu Lootboxen verführt
Zur Begründung verweist Freie-Wähler-Generalsekretärin Susann Enders darauf, dass spielrelevante Inhalte in einigen Fällen ausschließlich über Lootboxen vertrieben würden. „Spielerinnen und Spieler werden von den Herstellern systematisch dazu verführt, Lootboxen zu öffnen, um innerhalb des Spiels konkurrenzfähig zu bleiben. Denn diese ‚Beuteboxen‘ erweitern die Möglichkeiten der Spieler um virtuelle Gegenstände und zufallsbasierte Zusatzinhalte.“
Sobald echtes Geld für Inhalte bezahlt werden müsse, käme dies einer Art Lotterie für den individuellen Spielfortschritt gleich und führe zu steigendem Suchtpotenzial – gerade Kinder und Jugendliche würden sich in „virtuellen Scheinwelten“ weltweit miteinander messen. Der hohe emotionale Druck führe wiederum dazu, dass Minderjährige ihr komplettes Taschengeld für virtuelle Zusatzinhalte einsetzen.„Deshalb benötigt das Jugendschutzgesetz hier dringend ein Update“, so Enders.
Hintergrund: Im Falle der Fußballsimulation „FIFA 19“ (USK 0), die sich alleine in Deutschland mehr als 1,5 Millionen Mal verkauft hat, kann der Spieler gegen Echtgeld-Einsatz zusätzliche digitale Packs für den Mehrspieler-Modus „FIFA Ultimate Team“ (FUT) kaufen. Je mehr „FIFA Points“ der Spieler zum Beispiel in ein „Silber Pack“ oder „Premium Gold Pack“ investiert, desto höher sind die Chancen auf besonders seltene, wertvolle und begehrte Kicker, die wiederum auf dem Ingame-Transfermarkt die höchsten Preise erzielen. Die Wahrscheinlichkeit, einen Messi, Mbappé oder Ronaldo zu „ziehen“, liegt bei unter 1 Prozent. Länder wie Belgien oder die Niederlande haben derartige Lootbox-Mechaniken bereits verboten – gleichlautende Forderungen kommen unter anderem von deutschen Glücksspielsucht-Initiativen und der Krankenkasse DAK.
Familienministerin Giffey will Lootboxen bei der Altersfreigabe berücksichtigen
Das Thema bewegt gerade die Freien Wähler schon seit mehreren Jahren. Mit einem Dringlichkeitsantrag hatte die Partei im Dezember 2017 das EA-Spiel „Star Wars: Battlefront 2“ zum Anlass genommen, um auf eine Gesetzesänderung hinzuwirken – was damals am Veto der alleinregierenden CSU gescheitert war. Im Wahlprogramm für die Landtagswahl 2018 hatte die Partei angekündigt, gängige Pay2Win-Geschäftspraktiken im Zusammenhang mit Lootboxen unterbinden zu wollen.
Mit ihrem Vorstoß dürften die bayerischen Abgeordneten offene Türen in der Berliner Politik einrennen: Erst im Februar hatte sich Familienministerin Franziska Giffey (SPD) für eine Kennzeichnung von Spielen ausgesprochen, die Lootboxen enthalten. Auch auf die Altersfreigabe müssten sich Lootboxen auswirken.
Beim Industrieverband Game sieht man die Sache naturgemäß völlig anders. Demnach sind Lootboxen nicht mit Glücksspiel-Mechanismen zu vergleichen, sondern entsprechen vielmehr dem digitalen Pendant zu Überraschungs-Eiern und Panini-Sammelbildern. Nahezu gleichlautend fiel die Argumentation von „FIFA 19“-Hersteller Electronic Arts in einer Anhörung vor der britischen Glücksspielkommission vor wenigen Wochen aus, an der auch ein Vertreter von Epic Games („Fortnite“) teilnahm.
Der Antrag von Freien Wählern und CSU wurde zwischenzeitlich in den Sozialausschuss verwiesen – neue Erkenntnisse sind nach der parlamentarischen Sommerpause des bayerischen Landtags ab Ende September 2019 zu erwarten.