Start Politik Freie Wähler Bayern: „Jugendliche vor Pay2Win schützen“

Freie Wähler Bayern: „Jugendliche vor Pay2Win schützen“

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Hubert Aiwanger ist Spitzenkandidat und Partei-Chef der Freien Wähler in Bayern (Foto: Freie Wähler / Mauricio Dreher)
Hubert Aiwanger ist Spitzenkandidat und Partei-Chef der Freien Wähler in Bayern (Foto: Freie Wähler / Mauricio Dreher)

Kostenpflichtige Loot-Boxen erst ab 18 Jahren? Genau das fordern die Freien Wähler, die gute Chancen auf eine Regierungsbeteiligung in Bayern haben.

Insbesondere in den Kommunen sind die Politiker der Freien Wähler (FW) stark vertreten: Die Partei stellt Hunderte Bürgermeister im ganzen Freistaat. Die Partei schreibt sich auf die Fahnen, unter anderem die Abschaffung des ungeliebten achtjährigen Gymnasiums (G8) vorangetrieben zu haben.

Die ordentlichen Umfragewerte von 11 Prozent (Stand: 12.9.2018) könnten nun dazu führen, dass die Freien Wähler gemeinsam mit der CSU plus möglicherweise einem dritten Partner – etwa der FDP – eine Koalition schmieden. Was insofern passen würde, da Programm und Wählerklientel tendenziell dem konservativ-bürgerlich-liberalen Spektrum zuzurechnen sind.

Bundesweite Schlagzeilen machte die Partei im vergangenen Jahr: In einem Dringlichkeitsantrag forderten die Freien Wähler, die umstrittenen „Lootboxen“ („Beuteboxen“) in Computerspielen erst ab 18 Jahren zuzulassen, weil sie Kinder und Jugendliche unter Druck setzen und das Glücksspiel befördern. Das Thema wurde nicht nur im Landtag debattiert, sondern findet sich nun auch im Wahlprogramm wieder – ebenso wie die Forderung nach einem Wiederverkauf gebrauchter Computerspiele und E-Books („Digitaler Secondhand“).

Es ist keineswegs ausgeschlossen, dass Parteichef Hubert Aiwanger und die Freien Wähler bei der künftigen Games-Politik in Bayern ein gewichtiges Wörtchen mitreden – dann nicht mehr aus der Opposition heraus, sondern mit Regierungsverantwortung. Daher haben wir die Partei gebeten, ihre Ideen für den Games-Standort Bayern zu formulieren.

Freie Wähler Bayern: „Pflichtfach Informatik an allen weiterführenden Schulen“

Wie beurteilen Sie die derzeitige Position Bayerns als Standort für Entwickler von Computerspielen und Mobilegames?

National belegt Bayern bei der Verteilung von Startups in Deutschland Platz drei nach Berlin und knapp nach Nordrhein-Westfalen. Die Berliner Startup-Szene ist durchaus dynamischer und „bunter“ als in Bayern.

Allerdings beobachten wir hierzulande seit einigen Jahren eine neue Dynamik von Startups mit sehr guter Substanz. Die Stärken in Bayern liegen sicher bei den Top-Universitäten, die Gründungen offensiv fördern, den ansässigen internationalen Unternehmen, die junge und gut ausgebildete Köpfe anziehen sowie der allgemein guten Wirtschaftsstruktur.

Diese stellt aber auch einen kleinen Nachteil dar, da die Risikobereitschaft junger Talente etwas geringer ist, wenn alternativ sichere und hochbezahlte Arbeitsplätze in Industrie und Dienstleistung winken. Auch international muss sich Bayern nicht verstecken, besonders in den ansässigen Wirtschaftsbereichen gibt es äußerst vielversprechende Startups.

Durch welche ganz konkreten Maßnahmen will Ihre Partei den Games-Standort Bayern stärken und ausbauen? Wie will Ihre Partei die Rahmenbedingungen für Startups und Gründer verbessern?

Die beiden Fragen werden gemeinsam beantwortet:

Wir drängen darauf, dass die im Koalitionsvertrag auf Bundesebene beschlossenen Verbesserungen für Startups zügig umgesetzt werden und unterstützen auch die Maßnahmen des Freistaats wie den GründerHub Bayern, die Imagekampagne „Gründerland.Bayern“, die Stärkung des Wagniskapitalangebots und die Gründung von sieben digitalen Gründungszentren in ganz Bayern.

Wir fordern außerdem ganz allgemein einen Bürokratie-Praxis-Check im Vorfeld von neuen Gesetzen und Verordnungen, ein zusätzliches, unabhängiges Bürokratie-Kontrollgremium und eine bessere Abstimmung bei sich inhaltlich überlappenden Fachgesetzen. Speziell für neue Unternehmen wollen wir Unternehmensgründungen durch Fast Lanes digital und an einem Tag ermöglichen.

Mit dem Finanzierungsnetzwerk BayStartUP, Bayern Kapital, dem Wachstumsfonds Bayern und dem EFRE-Risikokapitalfonds stehen in Bayern einige staatliche Wagniskapitalfördermöglichkeiten zur Verfügung. Trotzdem hinkt Bayern beim Wagniskapital gegenüber Berlin deutlich hinterher, vom internationalen Vergleich gar nicht zu sprechen.

Hier kommt ein Kernproblem der bayerischen Wirtschaftsförderung zum Vorschein: Es werden ständig neue Förderprogramme verkündet und entsprechend vermarktet, was zu einer unüberschaubaren Zahl an Programmen führt, die meist äußerst bürokratisch, aufwändig und wenig effektiv sind, was auch der Bayerische Oberste Rechnungshof vergangenes Jahr kritisiert hat. Hier fordern wir eine Straffung der Programme, so dass diese auch für die Antragsteller leichter zu überblicken und wahrzunehmen sind.

Ferner gewinnen eine ökonomische Grundbildung und unternehmerische Kompetenzen in unserer modernen Gesellschaft zunehmend an Bedeutung. Es ist daher aus Sicht der Freien Wähler notwendig, nicht nur einen qualitativ hochwertigen Wirtschaftsunterricht, sondern auch die Öffnung der Schule in die Lebenswelt und den Ausbau von Kooperationen zwischen Schulen und Unternehmen vor Ort zu fördern.

Denn auch wenn theoretisches Wissen die Grundlage für wirtschaftliches Verständnis schafft, motiviert vor allem der Einblick in die Praxis viele Schülerinnen und Schüler dazu, Unternehmergeist zu entwickeln und die Selbständigkeit als berufliche Alternative wahrzunehmen. Auch die angesichts der Digitalisierung und Globalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft unabdingbaren Sprachkenntnisse, insbesondere im Englischen, sowie digitale Kompetenzen müssen an den bayerischen Schulen möglichst frühzeitig vermittelt werden. So haben wir uns beispielsweise mehrfach dafür eingesetzt, dass ein handlungsorientiertes und interdisziplinär ausgerichtetes Pflichtfach Informatik an allen weiterführenden Schularten in Bayern eingeführt wird.

Wir wollen darüber hinaus eine bayernweite Initiative Arbeit 4.0, um Fachkräfte zu sichern, Unternehmen zu vernetzen und zu beraten sowie Weiterbildungsbedarfsanalysen zu erstellen. Den erfolgreichen Digitalbonus für kleine und mittlere Unternehmen wollen wir auch nach 2018 weiterführen und wir wollen insbesondere kleinere Unternehmen bei IT-Sicherheit und im Kampf gegen Wirtschaftsspionage unterstützen.

Wie ist die Position Ihrer Partei mit Blick auf die Weiterentwicklung des digitalen Sports (eSport) im Freistaat Bayern?

Computerspiele sind aus unserem heutigen Leben nicht mehr wegzudenken. Vor allem für die jüngeren Generationen sind sie fester Bestandteil ihrer Freizeitgestaltung geworden. Die kreative Leistung, die dahinter steckt, ist damit schon längst Teil unseres heutigen Kulturguts geworden.

Wir wollen deshalb auch diesen Bereich – insbesondere pädagogisch hochwertige Spiele – fördern und lehnen eine Verbotspolitik in diesem Bereich ab. Gleichwohl wollen wir einen wirksamen Jugendmedienschutz, damit unsere Kinder und Jugendlichen vor gefährdenden Inhalten geschützt werden.

Die Freien Wähler setzen sich unter anderem für den Weiterkauf von „gebrauchten“ Computerspielen sowie ein Mindestalter von 18 Jahren beim Erwerb von „Beuteboxen“ ein. Warum sind den Freien Wählern ausgerechnet jene beiden, recht spezifischen Punkte ein so großes Anliegen, dass sie Eingang ins Wahlprogramm gefunden haben?

Wir sind der Auffassung, dass insbesondere diese beiden Punkte bislang zu wenig politische Aufmerksamkeit erfahren, aber einen akuten Regelungsbedarf vorweisen. Der Erwerb digitaler Produkte erfolgt zunehmend durch Download über entsprechende Spieleplattformen wie beispielsweise Steam oder den Playstation Store. Preisliche Vorteile zu der ‚haptischen‘ Spieleversion – in der Regel in Form eines optischen Datenträgers – gibt es nicht zwingend.

Dennoch können solche heruntergeladenen Produkte nicht einfach weiterverkauft werden.

Das mag die Spieleentwickler freuen, macht aber das Spielevergnügen der Anwender insgesamt teurer, wenn hier diese Möglichkeit nicht gegeben ist. Deshalb sind wir allgemein aber auch gerade in diesem Bereich des Verbraucherschutzes der Auffassung dass die Regeln der „Online-Welt“ möglichst nicht von den Regeln der „Offline-Welt“ abweichen sollten.

Im Hinblick auf den Erwerb von „Beuteboxen“ spielen für uns auch hier der Verbraucherschutz und insbesondere der Jugendschutz eine besondere Rolle. Solche Innovationen benötigen gesetzliche Regelungen, wenn etwa glücksspielähnliche Elemente nunmehr Zugang zu Kunden finden, die das sonst erforderliche Alter von 18 Jahren noch nicht erreicht haben.

Das Prinzip der Beutebox besteht eben gerade darin, dass vor dem Kauf nicht bekannt ist, welcher Inhalt sich darin versteckt. In dieser Hinsicht gab uns gerade das Spiel „Star Wars: Battlefront 2“ der Firma Electronic Arts bereits 2017 Anlass für eine parlamentarische Initiative im Bayerischen Landtag. Weiterhin halten wir es für richtig, Regelungen zu finden, um noch nicht vollgeschäftsfähige Jugendliche vor dem „Pay 2 Win“-Prinzip zu schützen.