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Gollum-Reportage von Game Two: Schwere Vorwürfe gegen Daedalic-Management

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Der Herr der Ringe: Gollum (Abbildung: Daedalic Entertainment)
Der Herr der Ringe: Gollum (Abbildung: Daedalic Entertainment)

„Warum Golum scheitern musste“ – dieser Frage geht Game Two in einer am Samstag veröffentlichen Daedalic-Reportage nach.

Die Redaktion des Formats Game Two – eine Co-Produktion von Rocket Beans TV und ZDFneo – hat für die aktuelle Ausgabe 307 (YouTube-Video) recherchiert, wie es zum Fiasko rund um Der Herr der Ringe: Gollum kommen konnte. Das Action-Abenteuer ist am 25. Mai 2023 nach mehreren Verschiebungen für PC und Konsole erschienen, strotzte allerdings vor Fehlern und überzeugte auch spielerisch nicht.

Entwickelt wurde das Spiel von Daedalic Entertainment in Hamburg: Der Spielehersteller war zuvor mit Adventures wie Edna bricht aus, Harvey’s neue Augen oder der Deponia-Serie sowie erfolgreichen Publishing-Deals (darunter Shadow Tactics: Blades of the Shogun) zu einem der wichtigsten deutschen Games-Unternehmen gewachsen – kein anderes Studio hat mehr Deutsche Computerspielpreis-Trophäen in der Vitrine.

Die Gollum-Pleite hatte drastische Folgen für die Belegschaft: Ende Juni 2023 wurde die interne Entwicklungsabteilung geschlossen – 25 der zuletzt mehr als 90 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verloren ihre Jobs. In der jüngsten GamesWirtschaft-Liste der größten Spiele-Entwickler in Deutschland taucht Daedalic seit diesem Jahr erstmals nicht mehr auf.

Auch die Produktion eines Nachfolge-Projekts im Herr der Ringe-Universum, für welches das Wirtschaftsministerium bereits Subventionen in Höhe von 2 Mio. € zugesagt hatte, wurde vorzeitig eingestellt. Seitdem fokussiert sich die Marke auf das Publishing externer Produktionen wie Barotrauma, Inkulinati oder Unrailed.

Der Game Two-Beitrag schildert die Historie von Daedalic Entertainment und lässt auch langjährige Mitstreiter wie Co-Gründer Jan Baumann alias Poki zu Wort kommen, der die Firma 2020 verlassen hat. In Summe hat die Redaktion 32 Personen aus dem Daedalic-Umfeld befragt: Einige Angestellte – etwa die einstige PR-Managerin Sandra Friedrichs, Technical Director Paul Schulze oder Community-Managerin Lisa Mallory – äußern sich vor der Kamera; andere wollen anonym bleiben.

Daedalic: Game Two erhebt schwere Vorwürfe gegen Management

Mit Blick auf die Gollum-Produktion zeichnet die Reportage ein mindestens bizarres Bild der Arbeitsbedingungen der Daedalic Entertainment GmbH, die seit 2007 durch mehrere Krisen gegangen ist und im Februar 2022 vom französischen Publisher und Zubehör-Herstellers Nacon für 53 Mio. € gekauft wurde.

Die Kritik macht sich insbesondere am Einsatz überdurchschnittlich vieler Berufseinsteiger und Praktikanten fest, die langen Arbeitszeiten und unbezahlten Überstunden ausgesetzt waren – Zitat aus einer Mail: „Mehrarbeit ist ein völlig normaler und gängiger Parameter in unserer Industrie. Bei der Produktion von Software und insbesondere von Spielen sind Crunchzeiten der Regelfall“. Und weiter: „Die Spielregeln bezüglich Arbeitszeiten werden offen kommuniziert. Jeder, der damit nicht einverstanden ist oder damit nicht leben kann und will, darf das Recht auf freie Arbeitgeberwahl nutzen“.

Sowohl von jungen als auch langjährigen Mitarbeitern wurden unisono diese Firmenkultur sowie der „harte und unnachgiebige Führungsstil“ der Daedalic-Geschäftsführung um Carsten Fichtelmann und Stephan Harms als besonders belastend empfunden. Das Daedalic-Management zeigt sich in einer schriftlichen Stellungnahme gegenüber Game Two überrascht und verweist auf das „freundschaftliche Betriebsklima“: Man habe immer ein offenes Ohr für das Team gehabt.

Im letzten Abschnitt des Game-Two-Reports erfolgt eine Analyse, warum sich Anspruch und Vision von Der Herr der Ringe: Gollum nicht in Einklang bringen ließen mit dem Budget von 15 Mio. € – außergewöhnlich viel für deutsche Verhältnisse, viel zu wenig im internationalen Vergleich. So sei die Spielmechanik analog zu den früheren Daedalic-Adventures erst nach der Geschichte entwickelt worden – was absurde Situationen im Spielablauf erklärt. Das Team habe sich konzeptionell und technisch verzettelt; am Ende fehlte die Zeit, um alle Ideen zusammenzuführen.

Interessantes Detail: In einer Stellungnahme weist Daedalic darauf hin, dass Gollum „keinerlei deutsche Förderung erhalten“ habe, obwohl drei Anträge gestellt worden seien – die aber aus unterschiedlichen Gründen abgelehnt wurden. Die Förderung für das geplante Nachfolgespiel sei inzwischen inklusive Zinsen zurückbezahlt worden.

Die knapp 40minütige Game Two-Reportage ist bereits jetzt bei YouTube abrufbar und wird am kommenden Donnerstag (12. Oktober) bei ZDFneo ausgestrahlt – im Anschluss ist die Gollum-Folge auch in der ZDF Mediathek verfügbar.


Weitere Hintergründe zur Situation bei Daedalic Entertainment finden Sie unter anderem in diesen Beiträgen auf GamesWirtschaft:

12 Kommentare

  1. Es ist aber schon etwas ironisch, dass das grade von der Rocket Beans TV Redaktion kommt. Bisher haben die sich ja nicht groß durch journalistisches Arbeiten hervorgehoben und dann ist da natürlich deren eigenes Arbeitnehmer-Arbeitgeber-Verhältnis.

  2. Wenn der Fehler schon 3 mal genannt wurde, warum muss ich es dann nochmal schreiben.
    Leute, die sich in der Schule melden und sagen „Wollte ich such sagen“ 😂

    Ist wirklich sehr schade, Kreativität benötigt Freiraum. Was ist mit Mindestlohn? Zählt nicht weil Pflichtpraktikum unter 3 Monaten nehmen ich an?

    • Schuld ist in diesem Fall die Redaktion, weil wir Beiträge erstmaliger Kommentierer erst nach Prüfung freischalten.

  3. Nun es mag vielleicht überraschend sein für all die gutgläubigen Gamer da draußen aber mich hat diese Reportage nicht all zu sehr überrascht. An einigen Punkten musste aber auch ich schlucken weil mir das dunkle Ausmaß dessen stellenweise nicht bekannt war. Dennoch nichts neues in der Industrie – wie auch im Nachsatz des Videos gesagt wird.

    Dass einige Studios ihr Geschäftsmodell nahezu ausschließlich oder überwigend auf Praktikanten aufbauen ist bereits seid 2015 hinreichend Thema bei uns in der Industrie. Die sind nämlich nicht die einzige Firma, die das macht und ich kann mindestens noch 3 weitere Unternehmen nennen bei denen unbezahlte Praktikanten das Rückrad der Belegschaft darstellen. Auch gibt es immer wieder auf diversen Platformen Stellengesuche, die explizit nach Praktikanten aussschau halten – bestimmt aber nicht weil man so nett ist und einen Berufseinstieg ermöglichen will! Das hier mit illegalen Mitteln gearbeitet wird war mir allerdings neu.

    Auch kann ich viele der Vorwürfe gegen Daedalic bestätigen, zwar nicht gegen Daedalic selbst aber ich habe in meiner mehr als 12 jährigen Laufbahn bereits alles davon selbst miterleben dürfen bzw. war selbst davon betroffen. Ob nun cholerische Vorgesetzte die Mitarbeitende zusammengeschrien haben weil diese nicht in der Lage waren die teils utopischen Vorstellungen und Zielsetzung zu erfüllen, Überambitionierte Projekte mit Unterfinanzierung, dass es ja ein Privileg sei in der Spieleindsutrie zu arbeiten und man deshalb gefälligst zusehen soll, dass das Release jetzt mal bißchen plötzlich auf die Beine kommt, dass es im Betrieb keine Überstunden gäbe aber man erwarte, dass wenn nötig auch mal Nächte durchgearbeitet werden – fürs Team! und man habe zwar einen Arbveitsvertrag unterschrieben aber seitens des Unternehmens erwarte man deutlich mehr.

    Wer die Illusion hat, dass man als Spieleentwickler den ganzen Tag nur zockt und am Ende einen fetten Gehaltsscheck einstreicht der sollte tatsächlich mal ein Praktikum bei einem der vielen Studios machen und sich den Alltag mal selbst ansehen. Es ist nicht so lustig wie aus vielerlei Richtung immer getan wird und oft ist man nur eine Fehlkalkulation vom Burnout entfernt

    • Wobei die Frage ist, inwieweit es sich um games-spezifische Phänomene handelt – die TV- und Film-Branche gilt ja nicht zwingend als sakrosankt.

      • Filmbranche ist vom Klima her auch nicht immer das Gelbe vom Ei, aber endlose Überstunden und Praktikanten als maßgebliche Arbeitskräfte sind mir zumindest dort noch nicht untergekommen oder bekannt.

    • „ich kann mindestens noch 3 weitere Unternehmen nennen bei denen unbezahlte Praktikanten das Rückrad der Belegschaft darstellen.“

      Do it!

  4. Sehr schön, wenn die ganzen Firmen, die denken ihre Arbeiter auszunutzen pleite gehen. Alle vor 20 Jahren in der Zeit stehen geblieben

  5. Hinweis: Game Two ist mittlerweile bei zdf neo untergekommen, nicht mehr bei funk. ÖR, aber trotzdem woanders. 🙂

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