Start Meinung Gute News dringend gesucht (Fröhlich am Freitag)

Gute News dringend gesucht (Fröhlich am Freitag)

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Derzeit mit Seltenheitswert in der Games-Industrie: gute News (Abbildung: privat)
Derzeit mit Seltenheitswert in der Games-Industrie: gute News (Abbildung: privat)

Die Kaskade bitterer Nachrichten reißt nicht ab: Die Videospiele-Industrie durchläuft einen Stresstest. Wie gut kommt die Branche durch den Winter?

Verehrte GamesWirtschaft-Leserin,
verehrter GamesWirtschaft-Leser,

neulich bei WhatsApp:

  • „Hey, ich hab exklusive News für dich, wenn du möchtest.“
  • Ich so: „Nur gute News bitte“
  • Eine Millisekunde später: „ja“

Puh, Glück gehabt.

Meine Nur-gute-News-wenn’s-geht-Bitte war nur halb im Spaß gemeint. Denn aktuell vergeht kaum ein Tag, an dem es nicht irgendwo in der Industrie scheppert – national wie international. Publisher, Studios, Agenturen, Veranstalter melden Projekt-Stopps, Pleiten, Personalabbau. Manchmal laut, manchmal ganz leise. Solchen Entscheidungen gehen zwangsläufig kleine und große Fehleinschätzungen voraus, zuweilen aber auch ungünstige äußere Umstände – der Wegfall eines Großauftrags etwa. Oder der Last-Minute-Rückzug eines Investors.

Die daraus resultierende Unwucht bekommen derzeit ganz viele zu spüren – der Stress-Level steigt. Denn das Unheil sickert zuverlässig durch die komplette Wertschöpfungskette: Auf jedes Spiel, das nicht oder mit Verspätung veröffentlicht wird, kommt eine lange Liste an nachgelagerten Betrieben, die damit umgehen müssen. Irgendwie. Zum Beispiel der Kooperationspartner, der plötzlich ohne Kooperation dasteht. Der Distributor, der kein Spiel in die Läden bringt. Die Agentur, die kein Budget verteilt. Der Influencer, der nicht gebucht wird. Der Veranstalter, der keine Quadratmeter verkauft.

Fröhlich am Freitag - die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft
Fröhlich am Freitag – die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft

Nun ist der gewerbsmäßige Videospiel-Anbau beileibe nicht die einzige Branche, die derzeit unter gewaltigen Herausforderungen ächzt. Quasi direkt vor meiner Haustür hat es in dieser Woche den Spielwarenhersteller Playmobil getroffen, der 700 Stellen abbaut, davon die Hälfte in Deutschland. Jeder sechste Job fällt weg.

Die Begründung für die offenkundig sehr alternativlose Entscheidung ähnelt jener, die auch andere Wirtschaftszweige anführen – die Gastronomen, die Bauträger, die Einzelhändler, die Zeitungs-Verlage, die Autozulieferer: Inflation, Konsum-Zurückhaltung, Energiepreise, verändertes Verbraucherverhalten, höhere Zinsen auf dem Kapitalmarkt.

Zum kompletten Bild gehört im konkreten Fall allerdings, dass Playmobil nicht nur nicht von Corona ‚profitiert‘ hat (anders als die Mitbewerber) – was eine Nicht-Leistung für sich darstellt. Sondern dass Einnahmen und Überschüsse bereits in den Jahren vor der Pandemie stagnierten – und dass daraus falsche oder mindestens unzureichende Schlüsse mit Blick auf die Sortimentsgestaltung gezogen wurden. Ein paar Kilometer weiter steckt ein weiterer regionaler Spielzeugproduzent in einer schlimmen Krise: Haba. Ein Unternehmen, das auf gleichermaßen hochwertiges wie hochpreisiges Spielzeug setzt. Das muss man sich leisten wollen und können. Viele Familien würden womöglich wollen, können aber nicht.

Im Ergebnis lautet die Anamnese: Wo sich schon länger Risse im Mauerwerk abgezeichnet haben, droht nun eben akute Einsturzgefahr. Das gilt insbesondere für den Einzelhandel, wie wir an dieser Stelle schon des Öfteren gemeinsam besprochen haben. Angeheuerte Unternehmensberater wie im Falle von Playmobil müssen die schlechten News dann nur noch abstempeln und fungieren damit als eine Art Rent-a-Abrissbirne.

Im Games-Bereich eskalieren derzeit einige längerfristige Entwicklungen, unter denen Startups genauso leiden wie etablierte Mittelständler und internationale Großkonzerne. Das Produzieren und Vermarkten von Spielen ist nämlich erstens deutlich teurer und zweitens anstrengender geworden – zum Beispiel, weil sich User nicht mehr so ohne Weiteres tracken und anwerben lassen. Unheil droht also von der Kosten- und Umsatz-Seite – gleichzeitig.

Womöglich wären all die kleinen und großen Krisen schon viel früher eingetreten. Nur: Solange die Corona-Flut alle Boote hob und Fördergelder flossen, ließ sich Manches kaschieren. Jetzt nicht mehr.

Im Ergebnis lässt sich die derzeitige Marktlage unter einer Überschrift subsumieren: Viel. Zu. Viel. Content. Abzulesen ist dies zum Beispiel an der hohen Taktfrequenz, die Publisher veranlasst, ihre Premium-Titel hektisch in andere Kalenderwochen oder gar in andere Quartale zu verlegen. Und trotzdem erscheinen binnen weniger Tage Assassin’s Creed Mirage, EA Sports FC 24, Spider-Man 2 und Alan Wake 2. Wer soll das alles spielen – wo doch Starfield und Baldur’s Gate 3 noch nicht durch sind? Es ist die schiere Masse, die mit Ansage zu rascher Rabattierung (manche sagen: Verramschung) führen wird. Händlern und Herstellern bleibt keine Wahl.

Als eine Art Brandbeschleuniger wirken Abodienste wie PlayStation Plus und erst recht der Xbox Game Pass, die den Kunden allmonatlich zuballern – mit noch mehr Content. Callisto Protocol, der Landwirtschafts-Simulator, Forza Motorsport, Payday 3, Party Animals, alles all inclusive und gefühlt ‚for free‘. Das Signal: Schön blöd, wer’s einzeln kauft.

Und dann sind da noch die Unternehmen, die ihren eigenen Markt innerhalb des Markts geschaffen haben und ebenfalls Content im Überfluss produzieren. Im Zuge der Activision-Blizzard-Übernahmeschlacht wurde zum Beispiel aktenkundig, dass eine Million PlayStation-Besitzer ihre Konsole ausschließlich dafür nutzen, um Call of Duty zu spielen. Weitere sechs Millionen Kunden widmen immerhin 70 Prozent ihrer Spielzeit nur dieser einen Marke. Man darf davon ausgehen, dass die Vital-Werte für Grand Theft Auto, Fortnite, Roblox oder FIFA (neuerdings: EA Sports FC) analog ausfallen – im PC-Bereich muss man League of Legends oder Counter-Strike hinzurechnen, unter anderem.

Der Trick: Wer in diesen Disziplinen online mithalten will, muss ganz viel spielen – und ganz viel investieren. Vor allem Zeit. Aber auch Geld, in Form von Ingame-Käufen, Spielwährung, Battlepässen. Die Industrie nennt es Games as a Service – für die Kunden bedeutet es: Games as a Hobby. Wenn man unterstellt, dass Zeit, Geld und Kumpels nicht unlimitiert vorhanden sind, dann ist das keine gute Nachricht für den Gesamtmarkt.

Für Publisher wie Electronic Arts oder Take-Two hingegen schon. Deren Geschäftsberichte legen Zeugnis ab, wie gut das funktioniert – und wie immens die Abhängigkeiten von Cashcows sind. Beispiel Grand Theft Auto 5, das in diesen Tagen sein zehnjähriges Jubiläum feiert: Das Action-Abenteuer ist am 1. Oktober 2013 erschienen, damals noch für PlayStation 3 und Xbox 360. GTA 5 zählt nach einer Dekade immer noch zu den meistgekauften, meistgespielten und umsatzstärksten Titeln auf PC und Konsole – Take-Two hat es daher nicht eilig mit einer Fortsetzung.

Wie also umgehen mit all den nicht so guten News? In bewegten Zeiten wie diesen ist es mutmaßlich eine kluge Strategie, wie sie Wargaming-Chef Victor Kislyi kürzlich während unseres Interviews formuliert hat: nämlich die Hege und Pflege der Stammkundschaft. Keine wilden Manöver und Experimente, sondern Beständigkeit, Berechenbarkeit und stetes Optimieren – ohne unterwegs der Versuchung nachzugeben, den letzten Cent herauszupressen. Auch im deutschsprachigen Raum gibt es viele Beispiele, die das seit jeher so oder ähnlich praktizieren und ziemlich gut hinbekommen – gerade in vermeintlichen Nischen.

Ich will aber nicht verhehlen: Bevor die Flut an bitteren Nachrichten abebbt, steht der Branche nach meinem Eindruck ein harter Winter bevor. Umso mehr freu ich mich weiterhin über jede einzelne Nachricht und jede einzelne E-Mail mit richtig guten News.

Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen

Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft

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3 Kommentare

  1. Ich frage mich schon seit einiger Zeit, wie lange der Gamepass eine Zukunft hat. Es kann ja eigentlich nur so sein, dass Microsoft diesen Dienst subventioniert – ohne nennenswerte Erfolge. Wo ist der finanzielle Ausgleich? Stattdessen wird mit so einem Service der Wert der ganzen Videospielebranche verringert, wie es ähnlich auch im Artikel steht – also: was nix kostet, ist auch nix. Der Gamepass ist eine Teufelskreis-Abwärtsspirale.

    Übrigens: GTA 5 ist bereits am 13. September zehn Jahre alt geworden.

  2. Wenn die Branche weiterhin nach dem Motto „weiter so“ keine wirkliche Innovation liefert, weil etwa der Anreiz fehlt oder auch seitens der Chef-Etage die Notwendigkeit einfach nicht erkannt wird, dann wird das für „den Games Standort Deutschland“ über kurz oder lang ein bitteres Erwachen geben. Wie beim Klima gillt auch hier – handeln wenn die Wälder bereits brennen und die Meeresspiegel steigen ist definitiv zu spät!

    Wenn die Studio-Bosse jetzt nicht handlen dann können wir uns schon mal alle beim Arbeitsamt melden! Wo ist der Branchenverband, wo sind die Krisentreffen und Expertengremien um eine gemeinsame Lösung zu finden? Für Einzelkämpfer und NDAs ist hier mittlerweile einfach kein Platz mehr!

    • Was sollten denn die „Studio-Bosse“ denn da aus dem Hut zaubern?

      „Die Idee“, the „next big thing“ kommt nicht auf Knopfdruck, und endlose Meetings in „Krisentreffen“ dürften mit Forderungen an die Politik enden für mehr Unterstützung und Förderungen.. die man quasi gerade eben defacto zusammengekürzt hat.

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