Start Wirtschaft 25 Jahre Wargaming: Kriegsspiele in Kriegszeiten

25 Jahre Wargaming: Kriegsspiele in Kriegszeiten

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Victor Kislyi hat Wargaming im Jahr 1998 gegründet (Foto: Wargaming)
Victor Kislyi hat Wargaming im Jahr 1998 gegründet (Foto: Wargaming)

Zum 25jährigen Wargaming-Jubiläum verrät Gründer Victor Kislyi, was er sich für die Zukunft des World of Tanks-Studios vorgenommen hat.

Wie vermarktet man eigentlich ein Panzer-Multiplayer-Spiel, während in Europa ein Krieg tobt? Um jene Panzer geht es im Wargaming-Dauerbrenner World of Tanks, der seit 2010 auf dem Markt ist: Die Spieler sammeln, ‚tunen‘ und steuern die namensgebenden Stahlkolosse, die an Modelle britischer, französischer, chinesischer, amerikanischer, russischer oder deutscher Bauart angelehnt sind – allesamt mit unterschiedlichen Vor- und Nachteilen, etwa mit Blick auf Geschwindigkeit, Durchschlagskraft oder Tarnung. In Online-Gefechten entscheidet sich, welche Fraktion diese Stärken und Schwächen am besten auszunutzen weiß.

World of Tanks ist Free2Play und finanziert sich branchenüblich durch Ingame-Käufe, Lootboxen und Spielwährung, die Upgrades und Panzer schneller freischalten. Das hat so gut funktioniert, dass aus bescheidenen Anfängen ein riesiges Unternehmen geworden ist – mit weltweit 16 Niederlassungen, darunter ein 50köpfiges Team in Berlin, das vorwiegend an den Smartphone- und Tablet-Ablegern World of Tanks Blitz und World of Warships Blitz arbeitet.

Doch Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine hat auch die Statik von Wargaming verändert: Wenige Wochen nach dem Einmarsch im Februar 2022 hat Wargaming alle Aktivitäten in Russland und in Belarus eingestellt und die Niederlassungen in Sankt Petersburg und Moskau geschlossen – unter Inkaufnahme „erheblicher Umsatzeinbußen“. Damit wurden die letzten Wurzeln gekappt: Bereits 2011 hatte Wargaming, das 1998 im belarussischen Minsk gegründet wurde, den Unternehmenssitz nach Nikosia auf Zypern verlegt.

Im GamesWirtschaft-Gespräch schildert CEO und Gründer Victor Kislyi die dramatischen Umstände inklusive unzähliger Entscheidungen, die im Frühjahr 2022 in extrem kurzer Zeit getroffen werden mussten – in einer Situation, in der völlig unklar war, wie sich die Dinge entwickeln. Denn der Spielehersteller hat über Nacht nicht nur die Kundschaft in zwei der wichtigsten und umsatzstärksten World of Tanks-Regionen verloren, sondern eben auch erfahrene Mitarbeiter.

Soweit möglich, wurden die Angestellten an andere Standorte verlegt, nach Prag, nach Warschau, in die USA. Existenzielle Fragen waren zu klären: Was geschieht mit den Partnern, den Eltern, „den Hunden der Ehefrau“? Wie schnell lassen sich Aufenthaltsgenehmigungen und Arbeitsvisa beschaffen?

Szene aus World of Tanks (Abbildung: Wargaming)
Szene aus World of Tanks (Abbildung: Wargaming)

Dieser Ritt auf der Rasierklinge hat Wargaming Geld gekostet, richtig Geld. Gleichzeitig ist die Belegschaft auf 3.500 Personen geschrumpft – in Hochzeiten waren es über 5.000. Auch der Zeitplan kam ins Rutschen: Drei Spiele-Projekte wurden unterwegs eingestellt, zwei weitere haben sich verzögert.

Mittlerweile ist das Unternehmen auf den Pfad der Profitabilität zurückgekehrt – wenngleich auf deutlich niedrigerem Niveau als zuvor, wie Kislyi einräumt. Doch er bereut nichts davon, wie er sagt. Alles davon sei richtig und wichtig gewesen. „Walk the talk“ – nicht quatschen, machen. Analysieren, entscheiden, umsetzen. Wie in World of Tanks.

25 Jahre Wargaming: „It is what it is“

Das Jubiläum begeht Wargaming somit in unruhigen Zeiten. Was auch und gerade für das Studio in der ukrainischen Hauptstadt Kiew gilt – wo zum Start des Krieges bereits Busse gechartert waren, um die mittlerweile 450 Mitarbeiter samt Familien zu evakuieren. Während es bei vielen Unternehmen bei Einmal-Aktionen blieb, unterstützt Wargaming weiterhin Vor-Ort-Hilfsorganisationen wie das Rote Kreuz mit substanziellen Spenden und organisiert Crowdfunding-Aktionen: So wurden 200.000 € gesammelt und damit sechs Krankenwagen finanziert.

Dass Wargaming Absatzmärkte, Mitarbeiter und Umsatz verloren hat, ist die eine Sache. Gleichzeitig muss die Show weitergehen: Die Konkurrenz auf dem Online-Multiplayer-Markt ist riesig. Der Krieg hatte auch Einfluss auf die Tonalität der Vermarktung, zumindest temporär. „Wir sind ‚Counter-Strike mit Panzern‘ – da kann man nicht so tun, als ginge es um Schmetterlinge und Nilpferde. Es geht um Panzer, die herumfahren und auf andere Panzer schießen.“ Es fließt kein Blut, das Spiel ist in Deutschland ab 12 Jahren freigegeben. Trotzdem habe man, anders als mancher Mitbewerber, zunächst die Anzeigenkampagnen zurückgefahren. Auch das hat Geld gekostet, aber „it is what it is“.

Längst werben wieder Stars wie Schwarzenegger und Weltmeister Podolski für das Wargaming-Sortiment, das auf PC, Konsole und Smartphone mit immer neuen Alternativen konkurriert – Apex Legends, Valorant, Call of Duty: Warzone, unter anderem.

Gruppenbild mit Panzer: Der Messe-Auftritt von World of Tanks-Hersteller Wargaming auf der Gamescom 2019 (Foto: Fröhlich)
Gruppenbild mit Panzer: Der Messe-Auftritt von World of Tanks-Hersteller Wargaming auf der Gamescom 2019 (Foto: Fröhlich)

Die Zukunft von Wargaming: „Mach keine dummen Dinge.“

Und was hat sich Wargaming-Chef Kislyi – immer noch Haupteigner und längst Milliardär – für die nächsten 25 Jahre vorgenommen? Weiterhin solide Spiele bauen und die Community glücklich machen – keine irren Experimente, sondern stete Verbesserung: neue Inhalte, bessere Grafik. Die Devise lautet: „Mach keine großen Fehler. Kenne deine Kunden. Liebe deine Community. Lüge nicht. Mach keine dummen Dinge. Sei diszipliniert. Und versuche nicht, Geld herauszupressen.“ Dann könnten die Spiele „für immer“ weiterlaufen.

Und vielleicht ergibt sich dann auch wieder eine Chance für ein Comeback auf der Gamescom, wo Wargaming bis 2019 für riesige Stände, laute Bühnen-Shows und wilde Partys berühmt, manche sagen: berüchtigt war. 2020 und 2021 fiel die Messe pandemie-bedingt aus, 2022 dann der Krieg in der Ukraine, 2023 war Wargaming nur bei Kooperationspartnern präsent. Er sei Fan der Messe („It’s like paradise. It’s amazing.“), aber am Ende sei es eine Marketing-Entscheidung.

Und: Irgendwann werde er über all den Wahnsinn mal ein Buch schreiben, sagt Victor Kislyi. Es werde ein dickes Buch werden.

1 Kommentar

  1. > Die Devise lautet: „Mach keine großen Fehler. Kenne deine Kunden. Liebe deine Community. Lüge nicht. Mach keine dummen Dinge. Sei diszipliniert. Und versuche nicht, Geld herauszupressen.“

    Ist das nicht eigentlich selbstverständlich – oder sollte es das nicht zumindest sein?

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