Hoher Unterhaltungswert, geringer Erkenntnisgewinn: Eine Stunde lang hat sich der hessische Landtag mit einem eSport-Antrag der AfD-Fraktion auseinandergesetzt.
Karl Hermann Bolldorf hatte sich dem Anlass entsprechend eigens eine Krawatte mit PlayStation-Symbolen zu- und umgelegt – es hat nichts genützt: Der Hessische Landtag hat in seiner Sitzung vom 26. September den eSport-Antrag des AfD-Politikers samt seiner Fraktion wie erwartet mehrheitlich abgelehnt.
Das Dokument mit der Überschrift „Hessen zu einem attraktiven Zukunftsstandort für eSports machen“ sieht unter anderem vor, die ehrenamtliche Arbeit von Vereinen anzuerkennen und ein eSport-Förderprogramm im Volumen von 2 Mio. Euro aufzulegen (wir berichteten).
Die komplette Debatte ist mittlerweile als Video-Mitschnitt veröffentlicht worden.
Grünen-Politikerin Vanessa Gronemann, deren Partei in Hessen mitregiert, sah in Bolldorfs Vorstoß erstaunliche Parallelen zu eigenen eSport-Konzepten auf Bundes- und Landes-Ebene, kritisierte aber die Vermischung von kommerziellen und sportlichen Aspekten des Antrags.
Der Linken-Abgeordnete Hermann Schaus spickte seine Rede mit einem Feuerwerk an Games-Fachbegriffen („Epic Fail!“, „Nice try, noobs!“) – was Landtagspräsidentin Heike Hofmann (SPD) zu der Analyse veranlasste, der Redebeitrag weise fast schon karnevalistische Züge auf.
SPD-Politiker Bijan Kaffenberger forderte die Landesregierung auf, nicht nur eine Indie-Games-Messe in Hessen zu veranstalten (wie es der Koalitionsvertrag vorsieht), sondern die Gamescom nach Frankfurt zu holen.
Andreas Hofmeister von der CDU plädierte für die Fortsetzung des Dialogs zwischen traditionellem Sport und eSport.
Ähnlich die Argumentation von FDP-Mann Stefan Müller, der aber weiterhin beide Bereiche trennen will: „Jeder, der für die Gemeinnützigkeit des eSport plädiert, plädiert dafür, dass Gewaltspiele als gemeinnützig erklärt werden“ – dies müsse man den Menschen auf der Straße und den Eltern erst einmal erklären.
Den Schlusspunkt setzte Innen- und Sportminister Peter Beuth, der in der Vergangenheit mit teils drastischem Vokabular seine Ablehnung der eSport-Welt deutlich machte – zuletzt in einem Interview mit der FAZ. Die Landesregierung erkenne Konsolenspieler als „Teil einer modernen Jugend- und Alltagskultur“ an – die Branche könne gerne via Wirtschaftsförderung unterstützt werden. Doch eine Anerkennung als Sport lehnt Beuth weiter ab: „Es geht allein um die Frage, ob wir am Ende der Gaming-Industrie erlauben, sich komplett oder in Teilen mit diesen Attributen zu schmücken.“ Der CDU-Politiker verwies zudem auf Suchtpotenziale, Bewegungsmangel, die Wertevermittlung und die Gewaltdarstellung in einigen Games, bei denen es darum gehe, „möglichst viele Menschen zu massakrieren“. Der Sport solle dafür nicht „missbraucht“ werden“. Schlussendlich müsse die Politik die Autonomie des Sports berücksichtigen – in der Sport-oder-nicht-Frage stünde allein der DOSB samt der nachgelagerten Verbände in der Verantwortung.
Nach einer mehr als einstündigen Aussprache im Wiesbadener Parlament wurde der AfD-Antrag an den Innenausschuss überwiesen, der formal für den (e)Sport zuständig ist.
Die digitalpolitische Sprecherin der AfD-Bundestagsfraktion Joana Cotar hatte im Vorfeld der Landtagssitzung den eSport-Bund Deutschland (ESBD) und dessen Präsidenten Hans Jagnow scharf kritisiert. Der Verband sei mit „linksgrünen Ideologieprojekten“ beschäftigt, etwa „Fridays for Future“. Auch ein Gespräch mit dem ESBD sei bislang nicht zustande gekommen: Die Teilnahme an einem politischen Rundgang im Rahmen der ESL Cologne 2019 – organisiert von ESBD und Game-Verband – sei mit Verweis auf „organisatorische Gründe“ abgelehnt worden.
Mit der Rolle der AfD in der deutschen Games-Branche und dem Games-Standort Hessen beschäftigen sich unter anderem folgende Beiträge: