Was bedeutet „Sozialadäquanz“ eigentlich in der Praxis? Computerspiele mit Hakenkreuzen will die USK künftig auf Basis erweiterter Kriterien bewerten.
Knapp ein Jahr nach Inkrafttreten der überarbeiteten USK-Statuten für Computerspiele mit verfassungswidrigen Kennzeichen (Hakenkreuze, SS-Runen, Nazi-Gesten / -Parolen, Hitler-Abbildungen) hat die Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle die „Leitkriterien“ erweitert und konkretisiert.
Unter der Überschrift „Berücksichtigung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen“ verweist die USK darauf, dass der Einsatz dieser Kennzeichen nach § 86a StGB grundsätzlich strafrechtliche und jugendschutzrechtliche Relevanz haben kann. Die USK prüft demnach zunächst, ob Tatbestände der Jugendgefährdung vorliegen, etwa eine Verherrlichung, Verharmlosung oder Bagatellisierung des Nationalsozialismus – was eine Indizierung oder Beschlagnahmung nach sich ziehen würde.
In einem zweiten Schritt geht es um die Jugendbeeinträchtigung – also um die konkrete Altersfreigabe.
Jede Prüfung ist und bleibt eine Einzelfallentscheidung. Als Kriterien zieht die USK insbesondere die „Rahmung“, also den Kontext der Darstellung heran. Hafterleichternd sind unter anderem …
- ein differenziert-kritischer Umgang mit den historischen Begebenheiten (Beispiel: „Through the Darkest of Times“)
- rein fiktionale Stoffe mit dystopischen Szenarien (Beispiel: „Wolfenstein: Youngblood“)
- die Ideologie entlarvende Szenarien (mögliches Beispiel: „Southpark“)
Zu vermeiden ist in jedem Fall eine Identifikation mit den Spielfiguren, die Hakenkreuze und andere verbotene Symbole aufweisen. Daher ist die Rolle und der Spielauftrag von entscheidender Bedeutung – die USK spricht hier von einem „Gut-Böse-Schema“. Insbesondere Kinder und jüngere Jugendliche verfügten häufig noch nicht über ein ausreichendes gesellschaftliches und politisches Wissen, um fiktionale Inhalte gegenüber historischen Ereignissen einordnen zu können. Berücksichtigt wird obendrein, ob die Verwendung von Kennzeichen gerade auf Jugendliche anziehend wirken könnte, weil Hakenkreuze und SS-Runen womöglich als vermeintlicher Tabubruch interpretiert werden könnten.
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Der USK-Beirat hat den zusätzlichen Passus einstimmig gebilligt. Dem Beirat gehören unter anderem Vertreter von Ministerien, Jugendhilfe-Organisationen, Kirchen und Aufsichtsbehörden an, zudem die BPjM-Vorsitzende Martina Hannak, Branchenverbands-Geschäftsführer Felix Falk, Electronic-Arts-Geschäftsführer Jens Kosche (gleichzeitig Vorstand beim Branchenverband Game) und Philipp Senkbeil (YouTuber-Netzwerk Allyance).
USK-Geschäftsführerin Elisabeth Secker sieht in den ergänzten Leitkriterien nicht nur klare und orientierende Eckpunkte für die Arbeit der USK-Prüfgremien und die Öffentlichkeit: Zusätzlich sei ein weiterer Schritt für die Gleichbehandlung von Games mit anderen Medienarten als Kunst- und Kulturgut erfolgt, so Secker.
Seit Inkrafttreten der Neuregelung im August 2018 hat die USK bislang vier Computerspiele mit Altersfreigaben ausgestattet, die Hakenkreuze und andere Nazi-Symbole enthalten: das Strategiespiel „Through the Darkest of Times“ (USK 12), das Adventure „Attentat 1942“ (USK 12) sowie die internationalen Versionen des Ego-Shooters „Wolfenstein Youngblood“ (USK 18) und des Virtual-Reality-Shooters „Wolfenstein Cyberpilot“ (USK 18). Große deutsche Einzelhändler wie MediaMarkt, Saturn und GameStop hatten zuletzt darauf verzichtet, die internationalen „Wolfenstein“-Fassungen zu listen (GamesWirtschaft-Exklusivmeldung).
Die USK-Statuten bedeuten nicht zwangsläufig, dass darauf basierende Letsplays, Videos und Screenshots ohne Einschränkungen verbreitet werden dürfen (weitere Hintergründe).