Die Union will Deutschland zum Games-Standort Nummer 1 machen. Doch wie genau soll das eigentlich gehen? Dorothee Bär erklärt ihre Pläne für die Zeit nach der Bundestagswahl.
Sie ist seit 2018 Merkels Digitalbeauftragte, CSU-Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl und neuerdings Mitglied im ‚Zukunftsteam‘ von CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet: Dorothee Bär steht bei der Union für das Thema Digitalisierung – und für Games. 2011 organisierte sie mit FDP-Kollegen eine Bundestags-LAN-Party unter der Reichstagskuppel, ein Jahr später verteidigte die Computerspielpreis-Jurorin den prämierten Crytek-Shooter Crysis 2 gegen heftige Kritik aus den eigenen Reihen. Und im Herbst 2020 startete Bär eine Petition, um E-Sport doch noch zu politischer Anerkennung zu verhelfen.
Sollte der Union entgegen aller Prognosen ein Last-Minute-Wahlsieg gelingen, wäre die 43jährige CSU-Politikerin natürliche Anwärterin für das „Ministerium für Innovation und digitale Transformation“ – ein Ressort, das laut Laschet so stark sein müsse wie das Finanz- oder Innenministerium.
Mehrfach haben Laschet und Bär ihre Absicht betont, „Deutschland zum Games-Standort Nummer 1 zu machen“. Dagegen kann niemand was haben, doch was heißt das eigentlich in der Praxis? Denn bislang ist die Republik in erster Linie ein Absatzmarkt: 8,5 Milliarden Euro wurden 2020 mit Konsolen, Games und In-App-Käufen umgesetzt. Der Löwenanteil ist importiert: 96 von 100 Euro Umsatz entfallen auf ausländische Anbieter – der Inlands-Marktanteil deutscher Studios ist auf ein Rekordtief gefallen.
Das darf nach den Vorstellungen von CDU und CSU nicht so bleiben. Aber wie genau soll das gehen in einem Land, wo 7 von 10 Spiele-Unternehmen die Wettbewerbsfähigkeit des eigenen Standorts als „eher schlecht“ oder „schlecht“ bewerten – und kein einziges mit „sehr gut“?
Auf GamesWirtschaft-Nachfrage macht Bär zunächst folgende Bestandsaufnahme: „Im Bereich Gaming vergleichen wir uns mit den Märkten der Welt – hier wird die Games-Industrie zunehmend von Unternehmen aus USA, Kanada und Japan dominiert. Unsere nationalen Unternehmen können trotz des Gesamtwachstums bislang kaum von dem weltweiten Wachstum proportional profitieren. Immer mehr deutsche Games-Unternehmen werden Teil internationaler Medienkonzerne. Internationale Top-Produktionen aus Deutschland gibt es bislang nur wenige.“
Wer Nummer 1 und damit Weltspitze werden will, muss natürlich zunächst definieren, woran er diesen knackigen Anspruch festmachen will. Nach Bärs Vorstellung soll Deutschland zum „Leitmarkt für Games“ werden. „Das wird sich dann auch in verschiedenen Kennzahlen wiederspiegeln – in den Umsätzen deutscher Produktionen, in der Anzahl der im Games-Bereich engagierten Unternehmen – von KMU (Kleine und mittlere Unternehmen, Anm. d. Red.) bis Großunternehmen – wie auch in der Zahl der Beschäftigten. Hier konnten wir innerhalb des letzten Jahres bereits einen Zuwachs von rund 8 Prozent verzeichnen.“
Zum kompletten Bild gehört allerdings, dass dieser Zuwachs nur den Kernmarkt betrifft, also Jobs bei Entwicklern und Publishern. Inklusive Dienstleistern, Ausbildern und Handel sind in der deutschen Games-Industrie binnen eines Jahres mehr als 1.000 Arbeitsplätze verloren gegangen.
Dorothee Bär: „Möchte, dass Games ganz oben auf der Agenda stehen.“
Die größten Arbeitgeber der deutschen Branche sind im Bereich Online- und Mobile-Games tätig – Sorgenkind bleibt das Geschäft mit PC- und Konsolenspielen, wo deutsche Studios zuletzt nur noch 15 Millionen Euro im Land der Annos und Siedlers erwirtschafteten. In welchen Marktsegmenten soll Deutschland also künftig eine führende Position einnehmen?
Bär will den Marktanteil von Games aus Deutschland erhöhen, indem „qualitativ hochwertige AAA-Spiele made in Germany“ gezielt unterstützt werden. AAA meint: hohe Budgets, hohe Stückzahlen, hohe Umsätze. “Wir wollen hierfür deutsche Studios fördern, dafür die Förderinstrumente von Bund- und Ländern noch besser aufeinander abstimmen, sowie ausländische Unternehmen ansiedeln.“
Dass mittlerweile jährlich 50 Millionen Euro an Subventionen zur Verfügung stehen, reicht aus Sicht der Digitalpolitikerin noch nicht: „Wir müssen die Förderung unkomplizierter, flexibler, schneller und langfristiger ermöglichen, also unbürokratische Verfahren und mehr Know-How bei der Abwicklung der Förderung vor allem bei den staatlichen Stellen etablieren.“
Außerdem brauche es mehr Fachkräfte, beispielsweise durch den Abbau von Hürden bei der Integration internationaler Experten. „An einem Entwicklungsstandort, der einen Weltmarktanspruch hat, wollen wir auch die entsprechenden Forschungs- und Lehrkapazitäten, insbesondere auch an den staatlichen Hochschulen und Universitäten aufbauen“, so Bär. Deutschland solle „Weltmarktführer im Bereich Serious Games“ werden – die Potenziale im Bildungsbereich müssten flächendeckend gehoben werden.
Und was seit Inkrafttreten des Koalitionsvertrags im Frühjahr 2018 nicht geklappt hat, soll nun die nächste Bundesregierung angehen: Die Union will „Deutschland zum besten E-Sport-Standort machen“. Dazu beitragen dürfte möglicherweise die Pensionierung von Sport- und Innenminister Horst Seehofer (CSU), dem die Grünen zuletzt „Arbeitsverweigerung“ attestierten.
Keinen Hehl macht Dorothee Bär auch mit Blick auf eigene Ambitionen im Vorgriff auf das auch von der Games-Industrie geforderte Digitalministerium, das mit großer Wahrscheinlichkeit die Games-Zuständigkeit vom Verkehrsministerium erben würde: „Wir könnten hier in einer künftigen unionsgeführten Regierung auch noch mehr Kompetenzen in einem Ministerium für Innovation und digitale Transformation bündeln und der Branche einen echten Schub geben.“
Bärs Versprechen: „Ich möchte, dass Games ganz oben auf der Agenda stehen.“