
Köln und NRW konnten es sich schlichtweg nicht leisten, die Gamescom zu riskieren. Die Vertragsverlängerung: folgerichtig. Aber auch richtig?
Verehrte GamesWirtschaft-Leserin,
verehrter GamesWirtschaft-Leser,
„Der Senat wird aufgefordert, zur Förderung der Games-Branche, Tourismuswirtschaft und des Messe-Standorts Berlin insgesamt Gespräche mit dem Ziel aufzunehmen, die jährliche Messe ‚Gamescom‘ ab dem Jahr 2022 nach Berlin zu holen.“
So steht es geschrieben in der Drucksache 18/2104 für das Berliner Abgeordnetenhaus, eingebracht von der FDP-Fraktion. Das war am 21. August 2019: Pünktlich zum Start der Gamescom wurde damit ein liebevoller Gruß nach Köln geschickt. In den Ausschüssen fand der forsche Vorschlag allerdings keine Mehrheit: Der FDP-Antrag wurde einigermaßen humorlos abgelehnt.
Im August 2023 starteten die Jung-Liberalen in Bayern einen gleichlautenden PR-Vorstoß: „Mit der Gamescom kann Bayern nicht nur zeigen, dass wir mehr als Lederhose und Oktoberfest sind, sondern sich auch noch einen der Big Player in der Digitalwirtschaft ins Land holen.“
Mit dem Wunsch, den Kölnern die Gamescom abzuluchsen, standen die Freien Demokraten nicht alleine. So ließ Berlins SPD-Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey keine Gelegenheit ungenutzt, um ihr Interesse an einer Hauptstadt-Gamescom in Mikrofone und Kameras zu diktieren. 2023 dachte sie zum Beispiel zum wiederholten Male ergebnisoffen drüber nach, „ob bestimmte Messen, die derzeit woanders stattfinden, besser in Berlin aufgehoben wären.“
Was Giffey nicht sagte: Wie sich „bestimmte Messen, die woanders stattfinden“ mit bestimmten Messen vertragen, die bereits in Berlin stattfinden – und zwar im selben Zeitraum, am selben Veranstaltungsort, mit der selben Klientel, nämlich die IFA.

Doch das ist jetzt ohnehin Makulatur. Seit Mittwoch ist klar: Bis auf Weiteres können alle Hätte-Wäre-Wünsch-dir-was-Planspiele ad acta gelegt werden, denn die Gamescom ist wieder vom Markt. Koelnmesse und Verband haben sich erwartbar auf eine Fortsetzung ihres gemeinsamen Erfolgs-Konzepts verständigt. Never change a running … Sie wissen schon.
Wer andere Messe-Standorte in Deutschland kennt, wird zustimmen: Man kann es ungleich schlechter treffen als in Köln. Das rechtsrheinische Koelnmesse-Gelände lässt wenige Wünsche offen und ist tipptopp angebunden – ICE-Bahnhof direkt vor der Tür und keine 15 Minuten entfernt von Altstadt und Dom. Das Einzugsgebiet: riesig. Zudem investiert die Messe erkennbar in die Substanz: XXL-Displays, Parkhäuser, Hightech-Hallen.
Zugute halten muss man den politisch Verantwortlichen in der Düsseldorfer Staatskanzlei und im Kölner Rathaus außerdem, dass sie die Gamescom schon immer dringender wollten als alle anderen – und nach wie vor wollen, mit jeder Faser. Und mit jedem Cent, der sich in haushalterischen Sofaritzen findet.
Logische Konsequenz: Während in anderen Bereichen gespart und gestrichen wird, bis es quietscht, soll es der Games-Industrie an nichts mangeln – 135.000 € für die Devcom, 225.000 € für den Congress, dazu 250.000 € fürs Gamescom City Festival, diesem launigen Mix aus Streetfood-Biergarten, Mitmach-Karaoke und E-Scooter-Parcours.
Das Geld ist vermutlich gut investiert. Alle wissen um den Wert dieser Veranstaltungen, die erfreulich engmaschig mit ganz vielen kommunalen GmbHs verwoben sind. Das Geld bleibt im System. Die Koelnmesse? Gehört zu 79 Prozent der Stadt. Der Tanzbrunnen, wo die Branchenparty steigt? Städtisch. Wer organisiert das Catering? Koelncongress. Alles aus einer Hand. Läuft.
Auf Nachfrage nicht beantworten kann oder will der Branchenverband, ob es überhaupt und wenn ja: wie viele Interessenten es für die Gamescom-Lizenz gegeben hat. Sprich: Ob der Deal alternativlos war – und es somit ’nur‘ darum ging, zu bestmöglichen Konditionen mit den Stammspielern zu verlängern.
Zumindest ist aus anderen Landesteilen kein vergleichbares Werben überliefert. Fraglos würde ein solches Großereignis beispielsweise dem Freistaat Bayern – bekanntlich ein „digitales Premiumland“ – zur Ehre gereichen. Doch der Ministerpräsident ließ sich noch nie auf der Gamescom blicken. Was nichts heißt. Wenn sich Söder in einem Nebensatz als „Fan und Förderer der Games-Branche“ outet, müssen allerorten die Alarmglöckchen bimmeln, dass nach der Automesse IAA auch eine Gamescom dem weißblauen Beuteschema entsprechen könnte.
Doch die Messe ist gelesen. Die Gamescom bleibt in Köln. Wie lange? Ebenfalls super-geheim. „Langfristig“, heißt es wolkig. Fünf, eher sechs Jahre werden es wohl sein, legt man die bisherigen Vereinbarungen zugrunde.
Was umgekehrt auch Planungssicherheit für den Verband schafft – zumindest solange nicht wieder eine Pandemie mit Reisebeschränkungen und Abstandsregeln dazwischen kommt, die 2020 und 2021 den Vor-Ort-Messebetrieb verhindert und die Bilanzen verhagelt hat. Die rein digitalen Corona-Ausgaben waren ein Schlag ins Kontor für alle Beteiligten; der Bund sprang mit Überbrückungshilfen ein.
2022 ist das Vor-Ort-Geschäft wieder angelaufen – und damit auch der Umsatz beim Game e. V.: In der Restart-Saison 2022/2023 nahm der Verband in Summe 4,4 Mio. € ein, im Jahr drauf schon 7,7 Mio. €, wie Rechenschaftsberichte im amtlichen Lobbyregister zeigen. Der deutliche Anstieg erklärt sich ausweislich der Unterlagen „hauptsächlich durch die höheren Umsätze mit der Messe Köln und die nach der Corona-Pandemie wieder regulär durchgeführte Gamescom ergibt.“
Voraussetzung für eine weiterhin gedeihliche Gamescom: dass Aussteller und Ticket-Käufer mitspielen. Ein Selbstläufer ist das nicht. Denn die geopolitischen Herausforderungen verschärfen die hausgemachten Probleme einer Branche, bei der Vieles schrumpft (Umsatz, Belegschaften, Risikobereitschaft), während zuverlässig nur eine Kennzahl steigt: die Kosten.
Das gilt auch und gerade für Gamescom-Übernachtungen. Die Vertragsverlängerung hat der Hotellerie in Köln und Umgebung eine Art Blankoscheck beschert, auf Jahre hinaus nach oben offene Zimmerpreise nach dem Motto „Whoever it takes“ aufzurufen. Die Stadt Köln kassiert per Autopilot mit – via ‚Kulturförderabgabe‘ von 5 Prozent auf jede Hotelrechnung.
Immerhin geht damit ein aktiver Beitrag zum Bürokratie-Abbau einher: Musste man als Geschäftsreisender stets mühsam ein Formular ausfüllen, um die Touristen-Gebühr zu vermeiden, so entfällt dieser Vorgang seit Sommer 2024 ersatzlos.
Ab sofort zahlen einfach alle.
Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen
Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft
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In meinen Augen ist es bereits eine Freude, die Gamescom in der regionalen Nähe zu haben, eben auch weil die meisten anderen großen Veranstaltungen in anderen Teilen Deutschlands stattfinden – international aber nicht unbedingt besser erreichbar sind.
Zu den Hotelpreisen: Es ist wirklich keine Kunst ein erschwinglichen Hotel zu finden, von dem aus man mit dem Zug nach Köln Messe/Deutz direkt vor die Hallen fahren kann. Man sollte einfach nicht nur direkt in Köln suchen, sondern den Horizont erweitern. Man ist übrigens oft genauso lange durch Köln unterwegs, wie man mit dem Zug aus dem Umland zur Messe fährt.
Was finanziert der Game Verband mit diesen enormen Einnahmen?
– Geschäftsanbahnungsreisen, deren Vergünstigungen nur für große Firmen (ähm, wer ist im Vorstand, ah, Deck13, Ubisoft, Astragon und Nintendo) in Frage kommt, weil es sowieso zu teuer ist?
– Für wichtige und tiefgründige Recherche dass die Gamesbranche unbedingt(!!) Windhundverfahren und Steuervergünstigungen möchte (denn, ach, wer hätte es gedacht, hier profitieren ja auch die großen Studios erneut von)
Ich bin ehrlich interessiert zu wissen, was mit diesen Einnahmen passiert. Die tatsächlichen Teilnehmer an den Rabatt-Events stehen auf einem anderen Blatt…
Zunehmend mehr Menschen boykottieren die gamescom Hotel Preise. Es ist einfach nicht mehr in Relation zu setzen 150€ aufwärts pro Nacht für Baracken zu zahlen. Für so manche Kosten auch als Mitglied des Game Verband kann man Indie Entwickler sogar zur GDC schicken. Wo bleibt da noch Sinnhaftigkeit? Aus Bekanntenkreisen erfahre ich immer wieder das man zu unortodoxen Methoden zurückgreift, wie in der Messe zu schlafen, im Auto oder auch einfach nur 2 Tage durchzumachen was an Wahnsinn greift.
Ich werde für meinen Teil, dieses Jahr das erste mal die gamescom nach über 14 Jahren boykottieren, da ich nicht gewillt bin die Preise mehr zu zahlen.
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