
Die USA boykottieren? Good-bye and good luck! Studios und Publisher aller Größenordnungen sind auf US-Partner angewiesen.
Verehrter GamesWirtschaft-Leser,
verehrte GamesWirtschaft-Leserin,
„Solange Trump regiert, bringen mich keine zehn Pferde mehr auf die GDC …“
So und ähnlich schalmeite es in den vergangenen Wochen markig in Social-Media-Posts, Chats und Telefonaten mit Blick auf die Game Developers Conference in Kalifornien – nimm dies, Donald! Eine ähnliche Tendenz gibt es offenbar bei Urlaubsreisen. Also lieber NRW statt NYC – in der Eifel, im Harz oder auf Usedom soll’s ja auch ganz nice sein. Immerhin drohen dort weder Festnahme noch Abschiebehaft, anders als in den USA. Neuerdings soll dafür schon genügen, wenn man versehentlich falsche Angaben zum Zweck der Reise macht oder zwei Tage länger bleibt als geplant.
Da beißt die Maus keinen Faden ab: Seit der Wiederwahl im November, spätestens aber mit dem Amtsantritt des 47. Präsidenten im Januar haben sich die Image-Werte der Vereinigten Staaten von Amerika in nicht für möglich gehaltenem Tempo eingetrübt – erst recht in Kanada und Grönland, die Trump ja als US-Bundesstaaten mit der laufenden Nummer 51 und 52 betrachtet.
Über Jahrzehnte eingeübte diplomatische Spielregeln gelten nicht mehr: Tonlage und Auftreten gegenüber Partnern erinnern vielmehr an eine übellaunige Schulhof-Gang, die nur auf die nächste Gelegenheit lauert, um ihren Mitschülern im Vorbeilaufen einen mitzugeben – und sei es ’nur‘ verbal.
Positiv formuliert: Es wird nicht langweilig. Das morgendliche Absurfen der Nachrichten-Portale erinnert an TV-Serien, wo sich Cliffhanger an Cliffhanger reiht. Das hat er nicht wirklich gesagt, gepostet, gemacht? Oh, hat er offenbar doch.

Neueste America-First-‚Idee‘ aus dem sehr Weißen Haus: 25 Prozent Import-Zölle auf Autos aus europäischer Fertigung. Die Folgen: dramatisch. Zuvorderst für deutsche Premium-Autobauer – aber natürlich auch für Amerikas Verbraucher, die Trump ja auch in der Erwartung gewählt haben, dass der Alltag wieder halbwegs bezahlbar wird.
Zwar war es schon immer etwas teurer, einen Porsche, Mercedes oder BMW zu fahren – für US-Kunden wird es endgültig zum Luxus. In der Branche und an den Börsen löste die (erwartbare) Trump-Ankündigung ein (erwartbares) Beben aus – Banken senken reihenweise Kursziele. Jeder dritte Pkw, der in Zuffenhausen vom Band läuft, geht per Schiff in die Staaten.
Die EU hat sich auf dieses Szenario nach eigenem Bekunden vorbereitet und will mit massiven Gegenzöllen antworten. Welche genau: noch offen. In den vergangenen Wochen wurden bereits Lobby-Verbände, Handelskammern, Unternehmen und Gelehrte nach ihrer Einschätzung befragt. Die Deadline endete am gestrigen Donnerstag – Entscheidungen werden für die nächsten Tage erwartet. Spätestens Mitte April sollen die Maßnahmen in Kraft treten.
Die delikate Aufgabe lautet: Wo und wie lässt sich die US-Wirtschaft am präzisesten und empfindlichsten treffen – ohne dass es einem selbst auf die Füße fällt?
Ein möglicher Hebel sind die digitalen Geschäftsmodelle der US-Tech-Riesen, wie eine aktuelle Goldman-Sachs-Studie nahelegt – und hier wiederum die Niederlassungen in Irland. Meta, Musk, Microsoft – alle in Dublin. Für die grüne Insel sprechen die nicht vorhandene Sprachbarriere, die freundlichen Menschen, das raue Klima, zur Not das Guinness. Ach ja, und die angenehm niedrige Körperschaftssteuer von 12,5 Prozent.
Aber das muss ja nicht so bleiben. Dinge können kaputt gehen. Dass mit der EU nicht zu spaßen ist, zeigt die jüngste Steuernachforderung von 13 Mrd. € bei Apple Ireland, die nach jahrelangem Rechtsstreit durchgesetzt wurde.
Doch das ist nur eine denkbare Variante. Auf der schier endlos langen EU-Brainstorming-Liste möglicher Grausamkeiten finden sich vor allem physische Produkte wie Truthähne, Kronleuchter, Pferdefleisch, Rasenmäher, Shrimps, Schraubenzieher, Buttermilch-Erzeugnisse und Laminatböden, aber eben auch „Games“. Würde also bedeuten: Für die Einfuhr von US-Videospielen – sagen wir: Grand Theft Auto 6 oder EA Sports FC 26 oder das kommende Call of Duty – könnten theoretisch Zölle fällig werden, die die Hersteller natürlich an die Kundschaft weiterreichen.
Gaming würde damit für hiesige Gamer teurer – egal ob man nun ein Vollpreis-Spiel oder Spielwährung oder In-Game-Items oder ein Game-Pass-Abo erwirbt.
Eine härtere Gangart in Form von Zöllen und Abgaben träfe aber nicht nur die Konsumenten, sondern die europäische Games-Industrie selbst. Denn von jedem Euro, der in und mit PC-, Konsolen- und Mobile-Games erzielt wird, gehen pi mal Daumen 30 Cent als Provision an den Appstore- oder Plattformbetreiber. Und der sitzt fast immer in den USA: Google, Apple, Epic Games, Microsoft, Valve (Steam).
Vergleichbare Marktanteile gibt es bei Cloud-Infrastruktur, Video-/Streaming-Portalen, Social Media, KI-Tools oder Software-Baukästen, wo sich die meisten Studios zwischen Unity und Unreal (also Epic) entscheiden. Wir reden mindestens von Oligopolen, wenn nicht Duo- und Monopolen. Allein die Marktmacht von Steam ist so riesengroß, dass selbst Player wie Electronic Arts, Ubisoft und Take-Two nach vorübergehender Wär-doch-gelacht-wenn-wir-das-nicht-selbst-könnten-Abstinenz wieder kleinlaut zurückkehrten.
Gegen einseitige Mehrbelastungen könnte sich Europas Spiele-Industrie erst recht kaum wehren. Einfach deshalb, weil sie sehr klein, sehr fragil und sehr abhängig ist – zumindest im Vergleich mit finanziell hochpotenter Konkurrenz aus China, Japan, Südkorea oder den USA.
Wenn man das Ranking der 100 Games-Unternehmen mit dem höchsten Börsenwert durchgeht, muss man ganz schön weit nach unten scrollen, um auf Platz 23 zum ersten EU-Unternehmen zu stoßen: Es ist das polnische The Witcher-/Cyberpunk 2077-Studio CD Projekt, das mit 5,4 Mrd. $ bewertet wird und 70 Prozent des Umsatzes in Nordamerika erwirtschaftet. Dann kommt lange: nichts. Embracer liegt bei 2,3 Mrd. €, Paradox und Ubisoft bei je 1,9 Mrd. €.
Peanuts, wie führende Deutsche-Bank-Bänker sagen würden.
Hinzu kommt: So richtig ‚indie‘ sind die allerwenigsten Spielehersteller auf dem Kontinent. China ist Mehrheits- oder Großaktionär bei Paradox, Techland, Funcom, Remedy, Frontier, Supercell und mehr denn je bei Ubisoft. Saudi-Arabien hat 1 Milliarde $ in die Embracer Group investiert, war dann aber offenkundig nicht bereit, weiteres Geld nachzuschießen. Was als ursächlich für die Krise des schwedischen Games-Konzerns gilt – mit ihren weitreichenden und längst noch nicht abgeschichteten Folgen, auch und gerade in Deutschland.
Die angeschossene Spiele-Industrie in Europa kann es sich schlichtweg nicht leisten, jetzt auch noch zwischen die Fronten eines transatlantischen Tech-Handelskriegs zu geraten. Denn der Druck ist schon jetzt riesig und wird zunehmend auf dem Rücken von Belegschaft und Kunden ausgetragen.
Vor diesem Hintergrund hat es bestenfalls symbolischen Charakter, wenn man US-Destinationen in William-Wallace-Manier ‚boykottiert‘ und auf ein Airbnb-GDC-Gemach im Großraum San Francisco verzichtet.
Denn zur unbequemen Wahrheit gehört: Wer Games entwickelt und Personal und Miete bezahlen will, ist mehr denn je auf funktionierende Vertriebs-Plattformen und pünktliche Schecks angewiesen. Und die kommen nun mal in vielen Fällen und ausgesprochen alternativlos aus den USA. Stand: jetzt.
Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen
Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft
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Da kommt MultiPayer ja gerade zum richtigen Zeitpunkt… 🙂
Mal ganz davon abgesehen, dass es am Ende mehr die Studios als die Kunden trifft. Reseller-Plattformen sitzen zumeist in Regionen, wo man weder Zölle noch Steuern fürchtet – geschweige denn zahlt. Die Folge wird sein, dass in diesem Szenario mehr Konsumenten auf diese Plattformen ausweichen, mit drastischen Verlusten für die Entwickler. Den Kunden wird das nicht interessieren, spätestens dann wenn das Hobby unbezahlbar wird sinkt auch die Hemmschwelle auf solche grauen Märkte auszuweichen. Alkohol ist – entgegen der bayrischen propagandamaschine Södermarkus – schließlich auch keine Lösung
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