Start Gamescom Gamescom Berlin: Wie realistisch ist der Giffey-Plan?

Gamescom Berlin: Wie realistisch ist der Giffey-Plan?

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Die damalige Familienministerin Franziska Giffey (SPD) auf der Gamescom 2019 in Köln (Foto: Koelnmesse / Maxi Uellendahl)
Die damalige Familienministerin Franziska Giffey (SPD) auf der Gamescom 2019 in Köln (Foto: Koelnmesse / Maxi Uellendahl)

SPD-Wirtschaftssenatorin Giffey will Berlin zur Games-Hauptstadt machen – und liebäugelt offenkundig mit einem Umzug der Gamescom.

„Die Koalition setzt sich für die Etablierung einer Leitveranstaltung im Games-Bereich ein.“ So steht es geschrieben im Koalitionsvertrag zwischen CDU und Sozialdemokraten – und die frisch vereidigte SPD-Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey denkt gegenüber RBB24 Inforadio laut darüber nach, „ob bestimmte Messen, die derzeit woanders stattfinden, besser in Berlin aufgehoben wären.“

Damit untermauert Giffey jene Ambitionen, die sie schon zuvor als Regierende Bürgermeisterin formuliert hat – nämlich: Berlin zur „Games-Hauptstadt Nummer 1“ zu machen. Dieser Anspruch wurde im Umfeld der Computerspielpreis-Verleihung am vergangenen Donnerstag bei faktisch jeder Gelegenheit platziert.

‚Leitveranstaltung im Games-Bereich‘ heißt zwangsläufig: Gamescom. Das Großereignis wird seit 2009 alljährlich im August in Köln ausgetragen und startet in diesem Jahr am 23. August. Vizekanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90 / Die Grünen) hat zur Eröffnung zugesagt, was einmal mehr die nationale und internationale Relevanz des Formats unterstreicht. 265.000 Besucher kamen 2022 nach Köln – die Gamescom gilt als drittgrößte Fach- und Publikumsmesse des Landes.

Berliner und Kölner Verlagshäuser spielen seit Tagen ein mediales Ping-Pong um die Frage, ob sich der bestehende Austragungsort den kühnen Abwerbe-Versuch unwidersprochen gefallen lassen dürfe. Es ist nicht das erste Mal, dass diese Frage diskutiert wird: Erst 2021 formulierte die FDP-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus einen entsprechenden Antrag. Auch 2018 gab es hitzige Debatten um den vermeintlich „besten Standort“ für die Messe, auch befeuert durch die damals schwierige Hotelbetten-Situation in und um Köln (die sich inzwischen spürbar entspannt hat).

Die Gamescom 2022 zählt zu den drei größten Messen 2022 in Deutschland (Stand: 20. Dezember 2022)
Die Gamescom 2022 zählt zu den drei größten Messen 2022 in Deutschland (Stand: 20. Dezember 2022)

Dabei ist die Ausgangslage ganz einfach: Wo und wie die Gamescom stattfindet, entscheidet der Hüter der Marke ‚Gamescom‘ – nämlich der Industrieverband Game, der den Vertrag regelmäßig mit der Koelnmesse verlängert hat. Daneben sind beide Partner auf vielfältige Weise verwoben: So bauen und betreiben die Kölner unter anderem den deutschen Pavillon auf der Game Developers Conference (GDC) in San Francisco.

Giffey-Plan: Kann Berlin überhaupt Gamescom?

Eine ausführliche GamesWirtschaft-Analyse hat schon vor vier Jahren ergeben, dass es nach objektiven Kriterien nur ganz wenige passende Messeplätze im Land für die Gamescom gibt. Denn allein mit Blick auf die Dimension der Videospiele-Messe scheiden faktisch alle bekannten Standorte aus, darunter Leipzig, Nürnberg, Hamburg, München und eben auch Berlin. In den Hallen unter dem Funkturm stehen maximal 170.000 Quadratmeter für die Grüne Woche oder die IFA zur Verfügung – die Gamescom belegt hingegen regelmäßig mehr als 200.000 Quadratmeter.

Welche Stadt "kann" Gamescom? In Deutschland gibt es neben Köln nur drei weitere Messe-Standorte mit mehr als 200.000 Quadratmetern Fläche (Stand: September 2018)
Welche Stadt „kann“ Gamescom? In Deutschland gibt es neben Köln nur drei weitere Messe-Standorte mit mehr als 200.000 Quadratmetern Fläche (Stand: September 2018)

Kurzum: Berlin war und ist zu klein für die Gamescom. Nur vier Standorte in Deutschland bringen genügend Fläche für eine Ausrichtung nach bisherigem Zuschnitt mit: Hannover, Frankfurt, Düsseldorf und eben Köln. Bestenfalls eine Nebenrolle spielt dabei der Faktor, wie viele und welche Games-Unternehmen es vor Ort gibt. Zwar zählt Berlin in der Tat zu den wichtigsten Studio-Hotspots, allerdings mit Schwerpunkt Online- und Mobilegames, deren Hersteller üblicherweise nicht auf Publikumsmessen ausstellen. Die Gamescom-Großkunden sitzen hingegen in Nordrhein-Westfalen, Bayern und Hessen.

Ein weiterer, wichtiger Aspekt: das Timing. Gamescom (Ende August) und IFA (Anfang September) gehen derzeit fast ineinander über. Zwei Unterhaltungselektronik-Messen im gleichen Zeitraum am selben Ort ergeben wenig bis keinen Sinn.

Die Chancen für einen außerplanmäßigen Wechsel der Gamescom von Köln nach Berlin sind daher – Stand jetzt – nahe Null. Doch das Beispiel Internationale Automobilausstellung (IAA), die nach 70 Jahren von Frankfurt nach München umzog, zeigt eben auch, dass einmal etablierte Messe-Standorte nicht für ewige Zeiten in Stein gemeißelt sein müssen. Frag nach in Leipzig. Bis auf Weiteres wird Giffey jedoch anderweitige Messe- und Event-Alternativkonzepte ins Auge fassen müssen – oder ein komplett neues Format aufsetzen.


Die Gamescom 2023 findet vom 23. bis 27. August in Köln statt. Der Kartenvorverkauf hat bereits begonnen. Alle Informationen rund um die Messe (Öffnungszeiten, Programm, Aussteller usw.) finden Sie in unserer Gamescom-Rubrik.