Start Politik Lootboxen: WestLotto legt Gesetzentwurf vor – Verband ist „irritiert“

Lootboxen: WestLotto legt Gesetzentwurf vor – Verband ist „irritiert“

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EA Sports FC 24: Die Wahrscheinlichkeit, Weltstars wie Haaland oder Kane per Lootbox zu 'ziehen', ist homöopathisch (Abbildung: EA)
EA Sports FC 24: Die Wahrscheinlichkeit, Weltstars wie Haaland oder Kane per Lootbox zu 'ziehen', ist homöopathisch (Abbildung: EA)

„Irritiert“ zeigt man sich beim Branchenband Game über den Vorstoß des staatlichen Lotterieveranstalters WestLotto, der Lootboxen regulieren will.

6 aus 49, EuroJackpot, Spiel 77, Keno und Toto gehören zum Sortiment von Westlotto, nach Eigenwerbung „Deutschlands größter Lottoanbieter“. Jetzt hat WestLotto (Motto: „Wir haben die Spiele, du den Spaß“) einen ausformulierten Gesetzesvorschlag vorgelegt, um „glücksspielähnliche Elemente im Gaming“ zu regulieren – im Klartext: Lootboxen.

Solche ‚Beuteboxen‘ sind seit Jahren Gegenstand erbitterter Debatten – auch in Deutschland und insbesondere in Österreich, wo Sony Interactive und US-Publisher Electronic Arts zuletzt zu Rückzahlungen verurteilt wurden. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass Lootboxen in FIFA-Spielen als Glücksspiel einzustufen sind – das Monopol liegt beim Staat, es bedarf also einer Erlaubnis.

Allein bei Electronic Arts entfällt deutlich mehr als die Hälfte des Umsatzes auf dieses Geschäftsmodell: Spieler des Ende September erschienenen FIFA-Nachfolgers EA Sports FC 24 können ihren Online-Kader aufwerten, indem sie digitale Sammelkarten-Pakete erwerben. Darin finden sich zufallsgenerierte Fußballstars unterschiedlicher Wertigkeit, die entsprechend selten auftauchen – eine Mechanik, die Lootboxen zum Beispiel von Panini-Alben unterscheidet. Wer also Kane, Mbappé oder Haaland im Team haben will, muss entsprechend viele ‚Lose‘ ziehen. Die (homöopathischen) Wahrscheinlichkeiten werden vor dem Kauf neuerdings zumindest grob beziffert.

Wegen dieser Zufalls-In-Game-Käufe und des aufgebauten Handlungsdrucks wurde EA Sports FC 24 von der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) erstmals ab 12 Jahren eingestuft– in den zurückliegenden Jahrzehnten waren die EA-Fußballspiele stets ohne Einschränkungen freigegeben. Die strengeren Regularien sind eine unmittelbare Folge der Reform des Jugendschutzgesetzes – in der Praxis ergeben sich aus ‚USK 12 statt USK 0‘ keine Konsequenzen für Vertrieb und Vermarktung.

EA Sports FC 24 ist mit dem grünen USK-12-Siegel ausgestattet - während die FIFA-Vorgänger ohne Einschränkungen freigegeben sind (Abbildungen: EA)
EA Sports FC 24 ist mit dem grünen USK-12-Siegel ausgestattet – während die FIFA-Vorgänger ohne Einschränkungen freigegeben sind (Abbildungen: EA)

Regulierung von Lootboxen: WestLotto legt Gesetzentwurf vor

Die Games-Industrie sieht wenig bis keinen darüber hinausgehenden Handlungsbedarf – WestLotto hingegen schon. Es handele sich bestenfalls um einen ersten Schritt. „Führende Wissenschaftler aus dem Bereich der Suchtforschung sind da in ihrer Bewertung deutlich: Mit 12 Jahren hat der Gesetzgeber immer noch besondere Kinder- und Jugendschutzanforderungen an sein Regelwerk zu stellen“, erklärt WestLotto-Sprecher Axel Weber auf GamesWirtschaft-Anfrage. „Grundsätzlich ist es doch nicht verständlich, dass Glücksspielangebote für Erwachsene im Glücksspielrecht klare Einschränkungen haben und gleichzeitig für Kinder und Jugendliche diese Restriktionen nicht gelten.“

WestLotto diagnostiziert also eine Ungleichbehandlung beider Segmente.

Konkret fordert WestLotto daher eine Ergänzung des Jugendschutzgesetzes um einen § 14b – und damit gleiche Spielregeln wie im klassischen Glücksspiel-Bereich, zum Beispiel:

  • Registrierung der Spieler mit Vorname, Nachname, Geburtsdatum und Wohnsitz
  • Angabe eines monatlichen Einzahlungslimits
  • Angabe einer maximalen Zahl von Erwerbs-Vorgängen für Lootboxen
  • Ausweis der eingesetzten Beträge in Euro und Cent
  • Aufklärung über Suchtrisiken
  • Einrichtung einer eigenen Lootbox-Hotline bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA) – finanziert von den Spieleherstellern
  • Zwei-Faktor-Authentifzierung von Zahlungsmitteln

Die Zufallsgeneratoren für die „Befüllung der Lootboxen“ müssten zudem von unabhängigen, behördlich bestellten Dritten regelmäßig auf ihre ordnungsgemäße Funktion überprüft werden. Und: Lootboxen sollen gegenüber Minderjährigen nicht mehr beworben werden dürfen; Kinder unter 7 Jahren sollten gar keine Lootboxen erwerben dürfen.

Würden diese Vorschriften umgesetzt, wäre auch der Vertrieb der derzeit freiverkäuflichen Guthabenkarten für EA Sports FC 24 & Co. über Online-Shops, Supermärkte und Tankstellen nicht mehr möglich.

WestLotto-Pressesprecher Axel Weber (Foto: Westdeutsche Lotterie)
WestLotto-Pressesprecher Axel Weber (Foto: Westdeutsche Lotterie)

WestLotto: „Wir führen keinen Kampf gegen Lootboxen.“

Welche Spielehersteller und Games der Lotto-Anbieter dabei im Blick hat, bleibt auch auf Nachfrage unscharf. Es gehe grundsätzlich um glücksspielähnliche Elemente mit Echtgeldeinsatz sowie Lootboxen mit Echtgeldeinsatz. „Ob auch darüber hinaus Angebote mit anderen spielinternen Währungen mit berücksichtigt werden sollen, muss der Gesetzgeber entscheiden“, so Weber.

Seine Erwartungen an die Spielehersteller: „Wir fordern die Erkenntnis der Verantwortungsträger in der Industrie, dass mit diesen Produktangeboten nicht nur Geld verdient wird, sondern eben auch eine besondere gesellschaftliche Verantwortung einhergeht. Und zur Verantwortung gehört auch, Risiken zu erkennen und zu versuchen, diese zu minimieren.“

Dabei gehe es nicht um Verbote, sondern um eine Regulierung, die Kinder und Jugendliche schützt – und die verhindert, dass Minderjährige an Glücksspiel gewöhnt würden. Weber: „Wir führen keinen Kampf gegen Lootboxen.“

FC Points sind die Spielwährung in EA Sports FC 24, mit der widerum Lootboxen in Form von Ultimate-Team-Packs gekauft werden können (Screenshot)
FC Points sind die Spielwährung in EA Sports FC 24, mit der widerum Lootboxen in Form von Ultimate-Team-Packs gekauft werden können (Screenshot)

Coin Master und die Folgen

Doch warum kommt der Vorstoß gerade jetzt? Weil sich der Lotterie-Anbieter nach eigenen Angaben seit Jahren um „konstruktive Gespräche“ mit der Games-Industrie bemühe – ohne Erfolg. Initialzündung für den Austausch mit Wissenschaftlern und Juristen sei die umstrittene Spiele-App Coin Master gewesen, nach wie vor eines der umsatzstärksten Games im Appstore.

2019 forderte Weber, die Vermarktung von „simuliertem Glücksspiel“ gegenüber Kindern und Jugendlichen zu verbieten – auch ZDF-Satiriker Jan Böhmermann schaltete sich in die Debatte ein. Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien entschied sich hingegen, die App nicht auf den Index zu setzen (Kolumne).

Der aktuelle Vorstoß sei aus Webers Sicht aus deshalb wichtig, um Entwicklungen zu verhindern, die dazu führen, „dass wir in wenigen Jahren die Kinder von heute als Erwachsene Personen mit Spiel- und Glücksspielstörungen haben werden.“

Das Smartphone bleibt die beliebteste Games-Plattform der Deutschen - derzeit erfolgreichste App: "Coin Master" (Screenshot)
Das Smartphone bleibt die beliebteste Games-Plattform der Deutschen – derzeit erfolgreichste App: „Coin Master“ (Screenshot)

Glücksspiel-Industrie sucht Annäherung an Games

Das Thema Lootboxen ist nur eine, wenngleich zentrale Facette einer seit Jahren zu beobachtenden Entwicklung. Denn die Glücksspiel-Branche sucht – nicht zum ersten Mal – die dringende Nähe zum weitaus geringfügiger regulierten Videospiele-Segment. Erst am 5. Oktober fand im Berliner Maritim-Hotel der Bundeskongress zum Glücksspielwesen statt, die vom Bundesdrogenbeauftragten Burkhard Blienert (SPD) eröffnet wurde. Top-Thema nach dem Mittagessen: „Lootboxen und Responsible Gaming“.

Laut Programm seien Lootboxen „im Gaming beinahe allgegenwärtig“ – und daher müsse dringend über den Schutz junger Menschen vor Suchtgefahren gesprochen werden, gerade mit Blick auf die „Förderung der Industrie“. Der Hinweis zielt auf die derzeit in schwerer See befindliche Computerspiele-Förderung des Bundes ab. Auch drei Bundestagsabgeordnete von Grünen, CDU/CSU und SPD waren zugeschaltet.

Lootboxen-Vorstoß von WestLotto: Game-Verband ist „irritiert“

Beim Branchenverband Game sieht man indes „keine regulativen Lücken beim Thema Lootboxen“: Jedes vierte Spiel, das Online-Funktionen enthält, bekommt von der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) neuerdings eine höhere Alterseinstufung. Auch die EU-Kommission sei an dem Thema dran, um einheitliche Regeln zu formulieren.

Game-Geschäftsführer Felix Falk (Foto: Verband der deutschen Games-Branche e. V.)
Game-Geschäftsführer Felix Falk (Foto: Verband der deutschen Games-Branche e. V.)

Die Games-Unternehmen kämen ihrer Verantwortung bereits nach: „In den vergangenen Jahren wurden Lootbox-Angebote vielfach freiwillig und auf Basis von Community-Feedback angepasst“, betont Game-Geschäftsführer Felix Falk gegenüber GamesWirtschaft. „Hierzu gehört beispielsweise die Angabe von Wahrscheinlichkeiten für bestimmte Inhalte oder das Zeigen aller in der Lootbox enthaltenen Items noch vor dem Kauf.“

Beim Verband zeigt man sich vielmehr „irritiert“ über den wiederholten Vorstoß von WestLotto zum Thema Lootboxen„einem für diese Branche völlig fremden Themenbereich“. Falk beobachtet bereits seit einigen Jahren Versuche der Glücksspiellobby, von einer „sachfremden Vermischung von Games und Glücksspielen“ profitieren zu wollen.

„Aber Games haben nichts mit Glücksspielangeboten gemein und das gilt ebenso für die Games-Branche insgesamt“, so Falk. „Allein der Blick auf die rund 500 Unternehmen in unserem Verband, in dem kein einziges Glücksspiel-Unternehmen vertreten ist, macht das klar.“

4 Kommentare

  1. Diese Lootboxen sind doch eh eine grosse Schummelei.Streamer und contenter bekommen ganz andere Packs wie der otto-Normal-Verbraucher.InGame wird dir dann nach paar Wochen simuliert dein Teqm ist zu schlecht,tausche einige Spieler.Woher kommen die neuen Spieler genau aus gekauften Lootboxen und seit doch mal ehrlich,warum kommt beim normalen Spieler aus 2×84+ 2 84ziger raus und beim Streamer 2 Champions League Karten.Dieses Spiel hat erstens so viele Bugs und Fehler da müsste man eigentlich die Hälfte das Geldes wieder zurück bekommen und zum anderen hat es sich in den letzten 3 Jahren so heraus kristallisiert das diese Firma mit lootboxen einen extremen Umsatz generiert.Die gehören Verboten wie in anderen Ländern auch,aber typisch Deutschland passiert nix

  2. Ich empfinde diese 3 Punkte als durchaus wichtig und richtig:
    > Angabe eines monatlichen Einzahlungslimits
    > Angabe einer maximalen Zahl von Erwerbs-Vorgängen für Lootboxen
    > Ausweis der eingesetzten Beträge in Euro und Cent

    nicht nur weil gerade Kinder und Jugendliche hier oft keinen Überblick in ihre montalichen Ausgaben haben sondern auch weil immer mehr Spiele die Kosten der zukaufbaren Inhalte durch umständliche Fantasiewährung und schleierhafte Umtauschkurse so verstecken, dass die tatsächlichen Kosten nicht mehr oder nur schwer zu ermitteln sind. Von daher finde ich die Initative gut, schließlich sieht die Gaming-Industrie keinen Grund aus ihrer Kompfortzone heraus irgendetwas zu unternehmen, es sei denn man zwingt sie dazu!

    Andere Länder wie Dänemark haben diese Mechaniken ja bereits komplett verboten und auch wenn Blizzard hier Diablo Immortal nicht veröffentlicht hat, so kann eine Industrie einen ganzen Kontinent nicht ignorieren wenn solch ein Verbot oder wenigstens eine starke Regulierung in EU-Recht umgesetzt werden wird. Da es bei aktuellen Entwicklungen weniger darum geht den Spielern ein tolles Produkt zu bieten sondern maximale Gewinnmaximierung auf kosten einzelner potetner Spieler (die sog. Wale), NFTs etc. fallen für mich auch darunter.

    Den Dreck braucht keiner also ruhig weg damit oder eben unter strenge gesetzliche Kontrolle!

    • Ein Verband ist natürlich zuerst dafür da, seine Mitglieder zu schützen und nicht die Kunden. Von daher war es klar, das vom Game Verband nix vernünftiges kommt. Die Erklärung von Herrn Falk ist aber eher weltfremd. Es gibt nicht umsonst bereits Verbote oder Gerichtsurteile (siehe Österreich). Nur weil für die Industrie Glücksspielmechaniken dazu gehören, muss man sie nicht für legitim erklären.

    • Also zumindest aus der aktuellen Playstation, kann man über den Konsoleninternen Shop sehen welche Ausgaben wann getätigt wurden, dies gilt auch für die Spielwährung von EA Sports FC 24.

      Diablo Immortal wurde in Deutschland veröffentlicht und kann meines Wissens nach auch aus den entsprechenden App Stores gedownloadet werden. Soweit ich weiß ist dies aber ab 16 freigegeben und somt theoretisch nicht für Kinder zu haben. Natürlich weiß dass dies kein Hindernis darstellt, aber ist zumindest „besser“ als EAs Produkt das ab 12 ist.

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