Als „deutlichen Weckruf“ beschreibt der Industrie-Verband die Ergebnisse einer Studie, die Deutschland bestenfalls im Mittelfeld der Games-Standorte verortet.
Am 16. November ist der Tag der Entscheidung. Genauer: die Nacht der Entscheidung. Denn bei diesem Verhandlungs-Marathon – der sogenannten Bereinigungssitzung – entscheiden die Haushaltspolitiker des Bundestags, ob Deutschlands Computerspiele-Entwickler zeitnah wieder mit Zuschüssen rechnen können. Oder ob es beim Status Quo bleibt, wie er sich aus dem Haushalts-Entwurf der Ampel ergibt – nämlich, dass neue Förder-Anträge für Computerspiele erst ab Anfang 2025 wieder möglich sind.
Just diese unberechenbaren Rahmenbedingungen im Wettbewerb der internationalen Games-Standorte hat der Branchenverband Game zum Anlass genommen, die Unternehmensberatung Goldmedia mit einer Studie zu beauftragen.
Das heute vorgestellte Papier (PDF) zeigt: Deutschland geht mit dem seit 2019 bestehenden Fonds-Modell einen Sonderweg. Denn viele andere Länder wie Großbritannien, Frankreich, Irland oder Kanada subventionieren die Studios vor Ort nicht mit Schecks, sondern über Steuergutschriften. Durch solche Tax Breaks beziehungweise Tax Credits sinken die Produktionskosten von Spielen automatisiert und verlässlich um 30 bis 35 Prozent. Derartige staatliche Förderprogramme haben dazu geführt, dass sich insbesondere kanadische Metropolen wie Québec, Toronto oder Montreal zu Hotspots entwickelt haben – mit Zuständigkeiten für Weltmarken wie Assassin’s Creed oder EA Sports FC.
Vergleichbare steuerliche Gestaltungsspielräume fordert auch der Industrieverband Game, um das derzeit geltende Windhundprinzip zu ersetzen: Denn analog zu Wallboxen oder Wärmepumpen gibt es nur solange Zuschüsse, wie die Fördertöpfe reichen. Seit Mai 2023 ist das Budget des zuständigen Wirtschaftsministeriums (BMWK) ausgereizt – und zwar auch schon bis Ende 2024. Warum? Weil die Zuschüsse nicht auf einmal ausbezahlt, sondern auf die komplette Laufzeit der Entwicklung verteilt werden.
Abhängig vom veranschlagten Budget übernimmt der Staat (respektive der Steuerzahler) bis zur Hälfte der Kosten – bei größeren Projekten mit Budgets ab 2 Mio. € sinkt dieser Anteil linear auf immerhin 25 Prozent. Weit über 200 Mio. € hat der Bund bereits in die Umsetzung von Spielen made in Germany investiert – was zwar zu einer Gründungswelle geführt hat. Die ersehnte Ansiedlung großer Niederlassungen hat bislang jedoch nicht stattgefunden.
Warum ist das so? Goldmedia hat dazu verschiedene Szenarien durchgerechnet – für Indie-Games mit einem Volumen von 1 Mio. €, für mittelgroße Spiele (AA) mit einem Budget von bis zu 10 Mio. € und schließlich für Blockbuster (AAA) mit Etats von 100 Mio. € aufwärts. Im Ergebnis liegt Deutschland bestenfalls im Mittelfeld. Sollte es bei der derzeitigen Haushaltsplanung bleiben, beträgt die Förderquote zwangsläufig null – Schlusslicht.
Auch der Laie ahnt: Für Investoren und internationale Publisher wäre dieses Umfeld nicht sonderlich attraktiv. Weshalb seit Einführung der Förderung auch erst zwei AA-Spiele im Land entstanden sind – der teuerste jemals hierzulande produzierte Titel datiert laut Goldmedia immer noch aus dem Jahr 2013: der Crytek-Shooter Crysis 3 mit 45 Mio. €. Diese Marke hat seitdem kein Projekt ansatzweise erreicht.
Game-Geschäftsführer Felix Falk nennt die Studie demzufolge einen „deutlichen Weckruf“. Denn die Rahmenbedingungen für Games-Entwicklung in Deutschland seien international nicht konkurrenzfähig – die selbstgesteckten Ziele der Bundesregierung ließen sich demzufolge nicht erreichen.
Kurzfristig, also mit Blick auf den Haushalt 2024, brauche es dringend eine Aufstockung der Fördermittel von derzeit veranschlagten 48,5 Mio. € auf 125 Mio. €., damit der seit Mai geltende Antrags-Stopp zum Jahreswechsel aufgehoben werden könne. „Außerdem braucht es zusätzlich eine steuerliche Förderung wie sie laut der vorliegenden Studie an nahezu allen erfolgreichen Games-Standorten längst Standard ist“, fordert Falk. „Nur sie schafft die Planungssicherheit und Zuverlässigkeit, die Deutschland dauerhaft zu einem der international erfolgreichsten Games-Standorte machen kann.“
Falk räumt auf Nachfrage ein, dass die Umsetzung eines solchen Steuermodells Zeit in Anspruch nehmen werde, da unter anderem die Bundesländer eingebunden werden müssten. Umso wichtiger sei es, die anhaltende Vollbremsung im Zuge der Haushaltsberatungen zu lösen. Der Verband ist zuversichtlich, dass die veranschlagten 125 Mio. € ausreichen würden, ohne dass es zeitnah wieder zu plötzlichen Annahme-Stopps käme. Der Geburtsfehler der Fördermechanik (nämlich die fehlende Planbarkeit) wird allerdings nicht behoben.
Die Top 10 der Games-Projekte mit den größten Zuschüssen aus der Bundes-Games-Förderung
Stand: 10. Oktober 2023 / Laufzeit-Ende in Klammern
- Ubisoft Mainz – Project Placeholder (11/2025) – 5,7 Mio. €
- Fishlabs – Project Black (8/26) – 5,5 Mio. €
- Deck13 Interactive – Foxtrott (11/26) – 5 Mio. €
- Piranha Bytes – Wiki6 (1/26) – 3,17 Mio. €
- Black Forest Games – Super Shotgun (5/25) – 3,16 Mio. €
- King Art – Tischplatte (1/26) – 2,6 Mio. €
- Grimlore Games – Titan Quest 2 (3/24) – 2,6 Mio. €
- King Art – Schießeisen (6/25) – 2,2 Mio. €
- Black Forest Games – Destroy All Humans! 2 (5/22) – 2,2 Mio. €
- Mimimi Games – Shadow Gambit: The Cursed Crew (9/23) – 2 Mio. €
Den Weg über Steuervorteile begrüße ich grundsätzlich – halte allerdings eine Förderung wie es sie aktuell gibt, nach wie vor für wichtig um gerade kleinen Studios / Startups zu helfen. Für größere Studios sind dann die Steuervorteile sicherlich die interessantere Variante und daher sollten Studios aber einer gewissen Größe dann auch von der direkten Förderung ausgeschlossen werden – damit würde man dann den Bedarf in diesem Feld auch nicht so stark ausufern lassen.
Zusätzlich könnte man bei dem Fördertopf auch durchaus darüber nachdenken, dass die erhaltene Förderung zumindest in Teilen als Darlehn gewährt wird, welches über die Umsätze des geförderten Projekts wieder zurückgezahlt wird (ähnlich wie es bspw. beim Medienboard Berlin-Brandenburg) der Fall ist.
Für kleinere Studios braucht es weiterhin einen Fördertopf – das sieht auch der Verband so. Denn Startups, Indies und Mittelständler haben üblicherweise kein Kostenthema (wie die ‚Großen‘), sondern zunächst mal ein Finanzierungsthema. Und da hilft es sehr, wenn das Geld auf dem Konto vorliegt.
Wenn am Ende des Tages von diesen Steuervorteilen auch etwas beim Konsumenten hängen bleibt und sich die Studios, insbesondere solche börsennotierten Giganten wie Ubisoft oder EA, am Ende nicht die Taschen voll machen, dann begrüße ich das durchaus.
Auf der anderen Seite hat die Aufstellung von GAMES.NRW mit dem klaren Ziel der Gründerunterstützung ja schon mehr als deutlich gezeigt, dass es an attraktiven Grunderförderprogrammen fehlt. Also eine Kombination aus Steuervorteilen und umfangreichen Gründungshilfen, nicht unbedingt ausschließich finanzieller Art aber überwiegend. Damit sollte dann auch langfristig nicht nur für eine monopolstellung einzelner Großunternehmen sondern ein vielfältiges Branchenbild gesorgt sein
Von den Steuervorteilen profitieren zwangsläufig auch internationale Publisher und Holdings. Das ist auch so beabsichtigt, weil es ja um Investitionen, Arbeitsplätze usw. geht.
Für Gründer und junge Studios braucht es andere Modelle. Die brauchen üblicherweise erstmal Kapital, um überhaupt ein Spiel zu bauen und Gehälter zu bezahlen.
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