Start Wirtschaft Bundesprüfstelle verzichtet auf Indizierung von Coin Master (Update)

Bundesprüfstelle verzichtet auf Indizierung von Coin Master (Update)

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Ausschnitt aus
Ausschnitt aus "NEO Magazin Royale": Jan Böhmermann seziert die "Coin Master"-App (Abbildung: ZDF)

Der nächste Coup von Jan Böhmermann: Nach einem „NEO Magazin Royale“-Beitrag beschäftigt sich die Bundesprüfstelle mit der populären Spiele-App „Coin Master“.

Update vom 5. März 2020: Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) hat entschieden, dass von den Spiele-Apps „Coin Master“, „Coin Trip“ und „Coin Kingdom“ keine jugendgefährdende Wirkung im Sinne des Jugendschutzgesetzes ausgeht.

Zwar sei die Verharmlosung von Glücksspiel „sozial-ethisch desorientierend“ – dieser Tatbestand werde von den drei Apps aber nicht erfüllt.

Zur Begründung führt die BPjM an, dass das derzeitige Jugendschutzgesetz lediglich Indizierungen aufgrund von inhaltebezogenen Risiken (Gewaltdarstellung, Kriegsverherrlichung etc.) zulässt, nicht aber von „Interaktionsrisiken“ – die sich etwa aus exzessiver Nutzung und finanziellen Nachteilen ergeben. Simuliertes Glücksspiel, wie es in „Coin Master“ zu finden ist, ist daher nicht Gegenstand der Spruchpraxis der Bundesprüfstelle.

Damit Risiken und Nebenwirkungen von Spielen wie „Coin Master“ einbezogen werden können, bedarf es zunächst einer „grundsätzlichen Erweiterung der gefestigten und durch Rechtsprechung bestätigten Spruchpraxis der Bundesprüfstelle zu Konsumtiteln mit Suchtgefährungspotenzial um den Tatbestand der Verherrlichung beziehungsweise Verharmlosung von Glücksspiel.“

Übersetzt: Die BPjM sieht keine rechtliche Handhabe, um simuliertes Glücksspiel in Online-Games und Apps zu verhindern.

Update vom 28. Januar 2020: Auf GamesWirtschaft-Anfrage hat die Bundesprüfstelle bestätigt, dass das Indizierungsverfahren für „Coin Master“ weiterhin anhängig sei. Die mündliche Verhandlung wird nach derzeitigem Stand im 1. Quartal 2020 stattfinden, also im Februar, spätestens im März.

Die Benennung eines konkreten Datums sei noch nicht möglich, da auch die Rechte der Verfahrensbeteiligten – in diesem Fall „Coin Master“-Anbieter Moon Active – zu berücksichtigen seien.

Über eine Indizierung von „Coin Master“ wird in einem gerichtsähnlichen Verfahren durch ein 12köpfiges Gremium entschieden. Dabei werden Grundrechte – etwa die Kunst- und Meinungsfreiheit – mit den grundrechtlich geschützten Belangen des Jugendschutzes abgewogen. Jeder Antrag sei ein Einzelfall – und werde auch als solcher behandelt. Besonderheit bei „Coin Master“: Anders als bei den üblichen Verdächtigen geht es hier weniger um den eigentlichen Spiel-Inhalt, sondern um die Spielanlage und -mechanik. Experten warnen vor den Risiken von sogenanntem „simuliertem Glücksspiel“.

„Coin Master“ würde in die Liste der jugendgefährdenden Medien aufgenommen, wenn sich mindestens zwei Drittel der Gremien-Mitglieder nach Anhörung der Beteiligten und geheimer Beratung dafür entscheiden. Das Ergebnis dieser Prüfung will die BPjM auf der Website veröffentlichen – ein eher ungewöhnlicher Vorgang, der sicher auch dem großen öffentlichen Interesse geschuldet ist.

Meldung vom 14. Oktober 2019: Fast 20 Minuten lang hat sich Moderator Jan Böhmermann am Donnerstagabend in seiner Sendung „NEO Magazin Royale“ an der Spiele-App „Coin Master“ abgearbeitet. Die bonbonfarbene Aufmachung samt knuffiger Tiere erweckt den Eindruck, dass sich die Smartphone-App in erster Linie an Kinder und Jugendliche richtet.

„Coin Master“ ist prinzipiell kostenlos spielbar, doch der Auf- und Ausbau des Dorfes samt Verteidigungsanlagen gelingt nur mit Münzen („Coins“), die man sich an einem simulierten Spielautomaten erspielt. Nach fünf Versuchen ist zunächst Schluss – es sei denn, der ungeduldige Spieler zahlt via In-App-Kauf. Experten sprechen von „simuliertem Glücksspiel“, weil dem Geld-Einsatz keine Geld-Auszahlung entgegen steht. Dadurch würden insbesondere Kinder abgezockt – zumal Prominente wie Dieter Bohlen, Daniela Katzenberger, Chart-Stürmer Pietro Lombardi und YouTuberin Bibi in Spots und auf ihren Kanälen für „Coin Master“ werben.

Seitens der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) heißt es, dass derartige Mechanismen ebenso wie Lootboxen keine Berücksichtung bei der Altersfreigabe finden. Smartphone-Apps wie „Coin Master“ durchlaufen ohnehin allenfalls das standardisierte Checklisten-Verfahren IARC.

Böhmermanns Schlussfolgerung: Die für den Jugendschutz zuständige Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) müsste sich das Spiel mal genauer ansehen. Indizierte Spiele dürfen Minderjährigen nicht zugänglich gemacht werden, zudem greifen weitreichende Vertriebs- und Werbeverbote.

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Da das ZDF nicht antragsberechtigt ist, startete der Satiriker einen öffentlichen Aufruf an Jugendämter, Pädagogen, Kindergärten und Schulen, die Indizierung anzuschubsen. Genau das ist offenkundig seit der Sendung passiert: In einer Pressemitteilung spricht die Bonner Behörde von einer „Vielzahl an Anträgen und Anregungen zur Indizierung des Spiels“.

Jetzt werden sich die BPjM-Gremien mit „Coin Master“ beschäftigen und dazu auch den in Tel Aviv ansässigen Hersteller Moon Active beziehungsweise dessen Rechtsvertreter anhören. Üblicherweise werden die Verfahrensbeteiligten im Vorfeld zu schriftlichen Stellungnahmen aufgefordert. Die BPjM weist aber vorsorglich darauf hin, dass ein Stückweit Neuland betreten wird: Denn die potenziellen Risiken gehen im Falle von „Coin Master“ nicht vom Spielinhalt aus, sondern von der „besonderen Spielanlage“, sprich: von der Spielmechanik und dem Geschäftsmodell.

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Eine Indizierung hätte nicht nur Folgen für das konkrete Produkte und Dutzende Nachahmer-Produkte in den Appstores: Sehr grundsätzlich gäbe es auch eine Signalwirkung mit Blick auf Lootboxen und andere Glücksspiel-ähnliche Mechaniken, mit denen sich in Apps und Online-Games geldwerte Vorteile nach dem Zufallsprinzip erspielen lassen, etwa Glücksräder.

Im August war bekannt geworden, dass „Coin Master“ auch von der Landesmedienanstalt NRW geprüft wird, allerdings eher mit Fokus auf Kaufappelle und die omnipräsente Werbung.

Erst vor wenigen Tagen hatte die Stiftung Warentest populäre Apps unter Kinder- und Jugendschutz-Gesichtspunkten unter die Lupe genommen. Ergebnis: Nahezu alle Spiele-Apps sind im Test durchgefallen.