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Corona-Lockdown: Forscher besorgt über Videospiele-Konsum von Kindern

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700.000 Kinder und Jugendliche in Deutschland weisen ein mindestes
700.000 Kinder und Jugendliche in Deutschland weisen ein mindestes "riskantes" Spielverhalten auf (Foto: DAK-Gesundheit/iStock)

Eine Studie im Auftrag der DAK misst einen aus Sicht von Wissenschaftlern ungesunden Anstieg der Spielzeit von Kindern an Konsole, Smartphone und PC. Die Drogenbeauftragte Ludwig sieht Handlungsbedarf.

Update von 12 Uhr: Der Branchenverband Game hat auf die heute veröffentlichten Studien-Ergebnisse reagiert: Verbands-Geschäftsführer Felix Falk sieht in der stark gestiegenen Computerspiele-Zeit von Kindern und Jugendlichen explizit kein problematisches Mediennutzungsverhalten oder gar eine Suchtgefahr. Im Gegenteil hätten sich die positiven Eigenschaften von Games gerade in der Krise gezeigt. Mit einer eigenen Kampagne habe auch die WHO für Computer- und Videospiele geworben

Ursprüngliche Meldung: Schulen geschlossen, Kitas geschlossen, Spielplätze, Zoos und Spaßbäder geschlossen, kein Kontakt zu Freunden, Nachbarn und Großeltern – und das während der Osterferien: Im April 2020 blieb Eltern und Kindern buchstäblich wenig Spielraum, um die „heiße“ Phase des Corona-Lockdowns nervenwahrend zu überstehen.

Die Zunahme von Netflix- und Disney+-Neuabonnenten und Spielzeit an Konsole und PC erscheint vor diesem Hintergrund geradezu zwangsläufig. Alle führenden Spielehersteller verzeichnen im zweiten Quartal 2020 neue Rekordzahlen bei Ab- und Umsatz – so war die Nintendo Switch über Wochen hinweg nicht zu bekommen.

Explizit in der zuletzt deutlich gestiegenen Computerspiel-Nutzung sehen Forscher des Deutschen Zentrums für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) eine besorgniserregende Entwicklung: Auf 140 Minuten, also fast zweieinhalb Stunden, ist die Zeit gestiegen, die Kinder zwischen 10 und 17 Jahren im April täglich mit digitalen Spielen auf Smartphones, Tablets, Konsolen und PC verbracht haben – ein Plus von knapp einer Stunde gegenüber der letzten Messung im September 2019. Damals waren es 79 Minuten. Insbesondere werktags hat die Nutzungszeit zugenommen.

Die von der Computerspiel-Industrie betriebene Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) nennt als Richtwert 75 Minuten tägliche Spielzeit für 10- bis 12jährige und bis zu 120 Minuten für Kinder ab 12 Jahren. Die Empfehlungen sind also nicht allzu weit von den Messgrößen der Wissenschaftler entfernt. Sorge bereitet den UKE-Forschern, dass in vielen Haushalten überhaupt keine Regeln für die Mediennutzung gelten.

Befragt wurden knapp 800 Kinder und Jugendliche, die als Motive unter anderem die Bekämpfung von Langeweile, den Stressabbau und das Entfliehen aus der Realität angeben. Parallel sind auch die Games-Nutzungszeiten bei den Eltern angestiegen, wenngleich auf deutlich niedrigerem Niveau.

In Auftrag gegeben wurde die Studie von der Krankenkasse DAK. Deren Vorstandschef Andreas Storm hält die Ergebnisse für „alarmierend“ und fordert „dringend ein verlässliches und umfassendes Frühwarnsystem gegen Mediensucht“. Hochgerechnet auf die Bevölkerung sei bei fast 700.000 Kindern und Jugendlichen das Gaming riskant oder pathologisch. „Die Corona-Krise kann die Situation zusätzlich verschärfen“, mahnt Storm. „Es gibt erste Warnsignale, dass sich die Computerspielsucht durch die Pandemie ausweiten könnte.“ Die Krankenkasse DAK nutzt die neuerlichen Studienergebnisse zur Vorstellung der „Präventionsoffensive Mediensucht“.

Die Drogenbeauftragte im Gespräch mit Game-Geschäftsführer Felix Falk (Foto: Büro Daniela Ludwig)
Die Drogenbeauftragte im Gespräch mit Game-Geschäftsführer Felix Falk (Foto: Büro Daniela Ludwig)

Die Bundes-Drogenbeauftragte Daniela Ludwig (CSU) sieht in den Zahlen einen „heftigen Anstieg“, der so nicht weitergehen dürfe. Ihre Forderung: mehr Medienkompetenz. Gemeinsam mit Digital-Staatsministerin Dorothee Bär (CSU) will Ludwig am heutigen Nachmittag die Kampagne „Familie. Freunde. Follower.“ vorstellen.

Im Koordinatensystem des deutschen Industrieverbands Game spielt das Thema Spiele-Sucht traditionell eine stark untergewichtete Rolle: Den zwischenzeitlich umgesetzten Plan der Weltgesundheitsorganisation WHO, Computerspiel-Abhängigkeit („Gaming Disorder“) analog zur Glücksspielsucht als Krankheit anzuerkennen, brandmarkte der Verband als „falsch“ und „gefährlich“ – und empfahl stattdessen einen „kostenfreien Elternratgeber“. Auf gängigen Games-Plattformen (PlayStation, Xbox, Switch) gibt es die Möglichkeit, Spieletitel, -zeit und -ausgaben durch Apps und System-Einstellungen elternseitig zu begrenzen.

2 Kommentare

  1. Selbstverständlich „spielt“ die Gamesbranche allesnwieder schön runter, anstelle mal vernünftig zu argumentieren. Mal Zahlen zu nennen, zum Beispiel dass es sicherlich für gewisse Altersgruppen von Kindern nicht förderlich ist ausschließlich vor den Medien zu sitzen. Falsch gedacht, hier werden die Zahlen der DAK nur kalt belächelt. Ich empfehle Ihnen alten Zockern ein wenig Selbstreflektion. Falls das noch möglich ist. Oder möchten Sie mir etwa erzählen, dass Ihre Eltern Ihnen erlaubt haben stundenlang TV zu konsumieren, geschweige denn nächtelang an der Konsole zu hängen. Tja wieso wohl nicht? Wahrscheinlich damit Sie heute wenigstens zwei Sätze gerade aus sprechen und schreiben können. Da hatten Sie Glück!

    Sie können gerne mal wissenschaftlich untersuchen, was mit 6-10 Jährigen Kindern passiert, die 12 Monate lang nur durch die Medien zwangsbeschallt werden. Ich weiß. klingt gefährlich, da könnten nämlich ein paar Werbekunden abspringen. Heuchler sind sie, nichts anderes fällt mir dazu ein. Wie Drogendealer agieren Sie, die ab und zu Ihren Kunden einen Schuss gratis anbieten!

    Werden Sie sich endlich Ihrer Verantwortung bewusst und hören Sie auf ständig die Computerspielsucht „runterzuspielen“! Die gibt es nämlich wirklich und nicht nur virtuell.

  2. Wenn man berücksichtigt dass die Jugendlichen meist über 6 Stunden mehr Freizeit am Tag hatten & dann nichtmal Freunde treffen sollten finde ich das einen bemerkenswert geringen Anstieg. Dazu kommt das sozial-media und auch Videospiele ja tatsächlich irgendwie die sozialen Kontakte pflegt.
    Finde es unangebracht wie negative andere Seiten dann doch über diese Studienergebnisse schreiben 😀

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