Wenn der ‚Suchtfaktor‘ zum Risiko wird: Die KJM mahnt einen besseren Schutz von Kindern vor exzessiver Games-Nutzung an.
Zu Beginn prasseln die Erfolgserlebnisse förmlich auf den Spieler ein – doch rasch ist der Punkt erreicht, an dem ein weiterer Spielfortschritt nur durch das ‚Nachwerfen‘ von Echtgeld möglich ist. Oder durch das Werben von Freunden. Oder durch Belohnungen für täglichen Login. Gezielt wird unterschwelliger Handlungsdruck aufgebaut, etwa durch Zeitlimits, den Verlust erspielter Boni oder die ‚Bestrafung‘ fürs Nicht-Spielen.
Dark Patterns heißen jene Methoden, die längst zum Standard im Spieldesign populärer Apps und PC- und Konsolenspiele gehören – und die zum Ziel haben, dass der Spieler möglichst lange am Ball bleibt und sowohl Zeit als auch Ausgaben aus dem Blick verliert. Gerade Kinder und Jugendliche sind anfällig für die Mechaniken.
Zu diesem Ergebnis kommt eine (weitere) Studie, diesmal von der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM), einer Einrichtung der Landesmedienanstalten. Ein Forscher-Team rund um den Nürnberger Medienpädagogik-Professor Rudolf Kammerl hat zehn besonders gefragte Games untersucht, darunter Fortnite, Clash of Clans, Minecraft, League of Legends, FIFA 23, Barbie Dreamhouse Adventures und Toca Life World. In drei von zehn Spielen seien „glücksspielähnliche Elemente wie kostenpflichtige Lootboxen“ aufgetreten – Tresore, Kisten und Schatztruhen, deren Inhalt erst nach Geldeinsatz freigeschaltet wird.
KJM-Vorsitzender Marc Jan Eumann kritisiert, dass gerade die meistgespielten Titel die Unerfahrenheit von Kindern und Jugendlichen ausnutzen: „Fair Play sieht anders aus. Schutz beginnt bei einer wirksamen technischen Alterskontrolle! Genauso braucht es Transparenz: Wie wahrscheinlich ist es, dass ich ein bestimmtes Item durch den Kauf einer Lootbox erhalte? Wie viel Geld habe ich für das Spiel bereits ausgegeben? Solche Informationen müssen auf den ersten Blick ersichtlich sein.“
Studienleiter Kammerl, Inhaber des Lehrstuhls für Pädagogik an der Friedrich-Alexander-Universtät in Nürnberg, sieht Anzeichen dafür, dass die Spieleanbieter es Erziehungsberechtigten „mutwillig“ erschweren, Beschränkungen vorzunehmen. „Hier braucht es für Eltern klar erkennbare Hinweise auf die Risiken für problematisches Gaming und seitens der Spielehersteller mehr Design-Mechanismen beziehungsweise Beschränkungen gegen exzessives Gaming.“
KJM-Chef Eumann appelliert an die Verantwortung der Spielehersteller und plädiert für verbindliche Leitfäden, um Dark Patterns zu vermeiden. Als Schritt in die richtige Richtung sieht er die neuen Prüfregeln der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle, die seit gut einem Jahr auch ‚Nutzungsrisiken‘ bei der Alterseinstufung berücksichtigen. „Es ist gut, dass sich die USK dessen annimmt. Das Gutachten zeigt, wie viel zu tun ist. Die vorgenommenen Änderungen müssen sich nun in der Praxis beweisen. Allerdings bleibt die grundsätzlich fehlende technische Alterskontrolle eine Schwachstelle“, so Eumann.
Die 80seitige Studie lässt sich hier kostenlos als PDF abrufen.