Start Politik Bundestagswahl 2025: Wie die Branchen-Verbände Politik machen

Bundestagswahl 2025: Wie die Branchen-Verbände Politik machen

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Der Bundestag schrumpft: Nach der Wahl am 23. Februar 2025 ziehen nur noch knapp 600 Abgeordnete ins Parlament ein (Foto: Deutscher Bundestag / Thomas Köhler / Phototek)
Der Bundestag schrumpft: Nach der Wahl am 23. Februar 2025 ziehen nur noch knapp 600 Abgeordnete ins Parlament ein (Foto: Deutscher Bundestag / Thomas Köhler / Phototek)

CDU, CSU, SPD, FDP und Grüne bleiben Hauptansprechpartner – doch wie halten es die Branchenverbände mit BSW, Linken und AfD?

Niemand hatte sie offiziell eingeladen – erschienen ist sie trotzdem: Beim Gamescom-Rundgang, den ihr Team auf eigene Faust organisiert hatte, mäanderte Alice Weidel über das Koelnmesse-Gelände, schüttelte Hände und kletterte auf einen Truck am Bundeswehr-Stand. Auf Twitter (inzwischen X) forderte sie: „Deutsche Spieleschmieden unterstützen!“

Den Wahlkampf-Auftritt vor dem Kölner Dom begleiteten unterdessen Proteste des Aktionsbündnisses „Köln gegen Rechts“.

Was wie eine ganz frische Episode klingt, ist fast sieben Jahre her und stammt aus dem August 2018. Damals wie heute ist Weidel Partei- und Fraktionsvorsitzende der AfD. Augenfälligster Unterschied gegenüber 2018: Entlang mehrerer Wahlerfolge und stabiler Umfragewerte werden die Rechtsaußen serienmäßig in TV-Duellen, -Triellen und Quadrellen besetzt. Kaum ein Talkshow-Format, das ohne Weidel, Co-Chef Chrupalla, von Storch oder Baumann auskommt.

Bei der Bundestagswahl am Sonntag tritt Weidel als Kanzlerkandidatin an. Reelle Chancen auf eine Regierungsbeteiligung hat die Partei nicht – was voraussichtlich dazu führt, dass die AfD mit prognostizierten 20 Prozent erneut die größte Opposition im Parlament stellen wird.

Abseits der ‚Alternative für Deutschland‘ gibt es mit der totgeglaubten und zuletzt wiedererstarkten Linken und dem Spin-Off von Sahra Wagenknecht (BSW) zwei weitere Gruppierungen, die in den Ländern sowie im Bundesrat mitreden und nach dem 23. Februar eine wahrnehmbarere Rolle spielen könnten – zwar tendenziell nicht in der Bundesregierung, aber beispielsweise in Ausschüssen für Digitales, Finanzen, Kultur und Medien. Besonders viel Macht hat der Haushaltsausschuss, der den Daumen über Fördertöpfen hebt oder senkt.

Und dann ist ja noch die FDP, die ihre Zustimmungs-Werte gegenüber 2021 glatt halbiert hat. Ob es am Ende für die entscheidende 5-Prozent-Marke reicht, wird sich erst in der Nacht von Sonntag auf Montag weisen. Sicher ist nur, dass nichts sicher ist.

Fachlicher Austausch unter Gamern: Christian Lindner mit Deck13-Geschäftsführer Jan Klose (2. v. r.) und Head of Product Michael Hoss (Foto: GamesWirtschaft)
Fachlicher Austausch unter Gamern: Christian Lindner mit Deck13-Geschäftsführer Jan Klose (2. v. r.) und Head of Product Michael Hoss (Foto: GamesWirtschaft)

Game-Verband: „Grundsätzlich keine Zusammenarbeit mit der AfD“

Für Deutschlands Lobbyverbände stellt sich mit Blick auf das breiter gefächerte Spektrum unterdessen die Frage: Mit welchen Parteien lassen sich die Anliegen und Forderungen aus strategischer Sicht am ehesten umsetzen? Und daran anknüpfend: Welche Politiker und Politikerinnen werden ganz gezielt zu Empfängen, Messen, Konferenzen und Sommerfesten eingeladen – und wer muss draußen bleiben?

Beim Branchenverband Game, der mehr als 500 Publisher, Studios, Dienstleister, Veranstalter und Hochschulen vertritt und neben Gamescom, Gamescom Congress und Devcom auch den Deutschen Computerspielpreis ausrichtet, liegt der Fokus traditionell bei CDU, CSU, SPD, Grüne und FDP – was sich 1:1 an der Besetzung der jüngsten Twitch-Talkrunden ablesen lässt. Esken, Liminski, Habeck, Klingbeil, Giffey, Wüst, Kellner, Bär, Lindner – sie alle sind regelmäßig im Austausch mit dem Verband.

Gegenüber der AfD ist die Haltung indes seit Jahren unverändert. Auf Anfrage bestätigt Geschäftsführer Felix Falk: „Wir konzentrieren uns bei unserer politischen Arbeit, wie jetzt kurz vor der Bundestagswahl mit unseren Gamechanger-Talks, auf Parteien, die sich aktiv mit Games-Politik auseinandersetzen. Mit der AfD findet allerdings grundsätzlich keine Zusammenarbeit statt.“

Die Game-Mitglieder hätten klar entschieden, dass man den Mitgliedern dieser Partei auf verbandseigenen Veranstaltungen keine Bühne geben wollen, „weil sie unseren Werten und Zielen als Games-Branche entgegensteht.“

Ganz ähnlich lautet die Bewertung des E-Sport-Bund Deutschland: Der ESBD steht regelmäßig mit ganz unterschiedlichen Akteuren und Politikern im Austausch, etwa bei Themen wie Gemeinnützigkeit und Jugendschutz. Eine Zusammenarbeit fände allerdings nur mit Parteien statt, die „demokratische Prinzipien“ bewahren – so, wie es auch in der Satzung verankert ist. Mit der AfD gäbe es keinen Kontakt.

Michael Kellner (Grüne / Parlamentarischer Staatssekretär im Wirtschaftsministerium) und Game-Geschäftsführer Felix Falk (Foto: GamesWirtschaft)
Michael Kellner (Grüne / Parlamentarischer Staatssekretär im Wirtschaftsministerium) und Game-Geschäftsführer Felix Falk (Foto: GamesWirtschaft)

Deutscher Kulturrat bespielt alle Parteien und Fraktionen

Die Verbände der deutschen Spiele-Industrie sind sich in ihrer Positionierung und Abgrenzung also vergleichsweise einig – und liegen damit unter anderem auf Linie des Deutschen Startup-Verbands, der erst vor wenigen Tagen forderte: „Die AfD darf in keiner Regierung in Deutschland irgendeine Rolle spielen.“

Doch in der täglichen Praxis fällt die ‚Brandmauer‘ nicht immer so eindeutig aus.

So informiert der Deutsche Kulturrat – dem auch der Game angehört – explizit alle Fraktionen und Gruppen des Deutschen Bundestags gleichermaßen, wie Geschäftsführer Olaf Zimmermann bestätigt. Der Dachverband kommt den Gesprächsanfragen aller Fraktionen und Gruppen nach – gleiches gilt für Stellungnahmen im Verbands-Organ Politik & Kultur und im Vorfeld der Bundestagswahl. Zu Veranstaltungen des Kulturrats würden in der Regel die Ausschuss-Vorsitzenden eingeladen.

Der IT-Verband Bitkom versteht sich ebenfalls als „strikt neutral und überparteilich“ – was so weit geht, dass man sogar ganz von einer Einordnung oder ‚Benotung‘ der Wahlprogramme absieht.

Gleichwohl habe man sich 2024 öffentlich von der AfD distanziert und die „gegensätzliche Werte-Ordnung“ zwischen AfD und Bitkom in einem Positionspapier aufgezeigt. Aus Berlin heißt es: „Als Konsequenz bieten wir Politikerinnen und Politikern der AfD auf unseren zahlreichen Veranstaltungen und Digitalkonferenzen keine Bühne und laden sie nicht dazu ein.“

Wirtschaftsminister Robert Habeck, Ubisoft-Sprecherin Nicole Lorenz und Ubisoft Blue Byte-Chef Benedikt Grindel am BMWK-Stand auf der Gamescom 2023 (Foto: GamesWirtschaft)
Wirtschaftsminister Robert Habeck, Ubisoft-Sprecherin Nicole Lorenz und Ubisoft Blue Byte-Chef Benedikt Grindel am BMWK-Stand auf der Gamescom 2023 (Foto: GamesWirtschaft)

Bundestagswahl 2025: Verbände bringen sich in Stellung

Und wie lauten nun die Erwartungen der Verbände an die künftige Bundesregierung?

Der Game-Verband pocht auf ein klares Bekenntnis für den Games-Standort Deutschland – sprich: erstens Zuverlässigkeit, zweitens Planbarkeit und drittens internationale Wettbewerbsfähigkeit. In allen drei Disziplinen hat die Ampel nur bedingt geliefert. Das E-Sport-Trauerspiel ist manchem Politiker regelrecht peinlich.

Weil der Wahlkampf genauso kurz und kompakt ausfällt wie die Wahlprogramme, freut sich Verbands-Chef Falk um so mehr, dass Games in vielen Papieren spezifisch genannt werden: „Das deckt sich mit vielen Positionierungen auch außerhalb der Wahlprogramme, nach denen die Games-Branche insgesamt als wichtiger Wirtschaftszweig, spannender Technologietreiber und einflussreiches Kulturgut wahrgenommen wird.“

Genau dieser Umstand ist auch Kulturrat-Geschäftsführer Olaf Zimmermann aufgefallen, der feststellt, dass andere Kulturmärkten – etwa das Buch- oder Kunst-Segment – keine Erwähnung finden. „Dies zeigt, dass diesem Kulturwirtschaftsbereich vermutlich in der nächsten Wahlperiode besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden wird“, so Zimmermann.

NRW-Staatskanzlei-Chef Nathanael Liminski (CDU) auf der Gamescom 2022 (Foto: Land NRW / Robin Teller)
NRW-Staatskanzlei-Chef Nathanael Liminski (CDU) auf der Gamescom 2022 (Foto: Land NRW / Robin Teller)

Auch das zentrale ESBD-Anliegen – die seit Jahren versprochene, aber nie eingelöste E-Sport-Gemeinnützigkeit – findet sich in nahezu allen Wahlprogrammen, etwa bei der Union und bei den Grünen. Das frischgewählte Präsidium rund um Christopher Flato setzt nun darauf, dass die politischen Absichtserklärungen in konkrete Maßnahmen überführt werden.

Ob sich all die Wünsche und Hoffnungen erfüllen, wird sich demnächst in den Koalitionsverhandlungen und bei der Zuordnung des künftigen ‚Games-Ministeriums‘ besichtigen lassen – und natürlich im August auf der Gamescom, zu der üblicherweise Hunderte Abgeordnete, Generalsekretäre, Partei-Chefs, Ministerpräsidenten und Regierungsmitglieder samt Entourage anreisen.

Unabhängig vom Ausgang der Wahl spricht viel dafür, dass sich AfD-Co-Chefin Weidel auch in diesem Jahr eigenständig um Tickets bemühen muss. Der Kartenvorverkauf soll im Frühjahr starten.

Einen Überblick über die Games-Schwerpunkte der Wahlprogramme finden Sie bei GamesWirtschaft – einmal als Zusammenfassung und außerdem gesondert für CDU / CSU, die Grünen, die SPD und die FDP.


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1 Kommentar

  1. Schon bitter, dass Lindner wieder eingeladen wird, obwohl die FDP mutmaßlich nach der Wahl draußen bleiben muss und die Linke im Gegenzug offenbar nicht eingeladen wird. Naja, muss der GAME selbst wissen.

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